Rundfahrt auf Kassandra

Tagesausflug auf Chalkidiki

Nach erholsamer Nacht im Hotel Galaxias (bei Ágios Triáda) brechen wir am nächsten Vormittag zur Halbinsel Kassandra auf. So zumindest dachten wir. Als ersten großen Fehler der Rundfahrt nämlich entscheiden wir uns, auf dem Hinweg entlang der Küste des Thermäischen Golfs zu fahren. Die ersten paar Kilometer gehen auch noch recht flott und können wir den zurückgelegten Weg auf der Avis-Straßenkarte verfolgen.

Leider aber müssen wir sehr bald merken, dass die Ortsnamen und Hinweisschilder fast ausnahmslos in großen griechischen Buchstaben geschrieben sind, während Avis ausschließlich lateinische Buchstaben verwendet. Auch die Karten in unserem Reiseführer bringen uns nicht entscheidend weiter. Dort stehen die Namen zwar sowohl in lateinischer als auch griechischer Schrift, allerdings in Kleinbuchstaben, die mit den großen Lettern der Schilder keinerlei Ähnlichkeit haben.

Die Folge: als die Küstenstraße am Órmos Beach (?) ins Landesinnere biegt, fahren wir noch frohen Muts bis nach Epanomi, versorgen uns in einer kleinen Bäckerei mit Proviant und finden uns kurze Zeit später inmitten einer Odyssee. Denn abgesehen von den fremden Schriftzeichen gibt es ein weiteres Problem: fehlende Hinweisschilder. Das heißt, es gibt sie schon, aber an mehreren Stellen erfährt man erst ein paar hundert Meter nach dem Abbiegen, ob der Weg richtig ist?

Wie wir von Epanomi aus weitergefahren sind, wissen wir nicht. Nach gut Eineinviertel Stunden jedenfalls wähnten wir uns nur noch wenige Kilometer von der Halbinsel Kassandra entfernt. Auch war die Straße zeitweise sehr gut ausgebaut, sodass wir glaubten, uns auf dem Highway - die zweite und durchaus bessere Möglichkeit - zu befinden. Dann aber musste Annette plötzlich loslachen, als sie rechts der Straße das Hotel Galaxias entdeckte ...

Néa Potidea

Überfahrt auf die Halbinsel Kassandra

Auch beim zweiten Versuch wissen wir in Epanomi nicht mehr weiter. Zum Glück aber hilft uns ein alter Mann. Doch auch seine Wegbeschreibung führt - beim ersten Versuch - nicht zum Erfolg, sondern im Kreis herum zurück zu der Stelle, bei der wir ihn getroffen haben. Danach ziehen wir andere Seiten auf und nutzen eine kleine Stichstraße, um in einer - nicht als solche ausgeschilderten - Einbahnstraße zu wenden. Fahren die ersten noch brav an uns vorbei, kommen uns die nächsten Fahrer hupend und wild gestikulierend entgegen. Tja, dumm wenn man in einem fremden Land mit einheimischen Kennzeichen herumfährt. Denn mit unserem griechischen Citroën konnten wir natürlich keine Nachsicht erwarten.

Zur Mittagszeit überqueren wir endlich den Kanal Diórix Potidéas, der den Toroneischen mit dem Thermäischen Golf verbindet und von Sportbooten und kleinen Fischkuttern als Abkürzung genutzt wird.
Noch bis 1970 war die Halbinsel nur mit einer Fähre, die das Festland über ein Drahtseil mit Néa Potidéa verband, zu erreichen. Danach sorgte eine Betonbrücke für den touristischen Aufschwung Kassandras. Um den folgenden sommerlichen Urlauberansturm auch heute noch bewältigen zu können, bauten die Griechen 2002 eine zweite, größere Brücke.

Néa Fókea

Elf Kilometer nach Néa Potidéa kommen wir nach Néa Fókea, einem von vielen Flüchtlingssiedlungen in der Region (zu erkennen an dem »Néa«). Denn nachdem das Vorhaben der Griechen, alle Regionen mit griechischen Landsleuten unter ihrer Kontrolle zu bringen, im Westen der Türkei kläglich scheiterte, mussten die kleinasiatischen Griechen 1922/23 aus den anatolischen Gebieten fliehen. Dabei mussten sie außerdem ihr ganzes Hab und Gut zurücklassen.

