Zur Mittagszeit erreichen wir Santo Domingo, die Hauptstadt der Dominikanischen Republik. Den ersten Halt legen wir beim Kolumbus-Leuchtturm ein. Er sollte 1992 Mittelpunkt der Feier zum 500. Jahrestag der Entdeckung Hispaniolas durch die Europäer sein.
Zunächst jedoch musste der Präsident Balaguer Platz für den 237,50 Meter langen und 52 Meter breiten Kolossalbau schaffen. Also ließ er ein Elendsviertel abreißen. Für 50.000 Einwohner bedeutete dies, dass selbst die bescheidene Hütte ersatzlos futsch war.
Entsprechend gut kam das Projekt bei der Bevölkerung an. Da hier aber die Gebeine von Christoph Kolumbus ruhen sollten, nahmen sie dies zusammen mit den geschätzten 70 Mio. US-Dollar teuren Baukosten in Kauf. Weil viele der geladenen Gäste dennoch Anschläge während der Feier fürchteten, sagten sie der Einladung des Präsidenten ab. Die spektakuläre Show von 149 Lasern, die ein riesiges Kreuz in den Himmel strahlten, ließ sich übrigens auch Balaguer entgehen. Aus Scham soll er sich krank gemeldet haben.
Beliebt war die Anlage, mit der sich auch weite Teile der städtischen Stromversorgung lahm legen lassen, von Anfang an nicht. Spätestens aber seitdem bekannt ist, dass die sterblichen Überreste des Entdeckers sich noch immer in Europa befinden, betrachten die Dominikaner das Bauwerk nur noch mit Verachtung.
So wundern wir uns auch nicht, dass wir fast alleine vor dem allmählich verfallenden und geschlossenen Leuchtturm stehen. Einen traurigen Anblick bieten die Gartenanlagen, die zwar gemäht, sonst aber kaum gepflegt werden. Dort wo Springbrunnen die Besucher mit ihrem Wasserspiel unterhalten sollen, finden wir leere, teils rissige Bassins.
Einiges bunter und damit schöner anzusehen sind die vielen Bilder der Haitianischen Kunst, welche uns auf der Fahrt in die Innenstadt begleiten.
Der nächste Stopp bringt uns zum Standbild des Montesino, der sich als Abt für die Rechte und eine menschenwürdige Behandlung der Indianer einsetzte.
Im Jahre 1511 warf er Diego Colón, den Eroberern und Landbesitzern ihre abscheulichen und frevelhaften Taten vor. Dass Kritiker auch damals nicht sonderlich beliebt waren, zeigt übrigens noch heute eine alte Kanone, die genau auf das Standbild ausgerichtet ist.
Pünktlich zur Mittagszeit kommen wir im Zentrum am Parque de Colón an. Aber was heißt hier Mittag? Zwar gibt es mehrere kleine Restaurants, von denen uns Hennie auch eines sowohl für den Magen als auch fürs Reisebudget als bekömmlich empfiehlt.
Allein die Hitze aber nimmt uns den Appetit. So bleiben wir nur für zwei Cola bei der Gruppe sitzen und erkunden danach lieber die nähere Umgebung.
Den Mittelpunkt des Platzes bildet das Standbild von Kolumbus, der - oft mit einer Taube auf dem Kopf oder am Finger - zur ersten spanischen Siedlung auf der Insel, La Isabela, zeigt. Hennie verrät uns außerdem, dass Kolumbus zugleich in Richtung Meer zeigt, »aber das ist auch keine Kunst, denn wir befinden uns hier auf einer Insel. Da kommen wir in jede Richtung ans Meer«.
Der Blick zum historischen Rathaus an der West- und dem Palacio de Borgellá an der Ostseite des Platzes versperren uns unter anderem Flamboyantbäumen mit ihren weit ausladenden Kronen. Umso schöner ist dafür der Blick auf die Catedral de Santa María la Menor an der Südseite.
