Der Selvatura Park verspricht Abenteuer im Regenwald von Costa Rica. Einmal wie Tarzan durch den Urwald schwingen? In den Nebelwäldern von Monteverde findet sich der Ursprung der Canopy-Touren. An einer Zipline rauschen die Abenteurer von Plattform zu Plattform in den Baumwipfeln. Inzwischen hat sich diese Art von Bespaßung im ganzen Land ausgebreitet. Für uns ist das zu abenteuerlich. Doch der Selvatura Park hat mit seinen Hängebrücken noch die ruhigere Art, sich den Regenwald von weit oben anzuschauen.
Um in den Selvatura Park zu kommen, müssen wir wieder aus dem Ort Santa Elena herausfahren. Wie in unserer Karte eingezeichnet ist, fahren wir dadurch bald wieder über Stock und Stein oder, wie es in Costa Rica heißt, über eine Dirtroad. Das gemeine an diesen Straßen ist, dass sie nur sporadisch ausgebessert werden. Vor Ort sieht das dann so aus, dass ein Lkw eine Ladung Dreck in ein paar große Schlaglöcher wirft und der nachfolgende Verkehr die Befestigung übernimmt. Abgesehen davon, dass dies zu keinem guten Ergebnis führen kann, wird das feine Material bald vom Regen ausgeschwemmt, sodass oft nur Steine und Brocken übrig bleiben.
Wozu aber haben wir einen Jeep mit Allrad? Also Augen auf, festhalten und versucht, möglichst vielen Schlaglöchern auszuweichen! So etwas erlebt man schließlich nicht alle Tage. Und zumindest gibt es genug Wegweiser, sodass wir uns weder auf dem Weg zum Selvatura-Büro noch auf dem Weg zum drei Kilometer weiter oben gelegenen Reservat verfahren.
Der Selvatura Park an sich ist gut erschlossen. Neben einem Restaurant, der Rezeption und sanitären Anlagen gibt es hier Canopy Touren, einen Kolibri- und einen Schmetterlingsgarten, eine Insektenausstellung und eine Reptilien- und Amphibienausstellung sowie Führungen durch den Nebelwald. Wir aber wollen das trockene Wetter ausnutzen und uns erst einmal auf eine Tour mit acht Hängebrücken wagen.
Sie sind lang, sie sind hoch, sie sind durchsichtig!!! Für meine Nerven müsste das eigentlich einen kollektiven Zusammenbruch bedeuten, zumindest aber weiche Knie, ein flaues Gefühl im Magen und einen Schwindelanfall im Kopf auslösen. Normalerweise brauche ich auch nur durch etwas hindurchschauen, um nach zwei Metern Höhe die ersten Zeichen von Höhenangst zu spüren.
Auf den Hängebrücken im Selvatura Park ist das zum Glück anders. Was es ist, weiß ich nicht. Tatsächlich bekomme ich aber nur auf der dritten Brücke ein leicht seltsames Gefühl - und die ist immerhin 115 Meter lang und 65 Meter hoch. Noch besser klingt es im Englischen: 377 Feet lang, 215 hoch.
Doch selbst, wenn man sich vielleicht ab und an bei den besonders hohen Brücken überwinden muss, lohnt sich der Spaziergang bei trockenem Wetter ganz gewiss. So eröffnen sich uns zahlreiche wunderschöne Aussichten sowohl in die Baumkronen als auch auf das dichte Blätterdach, sehen wir etliche Epiphyten an den Ästen und können uns die Baumfarne von allen Seiten genau ansehen.
Außerdem hätten wir nicht gedacht, wie alleine wir auf weiten Teilen des Rundwegs sind. Denn mit sage und schreibe drei Kilometern Länge ist er vielen Touristen entweder zu anstrengend oder zu langweilig (was einer Fehleinschätzung gleich käme). So hören wir nur kurz nach dem Beginn unserer Tour das Surren der Canopy-Seilwinden, sehen mal den ein oder andern »Canopyer« über den Bäumen Richtung Tal flitzen und begegnen danach nur deshalb ein paar anderen Urlaubern, weil wir uns auf den Hängebrücken sehr viel Zeit lassen.
Schön finden wir, dass die Brücken auf verschiedenen Höhen angebracht sind. Befinden wir uns bei der einen auf halber Höhe der Stämme, können wir bei der nächsten schon wieder weite Teile des Nebelwalds überblicken. Was allerdings nicht garantiert ist. Denn an drei von vier Tagen ist der Wald in Nebel verhüllt.
Ursache für diesen Nebel ist die feuchte Luft, die der Wind vom Pazifik in die Berge transportiert. Doch auch dann sieht man zumindest jede Menge verschiedene Pflanzen auf der Wanderung. So wachsen in den Wäldern um Monteverde mehr als 550 Arten Epiphyten. Teilweise werden die Bäume durch diese aufsitzenden Pflanzen so schwer, dass mächtige Äste und selbst komplette Urwaldriesen in die Tiefe stürzen. Die Löcher, die sie dabei in den Wald reißen, sind dann der Startschuss für viele andere Pflanzen, um so schnell wie möglich nach oben zu gelangen.
Nach gut anderthalb Stunden, das ist zugleich die empfohlene Dauer, haben wir die achte und letzte Hängebrücke geschafft. Mit dem guten Gefühl, eine überraschend ruhige und schöne Tour erlebt zu haben, gehen wir als nächstes in den Kolibrigarten.
Sie erfüllen die Luft mit Brummen. Ständig hören wir sie an unserem Ohr oder über unserem Kopf nur ganz knapp vorbei oder darüber hinweg fliegen. Ihnen längere Zeit mit den Augen zu folgen, ist so gut wie unmöglich. Versucht man es doch, droht einem, schwindlig zu werden, wenn nicht gar verrückt. Es ist ein Tollhaus, in dem wir uns befinden. Schuld daran sind mehrere Nektarstationen, welche massenhaft Kolibris aus dem Wald in den Hummingbird Garden locken.
Der Vorteil ist offensichtlich, kann man die rasanten Flieger hier doch viel besser beobachten als in der freien Natur, ohne dass es sie groß stört. Leider gibt es aber auch einen Nachteil. Denn durch das künstliche Nahrungsangebot haben es die Vögel sehr leicht, ihren Bedarf zu decken. Das allein wäre ja nicht schlecht. Leider aber bestäuben sie dadurch weniger Bäume in der Umgebung. Grund genug, dass es von diesen Freiluftgehegen nicht zu viele geben sollte.
Für Fotografen sind die Stationen freilich eine sehr gute Gelegenheit, die Vögel vor die Kamera zu kriegen. Dann noch ein einigermaßen gutes Bild hinzubekommen, ist allerdings noch lange nicht sicher. Denn für den Autofokus sind die Kolibris nicht nur zu schnell, sondern meist auch noch zu klein, sodass die Kamera auf den Hintergrund scharf stellt, und einem Kolibri mit der Kamera zu folgen, ist unmöglich. So bleibt einem nichts anderes übrig, als die Kamera auf einen Punkt scharf zu stellen und darauf zu warten, dass ein Vogel zu genau diesem Punkt hinfliegt. Gelingt dies und passt alles, bekommt man dafür aber fast immer ein spektakuläres Bild. Und die vielen Fotos »mit ohne Kolibri« kann man ja wieder löschen (-;