Einzig den Griechen in Istanbul wurde zugestanden, ihr Eigentum zu veräußern, bevor sie die Metropole am Bosporus verließen.

Wie viele Flächen auf den drei Halbinseln Chalkidikis gehörte auch das Gemeindegebiet Néa Fokéas lange Zeit dem Áthos-Kloster Ágios Pávlos. Die Klöster zählen damit zu den Verlierern der “Großen Idee” Griechenlands. Denn sie mussten weite Teile ihrer Ländereien an den Staat abgeben, um den Flüchtlingen eine neue Heimat bieten zu können.
Im Fall Néa Fókea kann man aber auch sagen: wie gewonnen so zerronnen, da das Kloster Fókea im Jahre 1407 vom byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos (also von Staatswegen) geschenkt bekommen hatte.

Heute begrüßt den Ankömmling der 17 Meter hohe, byzantinische Wehrturm, der auf einem grasbewachsenen Kap über der Bucht mit ihrem türkisblauen Wasser und ihrem grobkörnigen Sandstrand thront. Diente der Turm früher dazu, den kleinen Hafen vor feindlichen Übergriffen zu schützen, hat er auch heute noch nicht ausgedient. Denn im Sommer nisten hier hunderte Mauersegler, welche die Urlauber vor den blutrünstigen Attacken gefräßiger Mücken zu bewahren versuchen.

Alte Gebäude in Áfitos

und der Megaphon-Singsang der Orangenverkäufer

Vor Afitos steigt die Küstenstraße wieder an, bis wir schließlich am oberen Rand einer Steilküste entlangfahren. Im Gegensatz zur Küstenstraße lassen wir den Ort jedoch nicht links liegen, sondern unternehmen hier einen ersten kleinen Spaziergang. Anders als die meisten Orte Kassandras besitzt Afitos nämlich noch einige alte Gebäude, ist vom Tourismus weniger überformt und damit ursprünglicher als die meisten anderen Orte der Halbinsel.

Links liegen lassen wir jedoch den Parkplatz, der sich uns als schlammiger Grund zeigt und suchen uns stattdessen einen Weg durch das enge Gassengewirr der vielen Einbahnstraßen, bis wir schließlich direkt an der Steilküste eine kleine Nische für unseren kleinen »C2« finden. Nach ein paar Metern kommen wir zum alten Dorfplatz, der mit seinen kleinen Bars, einigen Bänken und dem typischen Kiosk auch heute noch der allabendliche Treffpunkt des Dorfes ist - na ja, vorausgesetzt, dass nicht gerade ein kühler Winterwind über den Platz fegt ...

Bereits in Néa Fókea wunderten wir uns über ein Megaphon-Singsang, der uns vom Klang stark an den Gebetsaufruf eines Imans erinnerte. Aber in Griechenland? Konnte das wirklich sein, wo Moscheen und Minarette hier doch eher seltener zu finden sind?

Nein, das wäre nun doch ein zu großer Zufall gewesen. Statt eines Imans nämlich kreuzte etwas später ein Kartoffel-, Zwiebel- und Orangenverkäufer unseren Weg, der - gebetsmühlenartig - seine Waren in den verlassenen Straßen Afitos feil bot.

Kallithéa

Auch ohne das »Néa« im Ortsnamen, zählt Kallithea dennoch zu den vielen Flüchtlingssiedlungen, die auf Chalkidiki nach 1920 entstanden sind.
Wer hier auf der Suche nach griechischem Flair ist, wird nur wenig finden. Dafür aber gibt es hier unzählige Hotel betten für die vielen Tausend Touristen, die hier ihren Badeurlaub verbringen.

Nehrung Palioúri

Wenige Kilometer hinter dem touristisch stark geprägten Pefkochóri stoßen wir auf eine kleine, sandige Stichstraße, die hinab zum Brackwassersee Glarókavos führt. Etwas bange, ob wir die leicht rutschige Straße später wieder hochkommen,

umkurven wir einige wassergefüllte Schlaglöcher, bis wir schließlich vor einer großen, unschätzbar tiefen Lache anhalten. Nun gilt es, einen möglichst trockenen Weg zum See zu finden, der sich als Nehrung nach beiden Seiten einer schmalen Meeresverbindung erstreckt.