Besonders lohnenswert ist der Platz übrigens am Abend, wenn die unzählige Fledermäuse munter werden und teils nur wenige Zentimeter über den Köpfen der Menschen auf Jagd flattern.
Nur wenige Schritte vom Kolumbus-Platz entfernt, kommen wir in eine kleine Fußgängerzone. Neben Ständen mit Bildern und Tongefäßen sowie dem fahrenden Kokosnusshändler fällt uns vor allem eine ungewöhnlich lange Warteschlange vor einem der Läden auf.
Viele der Menschen stehen geduldig im Schatten oder haben sich auf den tiefliegenden Fenstersimsen breit gemacht. Vorwärts scheint es nicht zu gehen. Was aber wollen all die Menschen?
An mehreren Stellen sehen wir zwar reich bestückte Loswände, für den rechnerisch sicheren Verlust interessiert sich jedoch kaum einer der Wartenden. Vorsichtshalber kommen wir ihnen nicht zu nahe, denn die Luft ist schwül, die Stimmung aufgeheizt und hier und da kommt es zu kleineren Streitereien unter den Dominikanern.
Erst nach unserer Rückkehr zur Gruppe erfahren wir, dass in dem einen Laden ab heute die neuen Versicherungsscheine für Autos und Motorräder ausgegeben werden. »Dafür stellen die sich schon am Morgen an und warten, wenn es sein muss, den ganzen Tag«, erklärt Hennie. »Allein das wäre mir ja schon blöd, aber die Leute haben sonst ja nichts zu tun.«
Am frühen Nachmittag entfliehen wir der Hitze in die Catedral Santa María La Menor. Sie ist das älteste Gotteshaus Amerikas und nahm nach ihrer Fertigstellung im Jahre 1541 als erste Kathedrale der westindischen Inseln lange Zeit eine Vormachtstellung gegenüber den anderen Kirchen ein.
Natürlich schützt auch ein solch hoher Status nicht davor, dass hin und wieder Teile der Kathedrale erneuert werden müssen. So also erwartet uns im Innern neben der angenehm kühleren Luft eine staubige Baustelle.
Eigentlich sollte das Programm für diesen Tag längst beendet sein. Hennie bot uns jedoch an, die Stadtführung vorzuziehen. Denn am Nachmittag hätten wir ohne Führung eh nicht viel unternehmen können und außerdem hatte das Radio anhaltende Gewitterschauer für den Abend und nächsten Morgen angekündigt.
Allein deswegen großes Lob an unseren Reiseführer, denn auch wenn die schwüle Luft schwer über der Stadt hing, schwitzen wir doch lieber ein wenig, bevor wir durch den Regen laufen müssen. Da es in Santo Domingo recht häufig Gewitter gibt, empfiehlt sich hier ohnehin, trockenes Wetter auszunutzen.
Durch ein neoklassizischtes Tor aus dem späten 18. Jahrhunderts kommen wir ins Fort Ozama mit dem Torre del Homenaje (Huldigungsturm). Den Namen bekam der hohe Turm, weil die Spanier damals ankommenden Schiffen Salut schossen.
Neben berühmten Persönlichkeiten wie Don Diego Colón und Gonzales Fernándes de Oviedo wohnten hier eine ganze Reihe indianischer Häuptlinge. Während die ersten jedoch im oberen Teil des Turms bei allen kolonialen Annehmlichkeiten die Aussicht über die Bucht genießen konnten, mussten die Kaziken jedoch in den unterirdischen Kerkern auf ihre Hinrichtung warten.
