Wer seinen Blick über das Ufer vom Sämtisersee schweifen lässt, wird sich vielleicht wundern. Es gibt keinen oberirdischen Abfluss. Stattdessen besitzt der See einen unterirdischen Abfluss, über den das Wasser zum St. Galler Rheintal abfließt. Mit dieser Besonderheit geht ein stark schwankender Wasserpegel einher. So kann der Sämtisersee bei länger andauernden Trockenperioden auch mal komplett trockenfallen. Andererseits kann der Wasserspiegel nach schneereichen Wintern auch sehr rasch ansteigen. Eine weitere Besonderheit bietet die Lage innerhalb einer 70 Meter tiefen Senke. Bei ruhiger Witterung entsteht hier ein Kaltluftsee, bei denen die Tiefstwerte teils deutlich unter 20 Grad Celsius absinken. Lassen wir uns also überraschen.
Aufnahmen zu unseren schönsten Wandertouren in der Schweiz
Unsere Wanderung zum Sämtisersee startet im Nebel. Bereits auf dem Weg zum Kastensattel lichtet sich dieser jedoch ein wenig. Hin und wieder geben kleine Lücken sogar die Sicht frei bis zu den österreichischen Bergen. Auch ist der Pfad zum Kamor nun deutlich besser als bei unserem Aufstieg auf den Berg Hoher Kasten zu sehen. Insgesamt aber bleibt es neblig im Osten und wolkig im Westen. Nach wenigen dramatischen Ausblicken zurück zum mal sichtbaren, dann wieder in den Wolken verschwundenen Gipfelbereich verlassen wir den Grat. Etwa 30 Minuten ab dem Kastensattel nutzen wir schließlich die erste Abstiegsmöglichkeit zum Sämtisersee.
Auf dem nächsten Stück geht es steil bergab. Stellenweise beträgt das Gefälle 36 Prozent, wobei es durch den Regen der letzten Nacht auch hier glitschige Stellen gibt. Stufen und dünne Stämme, die den Rand des Pfads halten, erleichtern den Abstieg zur Alp Soll. Insgesamt ist der Pfad jedoch knifflig. So überholen wir bald andere Wanderer, die sich auf dem bei Nässe schwierigen Terrain vorsichtig talwärts tasten. Gut, dass wir an unsere Wanderstöcke gedacht haben...
Nach 20 Minuten haben wir den Waldstreifen (mit Lichtung) unterhalb des Grats durchquert und erreichen 100 Höhenmeter weiter unten den oberen Rand der Alp Soll. Immer noch ist das Gefälle relativ groß, insgesamt aber ist es auf der Alp leichter, sicher voranzukommen. Allen voran gilt dies für zwei Radfahrer, die sich vor uns durch den Wald gequält hatten und die jetzt talwärts zur Appenzeller Sämtis düsen. Wir folgen ihnen über die Seewees und reiben uns dann verwundert die Augen: wo bitte schön ist der Sämtisersee geblieben?
Wir hatten ja schon beim Aufstieg zum Gasthaus Ruhsitz gesehen, dass der Sämtisersee irgendwie seltsam aussieht. Vor Ort sind wir dann aber doch schockiert, wie wenig Wasser sich in dem See befindet. Um nicht zu sagen, der Sämtisersee ist bis auf ein kleines Pfützle verschwunden - und das bereits im Mai, nur wenige Wochen nach Start der Wandersaison bzw. nach der offiziellen Schneeschmelze.
Genau darin liegt dann auch die Erklärung. Denn scheinbar macht sich der Klimawandel zwischen Hoher Kasten und Säntis dadurch bemerkbar, dass die Schneefälle nicht mehr jedes Jahr so üppig sind wie es der Tourismus und eben auch der See braucht. Und wo nur wenig Schnee liegt, kann im Frühjahr auch nicht viel abschmelzen. Vor Ort sieht das dann so aus, dass sich ein kleines Rinnsal durch den trockenen gefallenen Seeboden schlängelt. Dass dieses stellenweise begrünt ist, spricht Bände. Oder anders ausgedrückt: sollten die geringen Niederschlagsmengen in der Region zur Regel werden, werden wir uns wohl an die neue Sämtiserseealp gewöhnen müssen.