Bereits in unserem Reiseführer steht, dass die Strände hier zum Baden einladen könnten, wenn sie nicht so vermüllt wären. Und tatsächlich scheint hier niemand allzu großen Wert auf die Umwelt zu legen. Mit anderen Worten sammelt sich überall entlang des Ufers ein buntes Gemisch weggeworfenen Unrats.

So bleibt uns ein kurzer Spaziergang auf dem Uferweg, der von Horst- und Schilfgräsern sowie Heidekraut gesäumt ist. Zu unserem Glück, da auch hier alles recht wässrig ist und wir somit von Grasbüschel zu Grasbüschel tappen und hüpfen, um anschließend doch jede Menge Dreck von den Schuhen zu reiben.

Ágios Nikólaos

Direkt in die Einsamkeit biegen wir in Palioúri ab. Dass wir dabei der Rundstraße wieder fast entgegen fahren und dabei außerdem eine Schwelle überqueren, die mehr einer Einfahrt als einer einmündenden Straße ähnelt, stört uns nach der Irrfahrt des Vormittags kaum noch. Und tatsächlich wissen wir ein paar hundert Meter weiter, dass wir uns auf dem Weg zur Südspitze der Kassandra befinden.

Wer es kitschig mag, empfiehlt sich im Sommer ein Abstecher zum Beach-Club Avaton. Denn dort erwartet den Besucher eine künstlich geschaffene Pseudoantike mit Statuen, stehenden und verstreut liegenden Säulenresten, mit Fresken verzierte Wände, aber auch Pommes, Hamburger und geschüttelte Cocktails.

Unser Ziel aber ist die kleine Kirche Ágios Nikólaos, die am Ende einer langgezogenen Bucht über die Wellen und den Strand wacht. Leider ist der Weg dorthin nicht der beste. Die ersten Kilometer fahren wir zwar noch über eine gut erhaltene Asphaltdecke, nachdem wir eine Ziegenherde passieren, wird diese jedoch durch eine unbefestigte Schotterdecke mit zahlreichen Schlaglöchern abgelöst.

Dem nicht genug, wird unser kleiner Flitzer zweimal kurz nacheinander von riesigen Hunden attackiert, bis wir denn schließlich am Ende des Weges an den mit Treibgut überschwemmten Strand kommen und erst dann entscheiden, dass die Kirche wohl doch keinen längeren Fußmarsch wert ist. Wer dem Massentourismus für ein paar Stunden aus dem Weg gehen will, wird hier im Sommer jedoch ein wunderschönes ruhiges Plätzchen finden.

Auf der Rückfahrt treffen wir erneut auf die Herde Ziegen, die sich von uns nicht beirren lassen, hier und da an den unteren Zweigen der Olivenbäumen zupfen und schön artig Motiv stehen, bevor sie allesamt die Straße überqueren und auf der anderen Seite im Olivenhain entschwinden.

Panagía Faneroméni

Ein paar Kilometer vor Néa Skióni birgt die Wallfahrtskirche Panagía Faneroméni Wandmalereien aus dem 17. Jahrhundert. Da die Kirche direkt zwischen der Uferstraße und der Küste steht, ist sie eigentlich kaum zu verfehlen. Es sei denn, man verwechselt das Gebäude aufgrund des blau angestrichenen Zaunes sowie der kleinen Terrasse mit einem Strandkiosk ...
So also brausten wir bei bereits einbrechender Dämmerung und leichtem Nieselregen an der Kirche vorbei, um etwa zehn Kilometer hinter Néa Skióni zu wenden.

Von der anderen Seite ist die Kirche dann auch schon besser als solche zu erkennen. Auch bemerken wir jetzt das große, weiße Kreuz, welches direkt an der Straße steht.
Das Zurückfahren jedenfalls hat sich gelohnt. Denn die Kirche ist zu unserem Glück auch abends geöffnet und das Innere der Kirche wirkt durch die gedämpfte Beleuchtung und einiger ausgelegter Teppiche sehr gemütlich. Ebenso sind die Wandmalereien auch heute noch in einem guten Zustand.

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