Nicht weit von der sehr gut besuchten Fischerbastei befindet sich in einer ruhigen Gasse der von vielen Besuchern Budapests übersehene Eingang zum Labyrinth der Budaer Burg.
Die in ihrer Größe weltweit einzigartigen Kalktuffhöhlen sind durch Ausbruch warmer Quellen und Auswaschungen entstanden und boten schon vor einer halben Million Jahren den ersten in Ungarn erscheinenden Menschen Schutz.
Das hektische Treiben auf der Bastei sowie dem Budaer Burgberg hinter uns lassend, wurden wir fast augenblicklich von der eigentümlichen Atmosphäre verzaubert. Noch bevor wir das untere Ende der Eingangstreppe erreichten, strömte uns gedämpftes Licht und leise Musik entgegen.
Schon laden geschickt arrangierte Tische und Stühle zum Verweilen ein, all den weltlichen Stress zu vergessen, vielleicht an einem Gläschen Wein zu nippen oder einfach für ein paar Minuten die Seele baumeln zu lassen.
Schon vor vielen Jahren wurden die einzelnen Höhlen aus militärischen und wirtschaftlichen Gründen miteinander verbunden.
Als Teil des Kriegsprogramms in den 30er Jahren entstand so ein Luftschutzraum für über 10.000 Personen. Nach dem Krieg wurde das Labyrinth lange Zeit als geheimes militärisches Objekt genutzt.
Erst bei den Konstruktionsarbeiten 1996/97 erhielt das über 4.000 Quadratmeter große Gebiet sein ursprüngliches Gesicht aus der Vorkriegszeit zurück.
Wenige Meter nach dem Eingang wird man von einem dumpf pochenden Klang zur Weltachse geleitet. Diese ist unvollständig, weil in zwei Teile zerbrochen und wird erst vervollständigt, wenn man todesmutig in ihren Mittelpunkt tritt.
Nach Durchschreiten des persönlichen Labyrinths führt der Weg ins urzeitliche Labyrinth, in welchem zahlreiche Höhlenmalereien zu bestaunen sind. Vieles ist in den dunkel gehaltenen Gängen kaum zu erkennen, auf ein Blitzlichtgewitter sollte aber dennoch unbedingt verzichtet werden, da dies die eigentümliche Stimmung vernichten würde.
Durch den »Schamanen-Durchgang« führt der Weg ins geschichtliche Labyrinth. Abzweigend von einer sehr dunklen Nische, an welcher viele der zu eiligen Besucher prompt vorbeilaufen, erstreckt sich eine Sackgasse zum Hunnen-Hügel, der in seiner mystischen Gestaltung einer vergessenen religiösen Stätte gleicht.
Nach dem Gewölbesaal erreicht man schließlich durch den Tartarendurchgang die Renaissance-Felsenhalle, in welcher als Höhepunkt des Besuchs ein Rotweinbrunnen leise vor sich hin plätschert. Es handelt sich zwar tatsächlich um Rotwein, der in die vier Brunnenbecken fließt, von einem allzu berauschenden Aufenthalt ist wegen der fehlenden Frische des Weines allerdings eher abzuraten. Außerdem streckt fast jeder seinen Finger rein, um zu testen, ob es sich nicht doch um rot gefärbtes Wasser handelt.
Im Labyrinth einer anderen Welt sind Ausgrabungen mit einem Alter von ca. 40 Millionen Jahre zu bestaunen.
Bei den Rekonstruktionsarbeiten stieß man am tiefsten Punkt auf einen Fußabdruck, der offenbar weder vom Homo sapiens noch einem seiner Vorgänger stammt. Nach weiteren Ausgrabungen auch an anderen Orten in den Budaer Bergen wurden weitere Abdrücke und Gegenstände aus dieser fernen Zeit gefunden. Aufgrund der Grabbeigaben, etwa in Form einer strukturierten flachen Schachtel, sowie eines überdimensional großen Gefäßes mit unbekanntem Verwendungszweck wurden alle gefundenen Gegenstände dem »Homo consumis« zugeschrieben, einer bislang weitgehend unerforschten Form menschlichen Lebens.
Spätestens bei der eben beschriebenen Colaflasche sollte dann auch dem letzten Besucher klar werden, was es mit all diesen Gegenständen auf sich hat.