Wanderung zum Ofenloch | Der Grand Canyon der Schweiz

Aufbruch bei der Schwägalp

Die Wanderung zum Ofenloch starten wir auf der Schwägalp-Passhöhe. Als wir diese am frühen Vormittag erreichen und das Auto auf dem Seitenstreifen parken, ist es noch ruhig auf dieser Seite des Säntis. Da es ein sonniger Tag ist, wird sich dies bis zum Nachmittag ändern. Denn die Straße südwestlich vom Alpsteingebirge ist eine beliebte Motorradstrecke im Nordosten der Schweiz.

So wird, wer von der Schwägalp zu Fuß auf den Säntis steigt, vom ewigen Geheul der Motoren begleitet. Ob man dies dann noch genießen kann, wissen wir nicht. Es braucht uns auch nicht zu kümmern. Mit dem Ofenloch, dem Grand Canyon der Schweiz schlagen wir die andere Richtung in den Chräzerenwald ein und lassen den aufkommenden Lärm bald hinter uns.

Start bei der Schwägalp-Passhöhe

Von der Schwägalp-Passhöhe folgen wir der gelben Wanderweg-Markierung aufwärts über die Alm zum Waldrand und weiter in Richtung Chräzerenpass. So wie wir in den Wald eintauchen, erklärt eine Infotafel, dass wir uns im Waldreservat der Kreisalpen befinden.

Als Ziel nennt die Tafel, das 410 Hektar große Sonderwaldreservat und 60 Hektar große Naturwaldreservat »bestmöglich vor Störungen jeder Art« zu bewahren. Das Waldreservat soll sich dadurch zu einem Kernlebensraum für Auerhühner, Birkhühner und Haselhühner entwickeln.

Um die besonders scheuen Auerhühner nicht zu stören beziehungsweise aufzuscheuchen, sollen wir uns ruhig verhalten. Das bedeutet in erster Linie, dass man die zum Wandern freigegebenen Wege nicht verlassen darf. Denn an die Benutzung der Wege können sich die Tiere leichter gewöhnen als an Querfeldeinläufer. Auch ohne den Hinweis macht dies Sinn. Denn schon bald führt der Wanderweg in einen sumpfigen Bereich. Dies bedeutet: wer an der falschen Seite der Bäume herunter läuft, tappt schnell mal in den Matsch. Denn es gibt nur einen Weg, der hinab durch den Wald mit Holzbohlen ausgelegt ist.

Aussicht auf dem Chräzerenpass

Es folgen mehrere Lichtungen mit Sumpfdotterblumen, dem einen oder anderen Schneefetzen und weiteren schönen Ausblicken zum schneebedeckten Alpsteingebirge. Schließlich gelangen wir auf einem breiten Wirtschaftsweg zum Wegweiser am Chräzerenpass (1.269 m). 20 Minuten von hier entfernt liegt das Berggasthaus Chräzerli. Neben der Schwägalp-Passhöhe gobt es dort einen zweiten beliebter Startpunkt zur Wanderung zum Ofenloch. In beiden Fällen geht es vo Chräzerenpass weiter in Richtung Spicher und Neuwald.

Noch eine gute Viertelstunde bleiben wir auf dem gut ausgebauten Forstweg. Dann geht es an der linken Seite eines offenen Hangs hinauf in den Wald. Neben auffallenden Sumpf-Dotterblumen blühen hier im Frühjahr zahlreiche Schlüsselblumen auf der feuchten Hangwiese. Auf dem Stück bergauf kommen wir das erste Mal leicht ins Schwitzen. Trotz Fotostopps mit Objektivwechsel haben wir den offenen Bereich jedoch schon nach knapp zehn Minuten geschafft. Es ist wieder nur ein schmaler, hier mit Heidelbeeren gesäumter Waldstreifen, den wir aufwärts bis zur nächsten Lichtung durchqueren müssen. Mit Blick zum Säntis zu unserer Rechten geht es von dieser erst schnurstracks nach Norden und dann im Bogen links hinauf zum Spicher.

Entlang der Nagelfluhwand auf den Spicher

Die letzten 400 Meter zum Spicher verlaufen entlang einer Hangkante. Es ist eine in Teilbereichen fast senkrecht abfallende Nagelfluhwand. Um dies zu sehen, muss ich bis fast an der Kante stehen und mich ganz schön recken. Zugleich hoffe ich, nicht auf einem überhängenden Flecken Erde zu stehen. Allein die herrliche Aussicht auf den Säntis im Osten sowie zum Älpli, Spitzli und der Petersalp im Norden entschädigt solchen Wagemut.

