Die Hauptstadt San José hat sicherlich ihren Charme. Wenn man sich aber nicht für die Schätze in den Museen interessiert und es einem auch nicht möglich ist, hinter die Kulissen zu blicken (oder man dieses Risiko nicht eingehen will), erschöpfen sich die Sehenswürdigkeiten der Stadt jedoch bald. So sind wir froh, als wir am dritten Tag in den Nationalpark Tortuguero aufbrechen und an die karibische Küste fahren.
Nach der Fahrt durch die Berge, vorbei am Nationalpark Braulio Carillo und durch wenige heftige Regenschauer kommen wir in die Ebene von Limón. Obwohl wir im klimatisierten Bus sitzen, merken wir, wie es langsam wärmer wird. Erst recht, als wir im Restaurant Selva Tropical (nahe Guapiles) einen Zwischenhalt für ein unerwartetes zweites Frühstück einlegen. Nach den mageren zwei Scheiben Toast im Gran Hotel eine nette Überraschung. Wie auch das kleine Gehege hinter dem Restaurant, in dem ein paar Schmetterlinge leben.
Als wir schließlich weiterfahren, erklärt unser neuer Reiseleiter, dass wir den Bus an einer anderen Stelle verlassen als ursprünglich geplant. Denn eigentlich sollten wir von Caño Blanco über den großen Kanal durch den Regenwald und Nationalpark von Tortuguero zur Turtle Beach Lodge fahren. Weil es in den letzten Tagen aber fast ununterbrochen geregnet hat, herrscht Hochwasser. Das passiert zwei- bis dreimal im Jahr. Das ist viel zu selten, als dass man eine vernünftige Straße zum Ersatzanleger von La Pavona erwarten könnte. »Für die vielen Busse ist der Weg nicht ausgelegt«, entschuldigt sich dann auch Eloy, bevor es über Stock und Stein geht.
Bootsfahrt bei Hochwasser durch den Regenwald nach Tortuguero an der Karibikküste von Costa Rica.
Lange Zeit war Caño Blanco die Hauptverbindung zum Dorf Tortuguero. Da sich in der Mündung des Río Parismina immer mehr Schlick angesammelt hat, änderte sich das mit den Jahren. So verlagerte sich der Handelsverkehr bis ins Jahr 2015 nach La Pavona. Inzwischen wird wohl auch die Zufahrt besser sein. Wenn es das Wetter zulässt, bleibt Caño Blanco aber noch für die Touristen bestehen.
Die letzten 50 Meter zum Anleger müssen wir unser Gepäck tragen. Dann wird alles in großen Tüten eingepackt und auf das erste Boot verladen. Wir selbst steigen in ein anderes Boot ein.
Das ist zwar alles etwas mühsam, die anschließende Fahrt über die sonst winzigen Rinnsale und über überschwemmte Wege, vorbei an Feldern, Zäunen und Plantagen, aber lohnt sich.
Außerdem haben wir Glück, dass unser Boot so niedrig ist. Denn andere Urlauber werden erst unter eine sehr niedrige Brücke hindurch gefahren, bevor sie in ihr richtiges Boot steigen können.
So, wie es in den Regenwald geht, muss unser Fahrer die Geschwindigkeit drosseln. Immer wieder versperren Äste, Geschwemmsel und auch größere Stämme den Weg. Das Hineinfahren in dieses grüne Dickicht aber ist ein wirklich tolles Erlebnis. Nach einer halben Stunde erreichen wir den großen Kanal. Zeit, dem Bootsführer für seine sichere Fahrt zu danken.
Eigentlich ginge es planmäßig zuerst zu unserer Unterkunft Turtle Beach Lodge und nachmittags nach Tortuguero Village. Durch die andere Route, die unser Boot nehmen musste, entschließt sich Eloy aber, zuerst in das kleine Dorf am Nordrand des Nationalparks zu fahren. Tatsächlich sind es auch nur ein paar Minuten, bis wir bei einem kleinen Anleger ankommen.
Am Land heißt es dann erstmal zahlen. Der Eintritt in das Dorf ist zwar frei, aber die Tickets für den Tortuguero-Nationalpark werden hier, direkt beim Anleger, verkauft. Wobei der Eintritt mit sieben US-Dollar für einen bzw. zehn Dollar für drei Tage durchaus gerechtfertigt ist.
Wie die Felder beim Start der Bootstour steht der Bereich hinter dem Tickethäuschen tief unter Wasser. Die Toiletten und ein Info-Pavillon sind nur über Stege erreichbar. Wie auch ein paar Häuser am Rande des Dorfs. Wie man so wohnen kann, ist für Eloy unverständlich: »Schauen Sie, das Wasser bleibt einfach stehen. Das ist der ideale Lebensraum für Mücken. Kein Wunder, wenn die Leute krank werden.« Malaria gäbe es hier zwar nicht, dafür aber den Dengue-Virus.
Über einen stellenweise matschigen Weg kommen wir ins Dorf, sehen mehrere Kakao-Bäume und erfahren: ein großes Problem für die Menschen ist, dass es im Park nur zehn Lodges gibt. Das sei zu wenig, um allen Kindern einen Arbeitsplatz zu bieten. Tatsächlich wirken viele der Häuser ärmlich und ist Tortuguero Village bei Weitem nicht so gut erschlossen, wie wir erwartet hatten. Eine Schule gibt es aber doch. Schließlich gibt es sonst weit und breit keine Möglichkeit für die Kinder, etwas zu lernen und Geld für die Bildung hat Costa Rica genug.
