Von der Azoreninsel Faial aus haben wir den Vulkankegel des Pico mit seinem aufgesetzten kleinen Piquinho mehrere Tage von der Ferne gesehen. Es wird Zeit, den Berg zu erklimmen. Doch zuerst müssen wir auf die gleichnamige Insel wechseln. Gerade mal acht Kilometer trennen den Fähranleger von Horta mit dem von Madalena. So nehmen auch wir die Fähre am frühen Morgen und schaukeln bei schönem Wetter über die Kanal genannte Meerenge zwischen den beiden Inseln. In Madalena nehmen wir den dritten Mietwagen unserer Reise entgegen.
Verglichen mit den ersten beiden Stationen stellt sich dies aufgrund einer verspäteten und völlig gehetzt wirkenden Vermieterin als etwas nervig heraus. Dass sie uns nur einen Unfallwagen anbieten kann, macht es nicht besser. Da die Auswahl fehlt und wir keine weitere Zeit verlieren wollen, begnügen wir uns mit der verschrammten Karre. Leider verzichtet sie außerdem darauf, uns alle benötigten Papiere auszuhändigen. Erst bei der Rückgabe erfahren wir, dass die Autovermietung auf Pico auf diese Weise ihre Kasse aufbessert.
Aber ärgern können wir uns später zu Hause. Nach der Ankunft schauen wir erst einmal, dass wir unser Gepäck beim Hotel loswerden, um gleich weiter zum Ausgangspunkt einer Küstenwanderung an der Ponta da Ilha, der schroffen Ostspitze der Insel zu fahren. Genau das ist es, was Pico ausmacht: keine der anderen Azoreninseln ist so schroff wie diese. Pico ist die Ilha Montanha, die »gebirgige Insel«,
die Insel des schweren Weines und die Insel der Walfänger. Von allem wollen wir etwas mitbekommen: das tiefschwarze Vulkangestein entlang der Küste, die steilen Flanken des Berges, die bis ans Meer hinabreichen, dem Walfang, der sich inzwischen zur Fotojagd dieser wunderbaren Tiere für Touristen gewandelt hat und dem Wein, den wir uns zum Abendessen gönnen.
Mit 448 km² ist Pico die zweitgrößte Insel der Azoren. 2351 Meter Höhe machen sie zudem zur höchsten Erhebung des Archipels und zugleich des übrigen Portugals. Während Schnee auf den Azoren eher selten ist, trägt der Pico im Winter regelmäßig eine weiße Mütze. Mit über 100 Vulkanen ist der Vulkanismus auf der Insel allgegenwärtig. Wie auch auf den anderen Inseln sind die Vulkane eine ständige Bedrohung für die Bevölkerung.
Heftigere Ausbrüche haben in der Vergangenheit mehrere Auswanderungswellen der Insulaner ausgelöst. Der Vulkan Pico selbst spuckte zuletzt 1718, was die Menschen damals als einen Wutanfall Gottes werteten. Heute schläft der Berg, ist aber immer noch aktiv. So ist die aufsteigende Wärme am Gipfel immer noch zu spüren.
Durch das gewaltige Vulkanmassiv bleibt wenig Platz für Wohnbebauung und landwirtschaftliche Ackerflächen. Somit beschränken sich die Siedlungen weitgehend auf den Inselrand. Doch für die Milchwirtschaft kann das gerodete Hochland genutzt werden. Hier entsteht die Grundlage für den Queijo do Pico, dem Käse von Sao Joao. Autofahrer müssen daher überall mit freilaufenden Rindviechern rechnen. Eine wichtige Einnahmequelle Picos ist der Weinanbau, welcher inzwischen von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichnet ist.
Auch wenn Mehltau und Rebläuse den Winzern immer wieder zu Schaffen machten, wird der Weinbau trotz mühsamer Handarbeit nach wie vor gepflegt. Und setzte Herman Melville mit seinem Roman »Moby Dick« dem damals spektakulären Walfang noch ein literarisches Denkmal, so ist dieser seit 1986 verboten. Heute werden die Tiere geschützt und ist Pico die Insel des »Whale-Watching« der Azoren, bei denen Besucher den Pottwal und einige andere Meeressäuger aus der Nähe beobachten können.