Schutzgebiet auf dem Spicher

Obwohl wir uns unterwegs recht lange mit anderen Wanderern unterhalten, erreichen wir nach nur eineinviertel Stunden nach dem Aufbruch bei der Schwägalp den Spicher. Der Wanderweg spart den Gipfel allerdings aus. Der Grund liegt einmal mehr im Schutzgebiet.

Denn auf dem exponierten Südhang wachsen viele gefährdete und deshalb streng geschützte Pflanzen. So entdecken wir an mehreren Stellen das Männliche Knabenkraut (eine Orchidee) und das Echte Alpenglöckchen. Beide teilen das Schicksal, unter Trittbelastung einzugehen.

Vom Wegweiser Spicher folgen wir dem Wanderweg ein kurzes Stück bis Spicher West, wo sich der Weg gabelt. Weil für den linken nichts angeschrieben steht (er führt zu einer Hütte), wählen wie den rechten Weg Richtung Neuwald West. Auf den nächsten Metern geht es in einer langen Kurve durch den Wald bis wir auf eine abschüssige Alm kommen und eine ganz neue Aussicht auf den Hinterfallenchopf vor uns haben.

Neuwald

Das nächste Teilstück bis zur Neuwald-Hütte hat es in sich. Es ist zwar nicht allzu schwierig. Aber irgendwie haben wir das Gefühl, genau auf ein Loch zuzulaufen. Links von uns fällt der Hang nach Südosten ab, rechts von uns schützt uns ein Stacheldrahtzaun vor dem Fall von der Kante in die Tiefe und vor uns sieht es so aus, als wenn die Landschaft einfach endet.

Als wir dieses erste vermeintliche Ende erreichen, biegt der Weg nach links ab, wo wir abermals auf ein Nichts zulaufen; jedoch mit dem Unterschied, dass der Wanderweg nun deutlich steiler abfällt und wir froh sein können, dass der Boden und das Gras so trocken sind. Tatsächlich laufen wir auf die tiefe Schlucht des Neckers zu und befinden uns damit direkt über der berühmten Nagelfluhwand mit dem Ofenloch.

Rund 20 Meter vor der mit Stacheldraht gesicherten Kante verfehlen wir den ausgewiesenen Weg und müssen deshalb quer über eine mit Horstgräsern bewachsene Alp zur Neuwald-Hütte hinabsteigen. Wer will, kann von hier wieder zum Chräzerenpass aufsteigen. Wir aber wechseln hier auf den Bergweg und steigen durch den Wald zum Ofenloch hinab.

Ofenloch | der Grand Canyon der Schweiz

Nach Neuwald dauert es nicht mehr lange, bis wir den Waldrand erreichen und das Gefälle wieder größer wird. Zugleich wird der Weg anspruchsvoller, da wir auf Wurzeln achten müssen, die über den Pfad wachsen. Insgesamt dauert der Abstieg von der Neuwald-Hütte bis zu einer Engstelle, an der wir auf die andere Seite der Schlucht wechseln, aber nur eine Viertelstunde, sodass wir uns schon bald beim Ofenloch befinden.

In der Neckerschlucht

Bevor wir uns die große Höhle in der so oft als gewaltig bezeichneten Nagelfluhwand anschauen, legen wir jedoch erst einmal eine Vesperpause im oberen Teil der Necker-Schlucht ein. Genauer gesagt: im kiesigen Bachbett der Schlucht, da der Necker bei unserer Wanderung dank tagelanger Trockenheit zu einem Rinnsal zusammen geschrumpft ist. Ich nutze die Gelegenheit, um noch ein Stück weiter bergauf zu laufen. Dabei ergeben sich schöne Ausblicke auf Felsformationen, die eher an einen amerikanischen Canyon erinnern als an eine mitteleuropäische Schlucht.

Gut gestärkt, wechseln wir schließlich auf die andere Seite des Neckers und steigen einen weiteren schmalen Pfad hinauf. War es zuvor schon beeindruckend, direkt bei einer hohen Nagelfluhwand zu sitzen, müssen wir jetzt feststellen, dass der Ausblick ins Ofenloch wirklich grandios ist. Wenn ich bedenke, wie oft ich gelesen habe: »Wirklich beeindruckend, diese Nagelfluhwand!«, so bleibt mir vor Ort nichts anderes übrig, als all meine Vorschreiber zu bestätigen. Die mehrere Hundert Meter fast senkrecht abfallende Wand und das große Loch lohnen die Wanderung absolut.