Von der kleinen Schule spazieren wir zum Fußballfeld und weiter an den Strand. Dieser ist vor allem zwischen Juli und Oktober interessant, wenn nachts Grüne Meeresschildkröten zur Eiablage an Land kommen. Zum Baden ist der Strand hingegen weniger geeignet. Denn zum einen ist die Strömung tückisch und dann schauen auch noch gelegentlich Haie vorbei. Also gehen wir schon bald weiter zum Hauptweg, wo es neben kleinen Hotels, Restaurants und Souvenirläden mehrere Internetcafés gibt. Ein großer Hellroter Ara und ein Tukan zieren den Los Pajaros Park. Sie wirken etwas kitschig. Aber sie sind nun mal das Wahrzeichen von Tortuguero. Und immerhin sind wir an der karibischen Küste. Da gehört auch etwas bunter Kitsch dazu. Hier startet nach einer kurzen Pause auch unser Boot und bringt uns weiter zur Turtle Beach Lodge.
Einen Tag oder gar eine Woche an der karibischen Küste ganz ohne Regen? Gut möglich, dass es das gibt. Wir jedenfalls erleben jeden Tag wenigstens einen Regenschauer. Und dabei haben wir noch Glück. Denn sowohl die Hinfahrt zur Lodge, die Bootstour durch die Lagunenlandschaft als auch die spätere Rückfahrt ans Festland durch den Nationalpark verlaufen bei uns trocken. Auch bei unseren Touren und Spaziergängen außerhalb der Gruppe müssen wir nur kleine Güsse über uns ergehen lassen. Etwas frustrierend ist es aber schon, wenn man nachts ständig aufwacht, nur um festzustellen, dass es draußen immer noch wie aus Kübeln schüttet und sich dies bis zum Frühstück nicht ändert. Aber das gehört nun mal zum Regenwald dazu.
Doch wir lernen auch aus dem vielen Wasser. Zum einen, wie richtig es war, eine leichte und atmungsaktive Regenjacke mitzunehmen. Und zum anderen, dass es durchaus seine Vorteile hätte, wenn man daheim sämtliche Klamotten in kleinen Päckchen eintütet. Denn nach wenigen Tagen fühlt sich alles recht klamm an und lassen sich die frischen T-Shirts von den getragenen kaum noch unterscheiden. Und wir sind noch immer am Anfang unserer Reise durch Costa Rica.
Von Vorteil wären zudem Gummischuhe, wie sie die Einheimischen gerne tragen.
Der viele Regen hat auch seine guten Seiten. So trifft man hier weit weniger Touristen als auf der Pazifikseite und ist es möglich, ganz alleine durch den Park zu paddeln. Da es keine Straßen nach Tortuguero und den Lodges im Nationalpark gibt, wird die Gegend nicht überrannt. Dafür muss man nicht fürchten, auf »einer einsamen Insel« sitzen zu bleiben. Und dann sind da noch die Vögel, die ihre Flügel - scheint denn mal die Sonne - zum Trocken ausbreiten und sich selbst von größeren Booten kaum stören lassen.
Obligatorisch zu jedem Aufenthalt in Tortuguero gehört eine Bootstour durch den Nationalpark. Diese beginnt meist in den frühen Morgenstunden, da viele Tiere mittags seltener zu beobachten sind. Also brechen auch wir am nächsten Tag noch vorm Frühstück auf, um uns durch die Lagunenlandschaft schippern zu lassen. Entgegen unserer Reisebeschreibung allerdings in einem Motorboot anstelle eines Bootes ohne Motor, was etwas störend ist - mal abgesehen davon, dass der Krach sicherlich keine Tiere oder Vögel anlockt.
Dennoch empfiehlt es sich, an einer geführten Tour teilzunehmen. Schließlich wissen die Reiseleiter am besten, an welchen Stellen sich die Tiere regelmäßig zeigen. Wie ein paar Leguane, die hoch oben in den Bäumen auf die Morgensonne warten. Oder eine Horde Klammeraffen, die bei einer Abzweigung des großen Kanals am Frühstücken ist. Nicht entdeckt hätten wir die Sackflügelfledermäuse (welch ein Name!), die wie an einer Schnur aufgereiht an einem Baum hängen. Verwehrt - und da hilft auch kein Wissen von Eloy - bleiben uns jedoch Kaimane, Basilisken und Nasenbären. Aber das liegt wohl daran, dass sich diese gerne an den Ufern aufhalten, welche bei unserer Tour allesamt überschwemmt sind.
Dafür begegnen uns immer wieder Gelbstirn-Blatthühner. Sie haben sich darauf spezialisiert, auf der schwimmenden Vegetation zu laufen, wo sie nach Käfern und anderen Insekten suchen. Etwas besser versteckt sich da schon ein Nacktkehl-Reiher, der in den Blättern Deckung sucht. Dann aber geht es auch schon wieder zurück zur Lodge, wo das Frühstück wartet bzw. wo dasselbe von den anderen Gästen bereits verzehrt wird.