Berlin gehört zu den Städten, an die kaum ein Deutscher vorbei kommt. Sei es als Ausflug mit der Schule, als Projekt im Studium oder zu Besuch bei Freunden und Verwandten. So waren auch wir in unseren jungen Jahren mehrmals in der Bundeshauptstadt. Allerdings nie gemeinsam. Endlich aber fassen wir uns ein Herz und einen Plan: wir wollen zu den ersten Passagieren gehören, die auf dem neuen Flughafen Berlin Brandenburg landen.
Was sich ursprünglich als ein guter Plan anhört, entwickelt sich mit der Zeit zu einer Hängepartie. Aus Oktober 2011 wird Mitte 2012, dann 2013, 2014 … Im Lutherjahr ziehen wir schließlich die Reißleine und planen um. Wenn schon kein neuer Flughafen, so wollen wir zumindest den zusätzlichen Feiertag zum 500-jährigen Reformationsjubiläum nutzen.
Gutgläubig buchen wir im Frühjahr die Flüge mit airberlin von Zürich nach Tegel. Was soll ich sagen: diese Planung entpuppt sich später als ein Griff ins Klo. Die Konkursmeldung, also die airberlin-Pleite ereilt uns während einer Rundreise durch Südafrika. Zurück in Deutschland sind wir zwischen dem Krankfeiern der Piloten, der Millionenbürgschaft des deutschen Steuerzahlers und der Klagen dagegen sowie dem Übernahmewirrwarr durch andere Fluglinien hin und hergerissen.
Es gipfelt mit der Nachricht: spätestens am Tag unseres Hinflugs wird der letzte airberlin-Flieger in Tegel landen. Danach ist Schluss. Wir können zumindest den Rückflug streichen. Aber was heißt spätestens? Brauchen tun wir eine Meldung à la »Bis zum 27. Oktober werden die Flüge sicher durchgeführt«. Vorsichtshalber buchen wir neue Flüge bei der Swiss.
Leider versäumt es airberlin, uns auch nur in irgendeiner Form zu informieren. Allgemeingültige Meldungen von Flugstreichungen sind ebenso Fehlanzeige. Im Gegenteil. Wir können uns für den Hinflug sogar einchecken. Na prima. Da der Flug einiges früher geht, als der Abendflug der Swiss, überlegen wir, ob wie lieber diesen nehmen sollen. Doch nachdem wir bei airberlin eingecheckt sind, müssen wir nach zwei Telefonaten mit der Lufthansa und der Swiss feststellen, dass es solch eine Flexibilität nur bei der Bahn gibt. Treten wir den Flug bei der Swiss nicht an, gelten wir als no-shown. Damit würde auch der Rückflug verfallen. Also keine Experimente und das ist auch gut so. Am frühen Vormittag des Abflugtags erhalten wir von airberlin die Stornierung. Bleibt die Frage, was Lufthansa und Swiss unter einer Good-Will-Reaktion verstehen. Letztendlich sind die Folgen der airberlin-Pleite für Reisende einfach nur teuer.
Mit perfektem Service der Swiss erreichen wir damit zwar spät – aber immerhin – den Flughafen Tegel. Und »Wow«! Der Kontrast könnte kaum größer sein. In Zürich Luxus pur. Und Tegel? Schäbig pur! Aber: unser Gepäck erscheint bald auf dem winzigen Band und die Bushaltestelle ist gleich um die Ecke. Der Flughafenbus TXL 128 wartet bereits auf uns – ab ins Hotel. Es ist kalt und wir sind hundemüde.
Leider währt die Fahrt nur kurz. Bereits bei der U-Bahn-Haltestelle Kurt-Schumacher-Platz schmeißt uns der Fahrer hinaus. Er hat Feierabend und wir sollen auf den nächsten Bus warten. Frierend harren wir im Dunkeln an der Bushaltestelle aus. Gegenüber leuchtet die Bierreklame mit dem Slogan »Berlin, du bist so wunderbar«. Ein Silberstreif am Horizont.
Das Berliner Olympiastadion hat bereits zur Stadionweihe 1913 einen U-Bahn-Anschluss bekommen. Im Gegensatz dazu ist der Hauptstadtflughafen Tegel bis heute nur mit Bussen und Autos zu erreichen. Wenn wir bedenken, wie viele Menschen dort täglich kommen und gehen, fallen uns dazu nur Begriffe wie peinlich, schäbig oder einfach nur traurig ein.
Gut nur, dass durch die airberlin-Pleite bis auf Weiteres weniger Passagiere auf ein funktionierendes Nahverkehrsnetz angewiesen sind. So verspricht ein inzwischen obsoletes Werbeschild in der Flughafenhalle über 750x nonstop pro Woche ab Berlin. Bis die lukrativen Reste der Airline an alte oder neue Nutznießer verteilt sind, hat es sich damit wohl erst einmal.
Eine gute Sache am Flughafen Tegel sind jedoch die kurzen Wege. So ist unser Gepäck, ein Koffer, schnell aufgegeben und können wir uns bald unbeschwert bewegen. Außerdem hatten wir es an fünf Tagen in der Stadt irgendwie verpasst, eine original Berliner Currywurst zu essen.
Das holen wir zum Abschluss unserer Reise in der EsS Bahn nach, einem umgebauten historischen S-Bahn-Triebwagen der legendären Baureihe »Stadtbahn«. Ein freier Sitzplatz ist im Wagen sofort gefunden und im nächsten Moment fühlen wir uns schon gar nicht mehr wie auf einem Großstadtflughafen.
Später drehen wir noch zwei, drei Runden im Terminal, bevor wir durch die läppische Sicherheitskontrolle in den winzigen Warteraum des Gates wechseln. Die Lufthansa hat wegen der fehlenden Flugverbindungen von airberlin ankündigt, auf einigen Strecken vorübergehend große Jumbos einzusetzen. Das ist eine wahre Herausforderung für solch einen Mini-Flughafen. Kurzum: Berlin braucht dringend den neuen BER. Wir indes verlassen die Hauptstadt und heben am späten Abend erstmals mit einer schicken kanadischen Bombardier in den Berliner Nachthimmel ab. Na, wer sagt es denn? Es gibt also doch kleine Fortschritte in Deutschlands Hauptstadt. Man muss sie nur finden.