Wasserfall in der Neckerschlucht

Doch es ist ja nur ein Steinwurf bis zum nächsten Höhepunkt der Wanderung: ein Wasserfall, der über die Felskante in ein kreisrundes Becken stürzt und dabei so viel Platz zur Wand lässt, dass wir dahinter durch laufen können. Für uns ist das eine Premiere. Der Abstieg zum Wasserfall allerdings ist knifflig. Denn der steil abfallende Pfad ist wegen der aufsteigenden Feuchtigkeit und des bindigen Bodens selbst nach längerer Trockenheit schmierig, sodass man leicht nach rechts (und damit Richtung Schlucht) abrutschen kann. Obwohl die Tour zum Ofenloch an sich keine besonderen technischen Anforderungen stellt, ist dies dann auch der Grund, warum sie als gefährliche Wanderung eingestuft wird.

Rückkehr über Alp Horn

Vom Wasserfall folgen wir dem nächsten Pfad entlang der Geländekante. Auch hier sind keinerlei technische Anforderungen gegeben. Außer, dass man sich davor hüten sollte, zu weit nach rechts zu treten oder auf dem Laub auszurutschen. Denn es gibt an vielen Stellen nichts, woran man sich festhalten könnte. Schon allein deshalb ist es von Vorteil, für die Wanderung Stöcke mitzunehmen. Zumindest gibt es uns doch ein sicheres Gefühl.

Kurz bevor der Pfad in einen Forstweg mündet, öffnet sich der Ausblick nach Neuwald, sodass wir freie Sicht auf die Nagelfluhwand haben, oberhalb der wir zum Ofenloch abgestiegen sind. Es ist kein Wunder, dass man sich bemüht, den Waldstreifen entlang der Kante zu stärken. Denn sollte der Hang mal ins Rutschen geraten, wäre sonst Hopfen und Malz verloren.

Verlängerung über den Hinterfallenkopf nach Ennetbühl

Wer noch lange nicht genug vom Wandern hat, kann auf dem Forstweg nach rechts in Richtung Hinterfallenkopf abbiegen und zum Beispiel von Ennetbühl mit dem Bus zurück zur Schwägalp fahren. Da die Verbindungen rar sind, halten wir uns jedoch links und nutzen den Rückweg, um auf einer Feuchtwiese im Chräzerenwald Mehlprimeln und das Alpen-Fettkraut zu fotografieren (und uns dabei ganz nebenbei nasse Knie zu holen).

Gut 20 Minuten ab der Einmündung in den Forstweg erreichen wir schließlich Alp Horn (1300 m), von wo sich uns ein herrliches Panorama zum Säntis und dem Alpsteingebirge bietet, eh wir über den bereits bekannten Chräzerenpass zurück zur Schwägalp-Passhöhe spazieren, wo eine schöne und abwechslungsreiche Wanderung endet.

Variante ab Hemberg zum Ofenloch

Ab dem Parkplatz in Hemberg wandern wir zunächst Richtung Bendel in das Oberdorf hinauf. Bald erreichen wir eine Info-Tafel,bei der wir links am Spielplatz vorbei laufen. Anschließend folgen dem wir dem Weg bis zum Parkplatz eines Skilifts. Ab dort geht es rechts der Straße zum Bergrestaurant Alpstöbli in der Mistelegg. Im weiteren Verlauf folgen wir den Wegweisern bergan über Vordernecker (890 m) und Groppennecker (944 m) bzw. auf der Alpstrasse zum Ampferenboden (1047 m). Auf der Anhöhe Ampferenboden öffnet sich die Sicht über die felsige Landschaft und laden gesicherte Feuerstellen zu einer schönen Rast ein. Anschließend verlassen wir den Ampferenboden in südsüdwestlicher Richtung und nutzen den Weg am Bachlauf weiter bergan bis zum Ofenloch (1136 m). Der Rückweg erfolgt auf der selben Strecke.

Anfahrt, Anforderungen und GPS-Daten zur Wanderung

Von der A1 Wintertour - St. Gallen bei Wil bzw. Ausfahrt 77 nach Bütschwil abfahren, weiter auf der 16 bis Nesslau-Krummenau. Dort zur Säntis-Schwebebahn abbiegen und weiter bis zu den Parkmöglichkeiten auf dem Schwägalp-Pass fahren.

AusgangspunktSchwägalp-Passhöhe
KoordinatenN 47.2543, E 9.3051
Gehzeit4 Stunden
Distanz10,5 km
An-/Abstiegeca. 500
AnforderungenT2, bei Nässe deutlich erhöhte Rutsch- und Sturzgefahr
Einkehrauf der Strecke keine, Gasthäuser auf der Schwägalp
BeschilderungChräzerenpass, Spicher, Spicher West, Neuwald West, Neuwald, Ofenloch, Ellbogen (bis auf breiten Wanderweg), Horn, Schwägalp Passhöhe
GPS-DatenWanderung Ofenloch gpx
KML-DatenWanderung Ofenloch kml

Wanderkarte Ofenloch

Höhenprofil

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