Im Anschluss an unsere Wanderung am Lagoa do Fogo wollen wir noch eine Wanderung zum Salto do Cabrito, einem idyllischen Wasserfall, unternehmen. Dafür folgen wir der verschnörkelten Straße vorbei am Thermalbad Caldeira Velha und den Miradouro de Bela Vista in Richtung Ribeira Grande. Oberhalb der Stadt biegen wir rechts auf die Autobahn (Richtung Porto Formoso), verlassen diese jedoch nach zwei Kilometern schon wieder.
Fortan folgen wir der Beschilderung nach Caldeiras. Die Zufahrt in den etwas entlegenen Ort erfolgt über eine schöne Kopfsteinpflasterstraße, die auf beiden Seiten von Platanen gesäumt ist. Da es bei uns kurz zuvor geregnet hatte, ist der Belag leicht schmierig und damit langsames Fahren geboten. Oben angekommen, lädt sogleich ein Restaurant zum Verweilen ein. Gerne nutzen wir dies für eine erste Einkehr an diesem Tag.
Schade nur, dass sich niemand für uns zuständig fühlt. Anstelle der vorgesehenen kurzen Pause haben wir nach zehn Minuten Warten immer noch nichts zu Trinken. Stattdessen schlagen wir die Zeit damit tot, indem wir eine Frau dabei beobachten, wie sie fast an ihrem Essen erstickt. Welch Ironie: während wir darben, können andere den Hals einfach nicht voll genug kriegen ...
Schließlich hat der Kellner ein Erbarmen mit uns und bringt zwei Kaffee an unseren Tisch. Dumm nur, dass diese für einen Tisch neben uns bestimmt sind. Als Nächstes scheitert Annettes Versuch, drin etwas zu holen. Erst, nachdem sie bei mir passendes Münzgeld holt, bekommen wir endlich eine Kleinigkeit. Wer den Tag gut nutzen möchte, sollte sich vielleicht besser bei der Caldeira Velha etwas holen.
Später als gedacht starten wir damit die Wanderung an den Salto do Cabrito. Nach einem Abstecher zum ehemaligen Thermalbecken des Orts laufen wir zunächst ein paar Schritte der Straße nach Caldeiras zurück Richtung Küste. Dabei passieren wir einen mit Wildem Ingwer, blauen Prachtwinden und Hortensien reich blühenden Hang. Dem ersten schönen Eindruck folgt wenige Schritte weiter die Ernüchterung.
Sowie wir Caldeiras hinter uns liegt, biegen wir links nach Lombadas ab und kommen nach zwei Kurven auf eine weitere Kopfsteinpflasterstraße. Leider gibt es hier keine Bäume, sodass sich die schnurgerade und leicht ansteigende Straße in der Mittagshitze in einen Backofen verwandelt hat. Auch wenn dieser Abschnit nur 500 Meter sind, kehren wir zum Auto zurück, um diese Backofenpassage abzukürzen.
Wo die Straße am oberen Ende bzw. direkt am Waldrand nach links schwenkt, erreichen wir einen provisorischen Wanderparkplatz. Gut, wir sind zuerst ein Stück zu weit gefahren, finden diesen Platz auf dem zweiten Blick aber als durchaus geeignet, um das Auto ein paar Stunden abzustellen. 'Endlich kann es losgehen', freue ich mich.
Das letzte Hindernis stellt ein große Schild dar. In roten Lettern weist es darauf hin, dass wir uns hier in einer Zone befinden, in der größere Mengen CO2 aus dem Boden entweichen können. Im Einzelnen sollen wir vermeiden, längere Zeit in diesem Gebiet zu verweilen oder in Senken und Mulden stehen zu bleiben. Zuletzt dürfen wir nicht auf dem Boden rasten.
All das ist natürlich geeignet, um Wanderer zu verschrecken. Es wäre ein Jammer. Denn die Runde zum Salto do Cabrito zählt zu den spannendsten Touren auf São Miguel. So also halten wir uns beim Waldrand rechts und folgen der gelb-roten Markierung über den zunächst befahrbaren Weg bis zu einem Tor mit Halteverbotsschild.
