Vor Higüey verdichtet sich der Verkehr zusehends. Denn so wie Reiseveranstalter ihre Hotelanlagen in Punta Cana erweitern, zieht es auch immer mehr Dominikaner in diese Region. So hat sich die Einwohnerzahl Higüeys allein zwischen 2000 und 2005 von 40 auf schätzungsweise über 50 Tausend erhöht.
Durch die für dominikanische Verhältnisse gut bezahlte Arbeit in den Ressorts können sich die Einwohner Higüeys außerdem mehr leisten als anderswo auf der Insel. So bleibt es nicht aus, dass Satellitenschüsseln wie Pilze aus dem Boden schießen.
Den Strom jedoch besorgen sich die meisten Einwohner illegal. Dazu werden die Kabel einfach irgendwie an den Hauptleitungen angeschlossen. Dies führt nicht nur zu einem undurchschaubaren Kabelsalat, sondern auch immer wieder zu Ausfällen. Diejenigen, die ihre Leitung korrekt angemeldet haben, bezahlen dabei den Strom der anderen mit. Erst wenn eine Leitung völlig überlastet ist, werden die vielen »Schwarzkabel« gekappt. Anschließend beginnt das Spiel von neuem.
Bereits im Jahre 1494 wurde Higüey als eine der ersten Städte von Europäern in Amerika gegründet. Der Name jedoch stammt noch aus dem Indianischen und bedeutet soviel wie »Land der aufgehenden Sonne«. Zugleich ist Higüey der älteste und bis heute noch bedeutender Wallfahrtsort auf Hispaniola. Denn hier soll die Jungfrau Altagracia den Spaniern als Erscheinung am Gipfel eines Berges zu Hilfe geeilt sein. Ermutigt durch den Anblick der Heiligen gelang es ihnen am 21. Januar 1691, die Franzosen in die Flucht zu schlagen.
Schon lange vor unserem ersten Stopp erblicken wir die Basilika Nuestra Senora de la Altagracia, einen für uns eher unfreundlichen Betonbau, der zwischen 1954 und 1969 erbaut und zwei Jahre später eingeweiht wurde.
Die Basilika ersetzt die frühere Wallfahrtskirche und beherbergt eine hochverehrte Madonnen-Statue aus dem 16. Jahrhundert. So bleibt es nicht aus, dass jedes Jahr zum 21. Januar ganze Heerscharen von Pilgern hierher kommen, um die Jungfrau Maria zu ehren.
Obwohl es noch früh am Morgen ist (genau 7.15 Uhr), schlägt uns beim Verlassen des Busses bereits die Wärme entgegen. Abgesehen von ein paar Gläubigen sind wir allein auf dem Platz vor der Kathedrale. Und das mit Grund, denn das Kirchengelände ist eine Tabuzone für Händler. So können wir uns in aller Ruhe umsehen, ohne von den vielen CD-Händlern, Taxi-Motorrädern, selbsternannten Guides und Kindern, die einen Werbezettel unter die Nase halten, gestört zu werden.
Welchem Baustil wir die Basilika zuordnen sollen? Keine Ahnung, auf uns wirkt das Gebäude leicht sozialistisch geprägt. Ansonsten scheint es nur einfach zweckmäßig zu sein und ist für uns kaum nachvollziehbar, dass hier einst die weltbesten Architekten aufgefordert waren, Pläne für das Gotteshaus zu entwerfen.
Einiges freundlicher wirkt das Innere der Basilika, welche vom Licht der farbigen Fenster erhellt wird. Nur wenige Gläubige sitzen auf den vielen Bänken links und rechts des Mittelgangs. Im hinteren Bereich sogar scheinen zwei Männer zu schlafen.
Und doch betreten wir den offenen Raum während eines Gottesdienst mit Orgelmusik und einer Sängerin, die den Priester bei seiner Arbeit unterstützt. Dass wir selbst gar nicht beachtet werden, ist uns recht. Denn hier wollen wir möglichst nicht stören. So also genießen wir die Atmosphäre und die ausgesprochen gute Resonanz in der Basilika, bevor wir zurück zum Bus kehren.
Nach unserer Rundreise fahren wir ein zweites Mal nach Higüey. Dabei jedoch nicht organisiert, sondern mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Busfahrt von der Ferienregion Punta Cana wird in den Reiseführern zwar als Abenteuer beschrieben. Dafür aber war sie im Vergleich zu dem angebotenen Tagesausflug sehr günstig.