Die Hitze fordert ihren Tribut. Bereits nach den wenigen Stufen zur Aussichtsplattform fühlen wir uns völlig erschöpft. Als deutlichen Beweis der letzten Gewitterschauer strömt unter uns ein von Erde und Schlamm braun gefärbter Rio Ozama ins karibische Meer. Oh ja, Wasser. Das ist, was wir hier, in der prallen Sonne, unbedingt brauchen. Nicht nur wir. Denn schon nach wenigen Augenblicken entschwindet der Großteil unserer Gruppe zurück zum Eingangstor. Dort gibt es zwar auch nichts zu trinken, aber wenigstens spendet es ein bisschen Schatten.
Auf dem Weg vom Fort Ozama zum Panteón Nacional kommen wir in die Calle de Las Damas, sprich: die Damenstraße. Wer jetzt glaubt, dass einen hier Schuhläden auf Schritt und Tritt begegnen, irrt allerdings. Auch gibt es hier sonst eigentlich nichts zu kaufen. Dafür aber ist die Calle de Las Damas die älteste gepflasterte Straße der Stadt. Dieses geschah angeblich auf den Wunsch der Damen, irgendwo spazieren gehen zu können, ohne sich die Röcke zu verdrecken.
Was wir absolut nicht mögen und aus jedem Kinderzimmer möglichst verbannt gehört, sind Kriegsspielzeuge. Genauso wie wir denken offensichtlich auch die Betreiber des Spielzeugmuseums in Santo Domingo. Dieses nämlich, so Hennie, besitze als einziges öffentliches Gebäude einen Metalldetektor am Eingang. Seiner Frage, ob man ein solches Gerät zuallererst in einem Museum für Kinder braucht, schließen wir uns gerne an.
Schräg gegenüber und damit ebenfalls an der Damenstraße, befindet sich der Eingang zur Nationalen Gedenkhalle. Nach ein paar Schluck aus einer Wasserflasche genau der richtige Ort, um sich ein wenig von der Hitze zu erholen.
Bevor der ehemalige Diktator Trujillo das Gebäude (ab 1955) nutzte, um dominikanische Patrioten und bedeutende Personen zu ehren, fanden hier Theateraufführungen statt, diente der Bau als Tabaklager und beherbergte er das Seminar San Fernando.
Kaum zu glauben, dass der festungsähnliche Bau ursprünglich eine Jesuitenkirche war. Trujillo übrigens blieb eine Ehrung in der Heldenhalle vorenthalten.
Eine Rampe verbindet die Damenstraße mit dem Platz vorm Palast des Diego Kolumbus. Nachdem dieser von wenigen spanischen Architekten sowie 1.500 indianischen Zwangsarbeitern (1510 - 1516) erbaut wurde, blieb das angeblich ohne einen Nagel geschaffene Gebäude nach dem Tod von Bartolomé Colón (1549) lange Zeit unbewohnt.
Versuche, den Palast als Gefängnis zu nutzen scheiterten. Nachdem mehrere Teile der Anlage einbrachen, diente der Bau den Dominikanern sogar zeitweise als Steinbruch. Erst 1955 begann die Restaurierung und zwischen 1965 und 1968 erhielten die Räume ihr ursprüngliches Dekor zurück.
Der Alcázar de Don Diego Colón ist heute ein Museum. Die im kolonialen Stil eingerichteten Zimmer vermitteln uns einen guten Eindruck, wie die Eroberer damals gewohnt haben. Anders als im Fort und im Panteón Nacional zeigt uns allerdings nicht Hennie,
sondern ein staatlicher Museumsführer die einzelnen Räume. Sein Deutsch ist zwar nicht ganz so gut, dafür aber können wir uns auch abseits der Gruppe in dem Palast umschauen und ungestört fotografieren.
Besonders lohnenswert ist der Besuch des Palastes übrigens bei heißen Wetter. Denn die Räume sind angenehm luftig gehalten und vor allem von den oberen Arkaden lässt sich das Treiben auf dem Palastplatz ungestört beobachten.
Bis sich der eigene Körper schließlich akklimatisiert hat, der Reiseführer zum nächsten Programmpunkt ruft oder es einen zu den nahe gelegenen (Touristen-) Cafés zieht.
