Nach dem Besuch der Reichstagskuppel und des Denkmals der ermordeten Juden ist die Mittagszeit ist bereits verstrichen. Auf dem Weg zum Gendarmenmarkt meldet sich also der kleine Hunger. Beim Dom-Curry wollen wir uns eigentlich eine Berliner Currywurst gönnen. Leider beginnt es auf dem Weg dorthin wieder zu regnen. Statt der erhofften Dombauidylle herrscht auf dem großen Platz Tristesse und können wir uns Besseres vorstellen, als vor einer Luxusimbissbude im Regen zu stehen.
So landen wir wenig später im Café Konzerthaus. Dort ist es – bis auf wenige andere Gäste – leer, ruhig, gemütlich und vor allem: warm! Anstelle einer Currywurst gönnen wir uns Latte macchiato und ein Stück Rüblitorte. Außerdem freuen wir uns, dass die Berliner den alemannischen Begriff für Karotte bei dieser Kuchenspezialität übernommen haben.
Wir beobachten die Leute, die ins Café kommen. Sind sie nass oder trocken? Ach, was soll´s … wir sind aufgewärmt und ausgeruht durch unsere etwas längere Mittagspause und wagen uns nochmals ins Freie. Der Deutsche Dom wirkt einladend. Ohne genau zu wissen, was uns erwartet, schauen wir, was von der Kirche übrig geblieben ist.
Der Dom war einst die »neue Kirche« für eine protestantische Gemeinde. Leider fiel sie wie so vieles dem Krieg zum Opfer. Heute finden hier keine Gottesdienste mehr statt. Auch sonst erinnert im Innern nur wenig an einen Sakralbau. Die Räume um den Treppenturm herum zeigen in der kostenfreien Ausstellung »Wege - Irrwege – Umwege« die historische Entwicklung der Deutschen Demokratie.
Der Abstecher in den Deutschen Dom passt somit zu unserem frühen Tagesstart mit dem Besuch der Reichstagskuppel. Und da es in dem Backsteinbauwerk kaum Fenster gibt, merken wir erst beim Verlassen der Kirche, dass sich die Wolken verzogen haben und endlich wieder die Sonne von einem blauen Himmel strahlt. Das ist schön, denn der Gendarmenmarkt zählt mit seinem prächtigen Schauspielhaus und den beiden 70 Meter hohen, identischen Kuppeln des Französischen und Deutschen Doms zu den eindrucksvollsten Plätzen in Berlin.
Zwischen 1961 und 1990 war es entlang der Berliner Mauer an nur wenigen Stellen möglich, zwischen dem Osten und dem Westen der Stadt zu wechseln. Der bekannteste dieser Orte war der Checkpoint Charlie. Als ehemaliger Grenzübergang innerhalb Berlins ermöglichte er dem Personal der Alliierten sowie auch Ausländern, die amerikanisch-sowjetische Sektorgrenze zu passieren. Am 27. Oktober 1961 standen an dieser Stelle die Zeichen wieder auf Krieg.
Auslöser war ein Versuch der SED-Führung, die Rechte der Westmächte in Berlin einzuschränken. Danach standen sich amerikanische und sowjetische Panzer gefechtsbereit gegenüber. Die Kommandeure beider Seiten hatten den Befehl, ihre Panzer notfalls einzusetzen. Doch während die Amerikaner Entschlossenheit demonstrierten, zogen sich die Sowjets nach 16 Stunden der Ungewissheit zurück.
Daneben war der Grenzübergang beim Checkpoint Charlie wiederholt ein Ort spektakulärer Fluchten aus der DDR. Ob akkurat verkleidet als amerikanischer Soldat oder sowjetischer Major. Im Kofferraum eines der Fahrzeuge der Alliierten oder auch mit einem Grenzsperren durchbrechenden 7,5 Tonnen Kieslaster. Einigen ist es tatsächlich gelungen.
Anderen indes blieb eine glückliche Flucht verwehrt und fanden hier ihren Tod. Zu den bekanntesten Opfern zählt der DDR-Flüchtling Peter Fechter, der vor den Augen westlicher Beobachter verblutete. Vor diesem Hintergrund halten wir es für unangemessen, dass heute Kommerz und Fastfood das Bild um den einstigen Checkpoint Charlie prägen.
Fliegende Händler verkaufen »originale« Mauerstücke, Gasmasken und sowjetische Pelzmützen. Andere verteilen Visastempel aus den verschiedenen Sektoren in die Reisepässe … und vor der nachgestellten Kontrollbaracke stehen wichtig dreinblickende Schauspieler als Soldaten, welche sich mit den Touristen scharenweise ablichten lassen. Vielleicht ist dieses bunte Treiben und die Rückkehr des Lebens aber auch genau die richtige Antwort auf die Tage der Trennung.