Am frühen Morgen treffen wir in Lajes ein. Auch wenn wir etwas Bedenken haben, ob wir uns in dem Ort gleich zurecht finden, stehen wir schon bald vor der Station von Espaço Talassa. Die Station geht auf Serge Viallelle zurück, der seit 1989 von hier zu Walbeobachtungen im Azoren-Archipel hinausfährt. Eng verbunden mit seiner Arbeit ist zwei Jahre später die erste Beobachtungs- und Forschungsstation für Wale und Delfine entstanden.
Espaço Talassa wirbt dabei besonders für den nachhaltigen Tourismus. Das heißt, dass die Ausflugsboote einen hinreichend großen Abstand zu den Meeressäugern einhalten. Wale und Delfine sollen beobachtet werden, sich aber keinesfalls gejagt fühlen. Dem stimmen wir gerne zu. Leider heißt das aber auch, dass man besser ein Teleobjektiv mitnehmen sollte, um die Tiere fotografieren zu können.
Vor dem Bootsausflug zur Walbeobachtung erhalten wir eine Einweisung. Neben den Sicherheitsbestimmungen - immerhin geht es mit den Booten auf die offene See - gehört dazu auch etwas Theorie über die einzelnen Arten, die in den Gewässern rund um die Insel Pico leben oder auf ihren Wanderungen vorbeiziehen. Bisher konnten 27 Wal- und Delfin-Arten bei den Azoren nachgewiesen werden. Als eine Art Jubiläum hat das Team 2015 seinen 100sten Blauwal identifiziert.
Auch wenn sich bei unserer Fahrt keine Blauwale in der Umgebung aufhalten, machen die Beobachtungen der letzten Tage doch Mut. So ließen sich unter anderem mehrere Pottwale blicken. Einzig über die Wahl meiner Kamera ärgere ich mich ein wenig. Denn weil mir unser Veranstalter wegen Spritzwasserschäden von der Mitnahme einer teuren Spiegelreflex abgeraten hat, habe ich stattdessen unsere kleine Unterwasserkamera eingepackt.
Um so freundlicher ist dafür das Wetter. So starten wir unsere Whale Watching Tour an einem zunächst noch etwas kühlen, aber sonnigen Morgen. Auch das Meer ist verhältnismäßig ruhig, sodass nur kleine Wellen an die Boote klatschen, als wir den Hafen von Lajes verlassen und Kurs auf die tieferen Gewässer nehmen. Mit dem nun doch wolkenverhangenen Montanha do Pico im Rücken suchen fortan zehn Augenpaare gebannt die Wasseroberfläche ab.
Eine Viertelstunde nach dem Start in Lajes ist es schließlich so weit. In der Ferne taucht vor uns der Rücken eines Pottwals auf. Dann streckt er eine Flosse aus dem Wasser wie um uns zu grüßen. Aufgeregt zücken alle ihre Kamera. Doch so groß das Tier auch ist, auf dem Display meiner Kompakten ist kaum mehr als winziger Fleck zu erkennen. Damit beschließe ich schon jetzt, für unsere nächste Walbeobachtung in Kanada doch wieder meine richtige Kamera mitzunehmen.
Umso schöner ist es dafür, die großen Meeresbewohner zu beobachten. So erklärt unser Bootsführer, dass es sich um eine Walkuh handelt. Wie um das zu unterstreichen, ist Sekunden später auch das Kalb knapp unter der Wasseroberfläche zu sehen. Wir folgen dem Paar eine ganze Weile, entdecken dabei auch ein zweites Weibchen und ein weiteres Junge, eh wir abdrehen und Kurs auf eine Bucht nehmen.
Noch eh richtig was zu sehen ist, ruft unser Bootsführer schon, dass sich vor uns eine Herde Rundköpfiger Delfine (auch Rundkopfdelfine) aufhält. Sie gelten als besonders scheu und sind auf den Azoren nur selten anzutreffen. Als wir etwas näher herankommen, sind die runden Köpfe aber deutlich zu erkennen wie auch, dass ein paar der drei bis vier Meter langen Tiere sehr hell, fast schon weiß sind.
Als Nächstes entdecken wir eine Herde Gewöhnlicher Delfine. Oder sind es sie, die uns entdeckt haben? Das ist nicht so gewiss, denn im Gegensatz zum Rundkopfdelfin haben sie sichtlich Spaß daran, in der Bugwelle unseres Bootes zu schwimmen, es zu überholen oder auch einfach nur ein Stück weit zu begleiten und uns zu begeistern. In der großen Herde befinden sich auch mehrere Atlantische Fleckendelfine. Er gilt auf Pico als der freundlichste der Meeresbewohner, der auch mal über Stunden hinweg in der Bugwelle spielt. Er ist bei fast der Hälfte der Ausfahrten anzutreffen, womit er eine Art Garantie ist, auch tatsächlich Delfine zu sehen.
Gegen Ende unseres Bootsausflugs tauchen in der Nähe zum Boot mehrere Kurzflossen-Grindwale auf. Trotz ihres Namens handelt es sich dabei ebenfalls um eine Delfinart. Auf dem ersten Blick ähnelt er dem Rundkopfdelfin, ist aber mit vier bis fünf Metern größer und dunkler. Zudem ähneln die Laute des Grindwals der einer Kuh, weshalb er auf den Azoren auch als »peixe-boi«, Kuhfisch, bekannt ist. Mit diesen schönen Eindrücken kehren wir schließlich zurück in den Hafen von Lajes. Nach drei Stunden auf dem Wasser endet dort unsere erste Whale Watching Tour. Schon beim Aussteigen sind wir uns einig, dass wir wieder mal an einem solchen Ausflug teilnehmen möchten. Und das werden wir auch. Allerdings erst bei unserer Rundreise durch Kanada.