Die für Touristen wichtigste Straße im Zentrum von Pest ist, parallel zum Donauufer, die Vaci utca. Längst ist in der Flaniermeile alles renoviert und vom Ex-Ostblock nichts mehr zu spüren. Hier kommt die Mode aus Italien, die Armbanduhr aus der Schweiz und gezahlt wird beides in westlicher Währung bzw. mit der Kreditkarte. Außerdem befindet sich hier die älteste Mc Donalds-Filiale von Budapest, mehr noch: die älteste Fastfoodverköstigung des gesamten früheren Ostblocks, in welcher angeblich der weltweit höchste Umsatz im Hamburgergeschäft erzielt wird. Die längsten Warteschlangen vor seinem Eingang hingegen hatte jahrelang die Filiale von Adidas. Einst wurden die Kunden von den Türstehern nur gruppenweise in den Laden eingelassen.
Wo ein Schuhladen ist, da darf auch meine Frau nicht fehlen. Dabei wollte sie sich in Budapest eigentlich weitgehend von Geschäften fern halten. Doch ausgerechnet am zweiten Tag in Ungarn riss einer ihrer Schuhbändel entzwei. Also auf zum Schuhe kaufen! Zum Glück gehören die Zeiten, Schlange vor den Pester Geschäften zu stehen, der Vergangenheit an. Sonst nämlich hätte ich wohl die Krise bekommen. Umso mehr, da wir dank unserer Vergesslichkeit auch noch einen Wecker für den letzten Morgen zu kaufen hatten.
Erst am Abend und damit nach unserem Besuch auf dem Budaer Burgberg, wurden wir schließlich in einem kleinen Elektroladen fündig. Schon teilte uns der Verkäufer freudig mit, dass die Packung der Funkuhr auch eine englische Gebrauchsanweisung enthalte, als wir auf den deutschen Hersteller hinwiesen, dessen Beschreibung wir sicherlich verstehen würden.
Aber -hm- eine deutsche Funkuhr in Budapest? Und Tatsache, das aus Wiesbaden gesandte Zeitsignal wurde weder im Geschäft noch später im Pizza Hut empfangen. Also schnell die Zeit manuell eingestellt, bevor ich dann irgendwann nachts feststellte, dass das nötige Signal ausgerechnet in unserer Pension erreicht wurde und sich die Uhr somit automatisch richtig gestellt hatte.
In jedem unserer Reiseführer wird das Café Gerbaud mit seinen Kristalllüstern, Vitrinen, lindgrünen Vorhängen und zahlreichen Fenstern gepriesen. Bei Maronenpüree, Marzipan und Schokolade traf sich hier einst die intellektuelle Elite der Stadt, gaben sich Schriftsteller die Klinke in die Hand. Kein Wunder, dass sich die Gäste auch heute noch gedulden müssen, wenn sie an den Köstlichkeiten des Cafés naschen wollen. Aber ob es sich lohnt, in der Menge der vielen Touristen und Möchtegernnostalgikern unterzugehen?
Vielleicht, wir jedoch ließen das (wegen der sehr viel höheren Preise) von den meisten Ungarn verschmähte Gebäude links liegen und gelangten am anderen Ende der Vaci utca zum kleinen, aber sehr gemütlichen Café Europa. Im Gegensatz zum Gerbaud bietet das Europa nur wenigen Gästen einen Platz, diesen gibt es dafür aber in einer sehr viel ruhigeren und entspannteren Atmosphäre und - als wäre dies nicht Grund genug für einen Besuch - außerdem bei Sehnsucht weckenden Klängen kubanischer Musik.
Wie viele andere Einrichtungen, etwa die Freiheitsbrücke, das Kunstgewerbemuseum, die kleine U-Bahn, der große Ring und die Freiheitsbrücke, wurde auch die große Zentrale Markthalle als eine von insgesamt fünf Hallen anlässlich der Jahrtausendfeier errichtet. Über einen unterirdischen Kanal mit der Donau verbunden, konnte die zentrale Markhalle früher von Lastkähnen direkt angefahren werden.
Zum 1100jährigen Bestehen der Stadt, also 1996, wurde die Markthalle mit ihren drei Verkaufsetagen für umfangreiche Renovierungsarbeiten ein paar Jahre geschlossen. Damit mussten sich die Händler mitsamt dem Personal und den unauffällig arbeitenden Taschendieben für mehrere Jahre in trostlosen Ersatzhallen eines nahe gelegenen Fabrikgebäudes an der Donau durchschlagen.
Nach Abschluss der Arbeiten haben sich Händler und Taschendiebe zu ihrem angestammten Arbeitsplatz zurückbegeben und bieten die teils vierschrötigen Verkäufer wieder Fisch, Blumen, Obst und Gemüse, zahlreiche Gewürze sowie Fleisch und Wurstwaren feil. Hinzu kommt in der obersten Etage ein wenig Gastronomie und außerdem so ziemlich alles, was der kaufwütige Tourist als Mitbringsel braucht.
Speziell zu Silvester sieht man hier wie auch in den anderen Markthallen und Fleischerläden geschlachtete Ferkel in langen Reihen aufgehängt, die dem Ungarn als traditionelles Neujahrsessen dienen. Schwein gehabt, wer da kein Ferkel ist.