Nachdem wir dieses umgangen haben, biegen wir links ab. Damit kommen wir durch einen von hohen Bäumen umstandenen Hohlweg. Wie war das mit den Senken und dem Kohlendioxid? Egal, der Weg führt auf wenigen Metern mitten durch eine solche Gefahrenzone, eh wir ein Wasserkraftwerk am Ribeira Grande erreichen.
Kennzeichnend für das Wasserkraftwerk ist eine lange Rohrdruckleitung. Auf dieser ist ein Gitter mit zwei Geländer installiert, sodass wir über der mächtigen Röhre auf die andere Seite des Ribeira Grande wechseln können. Für schwindelschwache Nerven ist das eine Herausforderung, aber eine mit schöner Sicht auf den Wildbach unter einem.
Auf der anderen Seite angekommen, können wir die nächsten Meter neben der Röhre laufen. Sie gibt ab nun den Wegverlauf durch das enge Tal vor. Besser gesagt: sie ist der Wegverlauf. Denn schon bald müssen wir auf der zum Hang hin gesicherten Röhre wandern. Da sich links von uns der Berg befindet, ist das akzeptabel.
Das einzige, was mir Sorge bereitet, sind gelegentliche Baumstürze, die Teile des Geländers verbeult haben. Auch sorgt die auf dem weiteren Weg zunehmende Tiefe neben uns für ein leichtes Unbehagen in den Knien. Letzteres gilt besonders für den Abschnitt, in dem sich das Tal zu einer wilden Klamm verengt, die direkt neben uns steil abfällt.
Andererseits ist es genau dieser ungewöhnliche Weg inmitten dieser wildromantischen Kulisse, die den Reiz dieser Wanderung ausmacht. Wo immer das Blätterdach der Bäume genug Licht durchlässt, breiten sich reich blühende Wurzelstauden und Büsche aus. Als befänden wir uns in einem verwunschenen Märchenbuch, das nur darauf wartet, entdeckt zu werden.
Schließlich wechselt der Röhrenweg an einer besonders engen Stelle die Seite. Da ich mich erst nach dieser Reise gegen Höhenangst hypnotisieren lasse, heißt das: kurz Durchatmen, dann mit ein paar raschen Schritten die Tiefblickzone überwinden und ... erleichtert auf die eigentlich ganz leicht zu meisternde Schlüsselstelle zurückblicken.
Während der Bach auf den nächsten Metern zum Salto do Cabrito abfällt, führt unser Weg über eine lange, aber gut zu gehende Treppe zum unteren Becken des Wasserfalls. Unten angekommen ist es dann nur noch ein Steinwurf weit bis zum Bachbett, wo sich eine traumhaft schöne Sicht auf die zwei Stufen des Wasserfalls öffnet.
Wer mag - und entsprechend vorbereitet ist - kann in dem Becken unterhalb der zweiten Kaskade baden. Wahrscheinlich kann man das auch, ohne Badesachen dabei zu haben. Da aber schon ein Vater mit seinem Sohn dort ist, bleiben wir anständig und belassen es dabei, die Füße in das kühlende Wasser zu strecken.
Nach dem etwas wackligen Auftakt sind wir uns einig: dieser entlegene Wasserfall und der darunter nun lieblich fließende Ribeira Grande zählt zu den schönsten Fleckchen, die es auf São Miguel zu entdecken gibt. So denke ich auch noch, als ich Annette ein Stück flussabwärts durch das Bachbett folge.
Leider führt der Weg über eine an sich unbedeutende Felsstufe. Es ist wirklich nicht viel. Aber um die Knie zu entlasten, verzichte ich darauf, hinunterzuhüpfen und trete stattdessen mit meinen Trekkingsandalen auf den Felsen. Leider. Leider, leider, leider, leider. Mist! Man kann es auch so sagen: dem unbedachten Vorhaben folgt die die Strafe auf den Fuß.
Kaum habe ich den Fuß belastet, als ich auf dem schräg abfallenden Felsbrocken auch schon wegrutsche und mir fiese Schrammen zuziehe. Zu allem Übel war der Weg umsonst, da Annette nur die paar Meter gelaufen war, um zu filmen, und ich für den Wanderweg hätte oben bleiben können. Aber was sind wir? Sind wir Männer oder Memmen? Scheiß Frage, ich blute!
