Die Wanderung auf die Silberen führt uns in eine für die Schweiz einmalige Landschaft. Nach dem Aufstieg ab dem Pragelpass erleben wir das größte Karrenfeld des Landes. Der hohe Kalkanteil und der insgesamt karge Boden beschert uns eine hohe Artenvielfalt. Wo immer ein paar Krumen Erde sich in den Felsritzen, gedeihen Schlüsselblumen, Aurikel, Anemone und Enzian-Arten. Dazu können wir uns traumhafte Aussichten zu den umliegenden Berggipfeln freuen.
Schon die Anfahrt zur Silberen bietet eine erste Besonderheit. Weil der Pragelpass samstags und sonntags von Glarus her gesperrt ist, müssen wir unser Navi dazu bringen, uns von der anderen Seite über Muotathal zum Ausgangspunkt zu lotsen. Warum das so ist, wird oberhalb von Muotathal deutlich. Die vielen engen Kurven auf der Passstraße sind genau das, was viele Motorradfahrer lieben. Die über weite Abschnitte schmale Straße aber hat eine nur sehr begrenzte Kapazität. Damit der Pragelpass nicht zu einer Transferroute verkommt, hat man sich für eine Sperrung eines kurzen Abschnitts auf Glarner Seite entschieden.
Oben angekommen sind wir überrascht, wie viele andere Wanderer schon vor uns auf der Passhöhe angekommen sind. Und doch kommen wir gerade rechtzeitig, um zu beobachten, wie eine Rinderherde vom nahen Hof über den Schotterweg auf die Weide getrieben wird. Wenn wir bedenken, dass bei uns im Südschwarzwald viele Landwirte schon stolz auf ihre neuen Laufställe sind, haben es die Tiere hier richtig gut. Mit diesen ersten schönen Eindrücken gehen wir zum nahen Wegweiser auf dem Pragel. Die Orientierung fällt leicht, denn die Silberern ist hier schon als Bergwanderwerg angeschrieben. Damit folgen wir zunächst einem breiteren Wanderweg, der rechts von der Zufahrt abzweigt, bergan über ein paar Kurven. Nach gut 200 Metern wechseln wir jedoch rechts auf einen deutlich schmaleren Pfad.
Wanderung ab dem Pragelpass
Laut der Angabe vor Ort muss man für den Aufstieg vom Pragelpass auf die Silberen mit 2.35 Stunden rechnen. Auch ohne auf die Uhr zu schauen, empfehlen wir, den Berg langsam anzugehen und sich auch immer wieder mal umzudrehen. Dort bietet der Höhenzug mit dem Druesberg im Süden und den nach Norden anschließenden Twäriberg und Rütistein eine imposante Kulisse.
Zugleich finden sich am Wegrand viele kleinen Dinge, die vom konditionell fordernden Aufstieg ablenken. So entdecken wir neben der häufigen Ährigen Teufelskralle und verschiedenen Knabenkräutern auch das für uns bis dahin unbekannte Quirlblättrige Läusekraut. Auch der seltene Punktierte Enzian und die Alpen-Küchenschelle fühlen sich auf de kalkhaltigen Untergrund wohl.
Nachdem der Pfad nach Norden schwenkt und über den schwach ausgeprägten Geländerücken des Ruch verläuft, kommen wir zum Wegweiser Butzen (1780 m). Durch unser Pflanzenstudium brauchen wir gut 40 Minuten bis hierher. Aber da wir keine Bücher schleppen wollen, müssen wir die Pflanzen so fotografieren, dass wir sie später noch bestimmen können. Einen Steinwurf vom Wegweiser entfernt sehen wir vor uns die wenigen Gebäude der Butzen-Alp. Wer hier geradeaus weiter läuft, kommt in 20 Minuten nach Biet. Wir indes biegen noch vor dem ersten Stall rechts ab, sodass wir nun in südöstlicher Richtung laufen. Damit wird die Kulisse vor uns nunmehr von dem Karstmassiv der Silberen bestimmt. Wir befinden uns nun in der größten Karstlandschaft der Schweiz.
Auch wenn in schattigen Mulden noch Schneereste überdauern, treibt uns der weitere Aufstieg auf die Silberen Schweißperlen auf die Stirn. Wieder sind es die vielen Pflanzen, die uns in der baumlosen Höhe von der Anstrengung ablenken. So erfreuen wir uns an einem Zweiblütigen Veilchen, das sich zwischen mehreren Steinen behaupten kann.
