Das Valle de Orosi ist für uns eine Ruheoase auf dem Weg in den Süden von Costa Rica. Umgeben von Kaffee-, Obst- und Gemüseplantagen bildet das herrlich grüne Tal ein Wander- und Radfahrparadies. Naturnahe Wanderwege führen durch den nahen Tapantí Nationalpark. Wer gerne mit dem Fahrrad unterwegs ist, wird am Circuito de Orosi seine Freude finden. Ein 30 Kilometer langer Rundweg mit nur wenig Verkehr umrundet das gesamte Tal. Hier treffen sich besonders an den Wochenenden auch viele Einheimische zum gemeinsamen Radeln.
Die Fahrt ins Valle de Orosi ist für uns die zeitlich längste Fahrt unserer zweiten Costa Rica-Reise. Vom Bergdorf Santa Elena fahren wir hinab zur Panamericana. Durch die Hauptstadt San José geht es nach Cartago und schließlich hinein ins Valle de Orosi. Leider ist die Strecke längst nicht so idyllisch, wie wir sie uns vorgestellt hatten. Die kurvige Fahrt über Sardinal zur Panamericana ist zwar noch ganz schön. Doch die Carretera Interamericana hat seit unserer ersten Reise durch Costa Rica ihren Charme weitgehend eingebüßt. Die Bäume, welche ihren Schatten auf die Fahrbahn warfen, mussten dem vierspurigen Ausbau weichen. Als Folge ist die Panamericana eine Autobahn, wie viele andere auch. Dem nicht genug, führt sie uns mitten hinein in den Stadtstau von San José und später von Cartago. Der Fahrstress nimmt uns die Lust für einen Stopp bei Las Ruinas der Pfarrgemeinde Santiago. Auch wenn dort ein kopfloser Priester umher spuken soll, lassen wir die Ruinen Cartagos links liegen. Stattdessen fahren wir direkt durch bis ins Orosi-Tal.
Der kleine Ort Orosí bildet das touristische Herz des Tals. Durch den schachbrettartigen Ortsaufbau fällt es leicht, sich zu orientieren. Pünktlich zur Kaffeezeit kommen wir bei der Orosi Lodge an. Herrlich bunt empfängt uns das geschmackvolle Café der Lodge. Ein leckeres Stück Kuchen und perfekt kredenzter Cappuccino kommen genau richtig, um sich von der langen Anreise zu erholen.
Die Zimmer sind gemütlich. Wir fühlen uns sofort wohl. Beim Relaxen auf den Schaukelstühlen vor dem Zimmer beobachten wir Kolibris im Garten. Am späten Abend quaken uns die Frösche ein gewaltiges Froschkonzert. Alles in allem umfängt uns ein kleines Idyll. Auch das Frühstück ist eine Wucht. Das Rührei wird in der Pfanne serviert. Dazu gibt es frisches Baguette und leckere selbstgemachte Marmeladen. Ich weiß nicht mehr, wie genau wir auf das Orosi-Tal kamen. Aber alleine die Lodge ist es wert, hier etwas Zeit zu verbringen.
Nach den Strapazen der Fahrt hat das Auto für den Rest des Tages ausgedient. Von Orosi aber wollen wir doch etwas sehen. Der Ortskern mit der Plaza de Orosi ist fußläufig wenige Minuten vom Hotel entfernt. Rund um die Plaza gibt es Restaurants, Minimärkte, Bars und natürlich eine Kirche. Die Parroquia de Orosi ist Costa Ricas älteste intakte Kolonialkirche. Insgesamt gab es einst 14 solcher Kirchen in der Region. Doch sie fielen Naturgewalten wie Erdbeben und Überschwemmungen zum Opfer. Bei Ujarrás etwa stehen heute nur noch Ruinen der alten Kirche. Andere Gotteshäuser wurden bei Indianeraufständen niedergebrannt. Denn neben den unschuldig weißen Fassaden der Kirchen brachten die Eroberer hauptsächlich Ausbeutung und Zerstörung in das Land. Nach ihrer Ankunft litten die Spanier an einer Herzkrankheit, die sie mit Gold zu heilen suchten. Als Gegenleistung schleppten sie die Grippe und gar die Pest ein. Die Epidemien rafften die Bevölkerung der Ureinwohner binnen wenige Jahre dahin. 1699 wurden schließlich die verbliebenen Indianer von Orosi nach Ujarrás umgesiedelt.
Lange Zeit war Orosi eine Geisterstadt. 1743 kamen dann Franziskanermönche und errichteten die heutige Kirche, die 23 Jahre später fertig war. Die Gründung der Pfarrei und die Besiedelung durch Indianer aus der Talamanca-Region brachte neues Leben in diese Gegend. Es war eine Franziskanermission, neben dem katholischen Glauben auch die spanische Kultur zu verbreiten. In geraden Linien legten sie Straßen an und verteilten Gemeinschaftsparzellen für den Anbau verschiedener Feldfrüchte. Sie unterwiesen die Indianer im Web-, Schmiede- und Tischlerhandwerk. So mancher Junge erhielt als Messdiener auch Lateinunterricht. 1910 zerstörte jedoch ein Erdbeben große Teile von Cartago und ließ die Stadt Ujarrás verschwinden. Die Kirche von Orosi kam mit Schäden davon. Erst 1972 wurde die architektonische Struktur des Kirchenbaus rekonstruiert. 1980 öffnete man die Türen wieder als das Orosí-Museum für religiöse Kunst. Orosí selbst ist heute eine Kaffeeanbauregion par excellence.
Wir genießen die Spaziergänge durch das Dorf. Anders als in La Fortuna und Santa Elena stehen hier relativ wenige Autos in den Straßen herum. Obwohl es ein Thermalbad gibt, ist die Gegend nur wenig touristisch erschlossen. Im Supermarkt wird Reis im 10-Kilo-Sack verkauft. In den Restaurants trifft man überwiegend Einheimische. Am Abend sollte man zudem immer eine Taschenlampe bei sich tragen. Die Stromversorgung lässt zu wünschen übrig. Nach dem Abendessen laufen wir durch stockdunkle Straßen, nachdem zunächst ein Knall zu hören war und dann alle Lichter ausgingen.
Da wir viel Zeit beim Wandern im Nationalpark von Tapanti verbringen, verzichten wir auf eine Radtour auf dem Circuito de Orosi. Doch mit dem Auto fahren wir zumindest zum Stausee von Cachí. Nahe der Staumauer befindet sich das Café de Chumi. Hierhin lohnt sich ein Ausflug. Das grüne Gebäude hängt hoch über dem See. Wir genießen Kaffee und Kuchen, während draußen grüne Papageien durch die Bäume turnen. Danach spazieren wir über die Staumauer, einem gewaltigen Bauwerk auf dem Jahr 1970. Hier hat der Río Reventazon, der zweitlängste Fluss Costa Ricas, seinen Ursprung. Nach 145 Kilometern mündet dieser in die Karibik. Am Parkplatz der Staumauer kann man sich mit gegrilltem Mais verköstigen. Und für die ganz mutigen gibt es frische Fruchtsäfte am Straßenrand.
Wir selbst verbringen eine kurzweilige und schöne Zeit im grünen Valle de Orosi. Es ist ein angenehmer Ort zum Spazieren gehen. Auch wenn es längst nicht mehr so trocken wie an der Westseite von Costa Rica ist, können wir uns hier nochmals etwas aufwärmen. Denn von Orosi geht es dann weit hinauf in die gewaltigen Höhen von San Gerardo de Dota. Vor uns liegen Tage in einer recht kühlen Gegend, wo der Quetzal sein Zuhause hat.