Und außerdem hatten wir ordentlich gepolsterte Sitzplätze (wie auch alle anderen Fahrgäste), Klimaanlage, nur einen Umstieg ohne Wartezeit, fast keine Zwischenstopps auf der Strecke und ein Spielfilm flackerte auch noch über den Busfernseher.
Kurz vor unserer Ankunft im Zentrum Higüeys steigen zwei Männer in den Bus. Einer von ihnen ganz in unsere Nähe. Es dauert auch nicht lange, bis er uns erst auf Englisch und dann auf Deutsch anspricht. Wie es uns gefällt? Das erste Mal hier? ... Nachdem er uns erklärt, dass die Busse zurück nach Punta Cana woanders abfahren, bietet er uns an, uns durch die Stadt zu führen und uns alle wichtigen Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Auch wenn er kaum verstehen kann, dass wir uns alleine in die Stadt wagen und eigentlich nur zum Markt wollen, gibt er nach zwei Minuten auf.
Wie bei der Rundreise steigen wir wieder bei der Basilika aus. Diesmal allerdings außerhalb der Umzäunung. Für Fußfaule ideal, denn nur einen Schritt (das ist nicht übertrieben) neben dem Bus warten bereits ein knappes Dutzend Motorradfahrer, die uns durch die Stadt kutschieren wollen. Nachdem wir uns dort durchgekämpft haben, folgen uns Kinder auf Schritt und Tritt, die uns mit Rabattmarken für T-Shirts in irgendwelche Geschäfte schleppen wollen.
Auch wenn wir schon einmal in der Basilika von Higüey waren, kommt sie uns diesmal wie gerufen, um uns wenigstens mal ein paar Minuten in der Hitze Verschnaufen zu können. Wir aber wollen doch auf den Markt und außerdem ein Glockenspiel für unseren Balkon kaufen.
Also wieder raus auf die Straße, wo uns die Kindern abermals empfangen und bis zur nächsten Straßenecke begleiten. Erst nach ein paar strengen Worten geben sie auf und können wir, unterbrochen von halbherzigen Verkaufsversuchen mehrerer CD-Händler, unseren Weg fortsetzen und - Dank der Hitze bereits mit trockener Kehle - endlich auch am Markt ankommen.
Auch wenn die Gassen mit den vielen Ständen recht eng sind, quetschen sich immer wieder Mopeds und sogar Motorräder durch das Gewühl, fast als gilt es - vor allem bei den Männern - bloß keinen Schritt zu gehen, solange es sich irgendwie vermeiden lässt. Für das feilgebotene Fleisch heißt dies, dass es hier wie in La Otra Banda auf der Straße geräuchert wird.
Anders als bei der Basilika lassen uns die Händler weitgehend in Ruhe. Es sei denn, einer ihrer Kollegen muss unbedingt abgelichtet werden. Eilig scheint es hier niemand zu haben. Werden an einer Ecke Melonen frisch zubereitet, sehen wir an der nächsten eine der vielen Dominikaner-Ansammlungen bei der Arbeitsbesprechung. Die Frauen hingegen sind mit den Einkäufen beschäftigt, die sie zum Teil auf dem Kopf nach Hause balancieren.
War der Markt kaum zu verfehlen, gestaltet sich die Suche nach dem gewünschten Glockenspiel schon schwieriger. Zwar gibt es entlang der Hauptverkehrsstraßen mehrere Souvenirläden. Diese aber haben eine nur geringe Auswahl an Glockenspielen - wenn überhaupt.
Bei unserer Suche treffen wir allerdings auf eine circa 40 Jahre alte Frau, die uns von der Hauptstraße weg zu zwei abseits gelegenen Geschäfte führt,
die wir ohne Hilfe ganz sicher nicht gefunden hätten. Von außen geben beide Geschäfte kaum etwas her und sind für das geübte Touristenauge auch kaum als Laden zu erkennen. Um so erstaunter sind wir im Inneren des zweiten Geschäftes. Denn dieser besitzt nicht nur eine große Auswahl an Glockenspielen und anderen Mitbringseln, sondern bietet diese auch noch einiges schöner an als die Geschäfte im Zentrum.