Ganz so weit ist es zum Glück noch nicht und hoffen wir, bei unserer nächsten Tour am Hohen Kasten wieder auf den erwarteten Bilderbuchsee hinab zu blicken. Bei unserer zweiten Hohen Kasten-Wanderung aber nutzen wir ein paar große, sonst vom Wasser bedeckte Steine für eine ausgiebige Rast. Auch überlegen wir, quer rüber zur anderen Seite zu laufen, um einen gps-Track zum Augen reiben zu erstellen.
Frisch gestärkt, brechen wir 20 Minuten später von unserem Rastplatz im See auf und laufen im Bereich des ehemaligen Ufers weiter bis zum Wanderweg Richtung Fälensee. Einerseits interessiert es uns ja schon, ob der höher gelegene See auch so stark zusammengeschrumpft ist. Zwei Stunden zusätzlichen Weg (hin und zurück) für eine vermeintliche Enttäuschung wollen wir uns dann aber doch nicht antun. Da nutzen wir die Zeit doch lieber, um mit dem Alpen-Vergissmeinnicht, dem Trauben-Steinbrech und dem auch bei uns anzutreffenden Acker-Stiefmütterchen weitere Blumen aufzunehmen.
Nach insgesamt 5.30 Stunden inklusive Pausen passieren wir das Gasthaus Plattenbödeli. Von hier führt ein Weg zurück an den Sämtisersee und weiter zum Gasthaus Ruhesitz bzw. von dort hinab nach Brülisau. Für Wanderer, die mit der Gondel zum Hohen Kasten hinauf gefahren und über die Saxerlücke zum Fälensee hinabgestiegen sind, ist das die schönere Variante, um zum Parkplatz bei der Talstation zurück zu laufen. Wir jedoch bleiben auf dem breiten Forstweg.
Nur zu gut wissen wir noch, wie uns der steil abfallende Weg einst zugesetzt hat. Auch diesmal, nachdem wir schon 950 Höhenmeter hoch und davon einen großen Teil auch schon wieder bergab gelaufen sind, spüren wir bald unsere Muskeln. Im Vergleich zu damals jedoch kommt uns der Abstieg eher wie ein lockerer Spaziergang nach getaner Arbeit vor.
Abgesehen von einem kurzen Stück Bergweg folgen wir dem Forstweg bis ins Tal. Da sich links und rechts davon dicht bewaldete Berghänge befinden, gibt es hier nur wenig Abwechslung. Erst im unteren Bereich sorgt der wild rauschende Brühltobel für einen letzten Höhepunkt der Tour, eh wir nach 6 Stunden und 30 Minuten oder 13 Kilometer mit gut 1.000 bewältigten Höhenmetern wieder bei unserem Auto ankommen. Schon auf den letzten Metern steht für uns fest, dass wir nach der Tortur beim ersten Mal und dem Wetterpech bei unserer zweiten Tour wenigstens ein drittes Mal zum Hohen Kasten fahren werden. Das dann in der Hoffnung, dass alles klappt und wir die hier wunderschöne Landschaft so genießen können.
Bei Anfahrt über die A1 im Bereich St. Gallen zum Appenzellerland abfahren, weiter über Herisau und Appenzell nach Brülisau. Die Parkplätze befinden sich bei der Talstation der Seilbahn vom Hohen Kasten.
Ausgangspunkt | Bergstation Hoher Kasten |
Koordinaten | N 47.2967, E 9.4567 |
Gehzeit | 3 bis 3.30 Stunden |
Distanz | 8,2 km |
An-/Abstiege | ca. 150/knapp 1000 HM |
Anforderungen | T2-3, bei Nässe wird der steile Abstieg zum Sämtisersee schnell rutschig |
Einkehr | Drehrestaurant Hoher Kasten, Berggasthaus Plattenbödeli |
Beschilderung | ab Hoher Kasten: Sämtisersee, Plattenbödeli, Brülisau |
GPS-Daten | Wanderung Sämtisersee gpx |
KML-Daten | Wanderung Sämtisersee kml |