Werde ich den Rückweg schaffen? Ein kurzer Check ergibt: die Knochen schmerzen, sind aber alle heile geblieben. Und auch bei Annette ist keinerlei Anflug von Schadenfreude zu sehen. Ich meine, wir haben schon genug Paare gesehen, wo sich der eine erstmal vor Lachen ausschüttet, nachdem dem anderen ein Missgeschick passiert ist.
Also verzichte ich auf das männertypische Gejammer und beiße die Zähne zusammen. Au, meine Zunge ... nein, war in Witz. Allerdings haben wir dann doch zumindest den Dreck vom Bein gewaschen und eine Pause eingelegt, eh wir den Salto do Cabrito verlassen und unsere Wanderung nach der Aufregung fortsetzen.
Anschließend folgen wir dem Wanderweg aus dem Tal des Ribeira Grande hinaus. Nachdem wir wieder ein Stück bergauf gelaufen sind, mündet der Weg in einen breiteren. Wer hier rechts abbiegt, kommt nach knapp 500 Metern an die Straße zum Vulkansee Lagoa do Fogo. Wir indes biegen links ab, sodass wir nunmehr in südöstlicher Richtung wandern.
Damit gewinnen wir auf dem nächsten Abschnitt weiter an Höhe und gelangen wir nach 500 Meter an den Rand eines Bergbaubetriebs. Sowie wir diesen am Waldrand passiert haben, schwenkt der befahrbare Weg nach links, durchquert einen Waldstreifen und folgt dann in mehreren Kurven wieder dem Waldrand.
Der Schotterweg ist nun richtig leicht und selbst mit Verletzung gut zu laufen. Doch aufgepasst: nachdem der Weg einen weiteren schmalen Waldstreifen kreuzt, nimmt er einen etwas engeren Bogen durch den Wald, nimmt dann aber wieder Kurs auf den Waldrand. Genau dort ist die Stelle, wo wir den Schotterweg - soweit wir sehen, endet dieser 400 Meter weiter in einer Sackgasse - verlassen und überqueren die Wiese.
Normal sollte dort ein Trampelpfad zu sehen sein. Wenn nur wenige Wanderer die Runde laufen, ist dieser jedoch kaum zu erkennen. Es geht schnurstracks rüber in den gegenüberliegenden Wald. Dort ist der Pfad wieder eindeutig. Auf dem letzten Stück überqueren wir ein letztes Mal den Ribeira Grande und passieren einen weiteren Wasserfall. Dieser ist deutlich kleiner als der Cobrito, aber ebenfalls schön anzusehen.
Etwas weiter verlassen wir den Wald ein letztes Mal und sind dann selbst ganz überrascht, dass wir genau dort rauskommen, wo wir geparkt haben und das Schild immer noch vor austretendes Kohlendioxid warnt. Warum denkt keiner an die wirklichen Gefahren? Dennoch sind wir froh, diese Tour bis zum Ende gelaufen zu sein. Und: die Wunden heilen, die schöne Erinnerung an die herrliche Landschaft bleibt.
Aufnahmen unserer Wanderung von Caldeiras zum Wasserfall Salto do Cabrito auf der Azoren-Insel São Miguel.
Von der EN1-1A bei Ribeira Grande auf die ER3-1 bzw. Umgehungsstraße abfahren bzw. ab dem Kreisel auf Höhe von Ribeira auf die Nebenstraße abbiegen und der Beschilderung nach Caldeiras folgen. Bei hoher Luftfeuchte und Wärme empfehlen wir, direkt vor Caldeiras über die lange, gerade Straße bis zu einem provisorischen Parkplatz zu fahren und dort in die Wanderung einzusteigen.
Ausgangspunkt | in Caldeiras oder dem von uns eingetragenen Parkplatz |
Koordinaten | N 37.7939, W 25.4864 (Parkplatz) |
Gehzeit | 2 Stunden |
Distanz | 6 km (ab Parkplatz 4 km) |
Anstiege | ca. 250 HM (200 JM) |
Grad | T3, Rohre, Gittertreppen |
Einkehr | auf der Strecke keine, mit etwas Glück oder Beharrlichkeit in Caldeiras |
GPS-Daten | Wanderung Salto do Cabrito gpx |
KML-Daten | Wanderung Salto do Cabrito kml |