Strom ist in Santo Domingo zwar die meiste Zeit knapp, das Netz ständig überlastet. Dies kann die Banken und Hotels jedoch nicht davon abhalten, ihre Klimaanlagen auf 5° (!) Celsius einzustellen. Natürlich ist es in einer tropischen Stadt kaum möglich, Gebäude mit regem Publikumsverkehr so tief herunter zu kühlen. Das Hodelpa Caribe Colonial ist jedoch - zumindest mit seiner gefühlten Temperatur - schon ganz nah dran.
So also kommen wir direkt aus dem schwülen Dampfkessel der Stadt hinein in einen Vier-Sterne-Kühlschrank. Fast Augenblicklich verschwindet die Wärme aus unserer eben noch aufgeheizten Haut und läuft uns stattdessen ein eiskalter Schauer über den Rücken und reicht Annette bereits die kurze Wartezeit auf den Zimmerschlüssel, um sich für die nächsten paar Tage zu erkälten.
Unser Zimmer hingegen ist ausgesprochen gemütlich eingerichtet. Schwere Vorhänge halten gleichermaßen das Sonnenlicht wie auch die Wärme aus dem Innern fern. Die - tatsächlich auf 5° eingestellte - Klimaanlage lässt sich aber zum Glück ganz abstellen.
Zwei gemütliche Queen-Size-Betten versprechen eine angenehme Nachtruhe und das Krächzen zweier Hähne gibt uns mitten in der Stadt das Gefühl einer ländlichen Idylle.
Schön an dem Hotel ist seine Lage ganz in der Nähe der meisten Sehenswürdigkeiten. Nach einem kurzen Sonnenbad auf der Dachterrasse, einer Stunde Schlaf und frisch geduscht beschließen wir also, nochmals in die Altstadt aufzubrechen.
In dem von Hennie empfohlenen Restaurant wagen wir es sogar, ein Fischgericht zu bestellen, bevor wir uns all die schönen Gebäude des Tages nach Einbruch der Abenddämmerung nochmals anschauen und uns über die vielen Fledermäuse freuen, die am Parque de Colón über unsere Köpfe hin und her flattern.
In der Nacht entlädt sich endlich das Gewitter über Santo Domingo. Bis zum Morgen hat sich die Luft deutlich abgekühlt und auch nach Frühstück im Caribe Colonial tröpfelt es noch leicht. Neben der Kameraausrüstung gehört damit die leichte Regenjacke unbedingt zur Ausrüstung für den geplanten Marktbesuch.
Der Markt selbst ist den Einheimischen sowie Reiseleitern, die sich auskennen, vorbehalten. Für uns interessiert sich keiner, während uns Hennie der lebensverlängernde »Noli«, Kochbananen, Mangos, Yuccaknollen und Süßkartoffeln sowie ein aphrodisierendes Mittel vorstellt.
Vor der Weiterfahrt nach Jarabacoa legen wir einen letzten Stopp beim Präsidentenpalast ein.
Doch just, als ich durch das Gitter hindurch den Palast zu fotografieren will, bricht auf einmal Unruhe aus. Hektisch winken mich die jungen Wachmänner beiseite, um das schwere Eisentor zu öffnen. Gleichzeitig geben sie mir wie auch anderen Umstehenden zu verstehen, dass wir jetzt nicht mehr fotografieren dürfen.
Sekunden später fährt ein Polizeiwagen mit Blaulicht an uns vorbei, gefolgt von mehreren Motorrädern und verdunkelten Jeeps. Auch diese haben Blaulichtanlagen auf dem Dach. Einzig das Fahrzeug mit dem Präsidenten kommt ohne Blaulicht aus.
Kurz danach ist der Spuk schon wieder vorbei, die Wachmänner schließen das Tor und schließlich darf ich den Palast auch endlich durch das Gitter aufnehmen.