Aufstieg auf die Silberen
Wo immer es das Gelände erlaubt, den Blick zu heben, sind es schließlich die schroffen Felsformationen, die uns in ihren Bann ziehen. Die Tour ist ein wahren Karsterlebnis. Und angesichts dieser bezaubernden Landschaft gelingt es selbst Schnee-Allergikerin Annette, ein Schneefeld mit fröhlichem Blick zu überqueren. Das gibt es nur selten.
Weiter oben werden die Grasmatten seltener. Die Karrenfelder der Silberen bieten nur Spezialisten einen geeigneten Lebensraum. Hier ähneln die hellen Karstfelsen einem versteinerten Gletscher. Und wie auf einem Gletscher müssen wir auf dem zerklüfteten und teils scharfkantigen Untergrund aufpassen, wo wir hintreten. Wo vereinzelte Schneefetzen die rotweißen Wegmarkierungen verdecken, ist ein guter Orientierungssinn von Vorteil. Die Beschaffenheit der Kalkfelsen hilft, die beste Route zu finden. Denn während das Gesteinsmaterial auf dem Weg glatt getreten sind, sind die die Felsen abseits der Pfade deutlich schroffer.
Wanderung auf die Silberen
Nachdem wir nochmals einen Grünstreifen überquert haben, geht es über Felsrippen und -rinnen hinauf zum Gipfelplateau der Silberen (2319 m). Seit unserem Start sind fast drei Stunden vergangen. Das heißt, wir haben 20 Minuten mehr gebraucht als vor Ort angegeben ist und sogar eine Stunde länger als im Wanderführer steht. Haben wir so sehr getrödelt? Möglich. Vielleicht waren die Wanderführerschreiber aber auch nur auf den immerhin gut 770 Höhenmetern sehr flink unterwegs. Um so schöner ist es, sich auf einem der in der Sonne erwärmten Steine zu setzen und das mitgebrachte Vesper in dieser auch für die Schweiz einzigartigen Berglandschaft zu genießen.
Vom langen Aufstieg gut erholt lassen wir noch einmal unseren Blick nach Südosten über den Chratzerengrat zum Pfannenstock schweifen. Dann verlassen wir die Silberen auf demselben Weg und laufen zum weithin sichtbaren Denkmal der 1. Fliegerstaffel. Alternativ ist es möglich, das Gipfelplateau in südlicher Richtung zu verlassen. Um zum Pragelpass zurückzukommen, biegt man beim Punkt 2136 rechts nach Charental ab. Von dort geht es wahlweise über Butzen oder Zingel zum Pragelpass. Von der Entfernung ist die Variante ein klein wenig kürzer und wohl auch einfacher zu gehen als unsere Rundwanderung. Ein weiterer Unterschied zwischen unserer Tour und der Variante wird auf dem nächsten kurzen Abschnitt deutlich: während die nach Südwesten exponierten Hänge Mitte Juli nur vereinzelte, kleine Schneefetzen aufweisen, führt unser Abstieg auf der Nordostseite der Silberen bald über ein ausgedehntes Schneefeld.
Mit Sicht auf den ebenfalls schneebedeckten Rüchigrat kommen wir am Rand der offen liegenden Karrenfelder schließlich zu einem Hang, der sich mitten im Sommer bestens zum Rodeln eignen würden. Nur, dass wir mit normalen Wanderschuhen dort runter müssen. Was soll ich sagen? Ein paar Schritte gelingt das Unterfangen auf dem x-mal angetauten und wieder gefroreren Schnee. Dann rutscht Annette aus, landet trotz Stöcken auf dem Hosenboden und kommt erst am unteren Ende lachend wieder zu Stehen. Mit ergeht es ähnlich.
Der weitere Weg zur Silberenalp ist wiederum von artenreichen Grasmatten geprägt. Blühende Schlüsselblumen und junge Kaulquappen in einem kleinen Karstsee zeigen auch hier, dass die Natur hier oben einige Monate später dran ist als in den Tieflagen. Wen wundert es da, dass selbst der Frühlingsenzian erst im Sommer blüht? Nachdem wir noch ein Stück Richtung Bös Fulen laufen, biegen wir beim Wegweiser Silberenalp links ab. Damit wandern wir in etwa parallel zur Grenze nach Glarus, bleiben aber auf der Schwyzer Kantonsseite. Es ist uns eins, denn Bergwirtschaften fehlen auf beiden Seiten der Grenze und wir haben uns bei den Getränken verschätzt und Durst!
Pferde und Alpenblumen auf der Silberenalp
Egal, die Landschaft ist schön und eine plötzlich vor uns auftauchende Pferdeherde ein weiterer Höhepunkt dieser Wanderung. Leider stehen sie uns im Weg. Da wir nicht wissen, wie die Tiere auf uns reagieren, verlassen wir den Weg, um dann über eine Engstelle auf die nächste kleine Wiese zu kommen. Sekunden später wissen wir, wie sich die Pferde hier oben verhalten. Sie folgen uns einfach über den Weg durch die Lücke und überholen uns. Damit versperren sie ein zweites Mal unseren Weg, doch diesmal so, dass wir nicht drum herum laufen können. Zum Glück erweisen sich die Tiere als äußerst zutraulich.
Mit dem Glärnischfirn hinter uns und den Tälern von Firnbach und Rossmatter Chlü zu unserer Rechten kommen wir 20 Minuten nach der Begegnung mit den Pferden und 19 Minuten nach der Begegnung mit einer Kuh zu einer verschlossenen Hütte. Ein Blick ins Innere verrät, dass sich hier jemand ein richtig lauschiges Plätzchen für ruhige Stunden geschaffen hat. Und dabei hat er auch an durstige Wanderer gedacht. So befinden sich bei der Hütte Sitzmöglichkeiten und ein Brunnen. Wir überlegen zwar kurz, ob man das Wasser trinken kann. Als ein nettes Wandererpaar aus Zürich seine Wasserflaschen wieder auffüllt, nutzen auch wir den Brunnen, um den schlimmsten Durst zu löschen.
Bestens gelaunt folgen wir ihnen (nur etwas langsamer) über den bequem zu laufenden Bergweg auf die Nordseite der Silberen zum Wegweiser oberhalb Alpeli. Dort halten wir uns links, sodass wie zwischen einem Matschloch und dem Hang die Berghütte Alpeli auf der Bergseite passieren. Oder auch nicht passieren. Denn auf Höhe der Hütte winken uns mehrere Leute von der Terrasse aus zu. Neugierig kommen wir näher. Sogleich werden wir nicht nur von dem uns bekannten Paar, sondern auch den Inhabern der Hütte freudig empfangen. Ob wir auch einen Kaffee möchten?
Eigentlich verzichten wir in den Bergen darauf und möchten außerdem bald weiter. Nachdem wir so nett empfangen wurden, wäre es jedoch unfreundlich, die Einladung abzulehnen. Also setzen wir uns. Wenig später werden zwei frische Tassen gebracht und können wir das bereits auf dem Tisch stehende heiße Wasser über je einen Löffel voll Instant-Kaffee gießen. Als ein anderer Besucher fragt, ob er nicht ein Bier bekommen könne, ist auch das kein Problem. Wir verzichten. Schließlich ist es mühsam genug, die Sachen hier herauf zu fahren. Da wollen der Familie nichts wegtrinken.
Erst als ein anderer Gast für sein Bier bezahlt, ahnen wir, dass wir wohl doch nicht so ganz eingeladen sind. Zu spät. Wenig später legen wir für zwei Löffel Instant-Kaffeepulver und heißes Wasser ungefähr den Betrag hin, den wir bei einer Wanderung auf den Mythen für zwei halbe Liter Apfelsaftschorle bezahlt hatten - und die wurden mit dem Heli hoch zum Gipfel geflogen. Nun gut, man lernt nie aus. Und bis zurück zum Pragelpass ist es noch eine gute Stunde. Das reicht dicke, um den kleinen Ärger über die Bauernfalle zu verdauen und letzte schöne Eindrücke von der herrlichen Landschaft um uns herum zu sammeln, sodass wir auf der Passhöhe doch mit den guten Gefühl ankommen, einen richtig schönen Wandertag in den Alpen verbracht zu haben.
Die Anfahrt zum Ausgangspunkt ist von Glarus aus nur Montag bis Freitag möglich. Samstag und Sonntag ist die Straße hoch zum Pragelpass gesperrt. Die Anfahrt erfolgt am Wochenende daher über die A4, Ausfahrt 39 Schwyz in Richtung Muotathal. Nach Muotathal auf der Straße geradeaus weiter, vorbei an der Talstation der Stoosbahn und immer weiter bergauf über eine enge Straße bis zum Pragelpass.
Ausgangspunkt | Pragelpass |
Koordinaten | N 46.9991, E 8.8695 |
Gehzeit | 6 Stunden |
Distanz | 13 km |
An-/Abstiege | rund 1.000 m |
Grad | T2-3 (Trittsicherheit auf dem Karst) |
Einkehr | Auf der Strecke bestehen keine Möglichkeiten zur Einkehr. Vorsicht vor der Kaffeefalle! |
Beschilderung | Ab dem Pragelpass den Wegweisern immer Richtung Silberen folgen. Der Rückweg erfolgt über Silberenalp zum Pragelpass. |
GPS-Daten | Wanderung Silberen gpx |
KML-Daten | Wanderung Silberen kml |