Zwischen dem Mattstock und dem Tanzboden gelegen ist der Speer bei sonnigem Wetter einer der schönsten Aussichtsberge zwischen dem Walensee und Zürichsee. Doch auch an trüben Tagen hat die Wanderung einiges zu bieten. So konnten wir uns bei zunächst bewölktem Himmel über reiche Bestände an Rispen-Eisenhut und Schwalbenwurz-Enzian erfreuen, eh uns wenige Schritte von der Aussichtskanzel Speer entfernt eine Überraschung erwartete.
Rundwanderung ab Amden oberhalb des Walensees auf den Speer. Aufnahmen von Steinböcken in der Ostschweiz.
Startpunkt dieser Wanderung sind der Parkplatz und die Haltestelle Amden-Post. Von hier folgen wir den Schildern nach links bzw. auf der Durschlegistrasse nach Durschlegi. Damit verlassen wir bald den Ortskern von Amden. Nachdem wir einen großen Spielplatz passiert haben, überqueren wir in einem schmalen Waldstreifen den Rombach. Anschließend führt die auch von Fahrzeugen genutzte Straße bergauf über Roma und Mittenwald zum 2,2 Kilometer entfernten Durschlegi.
Bei dem beliebten Aussichtspunkt und Ausflugsziel biegen wir in Richtung Blaggenboden ab. Auf dem Weg dorthin passieren wir eine Scherstörung. Es ist eine tief eingeschnittene Runse, welche die Gesteinsabfolge des Durschlegibergs zerschert. Im unteren Bereich der Scherstörung kann man dunkel anwitternden Kieselkalk sehen. Wer sich unter all dem nichts vorstellen kann: direkt neben dem Weg geht es wie mit einem Keil in den Berg geschlagen, steil nach unten.
Nach der Scherstörung führt uns der Wanderweg durch den in vielen Bereichen lichten Sitenwald. Neben dem im Herbst reichlich blühenden Rispen-Eisenhut zieht eine klaffende Wunde im Berg unsere Aufmerksamkeit auf sich. Es ist ein immer noch überdeutlich zu sehender Erdrutsch, der sich Ende Mai 1999 nach heftigen Niederschlägen ereignete. Dabei rutschten auf der Alp Fliwald 84.000 Kubikmeter Schutt und Boden ab.
Als Grund für die Naturkatastrophe erklärt eine Tafel vor Ort, dass der Winter 1998/99 sehr nass war und gewaltige Schneemassen brachte, die bis im Mai liegen blieben. Als diese dann, begleitet von heftigen Regengüssen binnen weniger Wochen schmolzen, wurde der Hang so instabil, dass er sich schließlich in Bewegung setzte. Insgesamt gerieten 130.000 Kubikmeter in Bewegung, von denen sich 70.000 im Flibach und 20.000 im Walensee ablagerten.
Nachdem wir bereits einen Weg mit dem Hinweis »Achtung Mutterkühe« passiert haben, biegen wir beim Blaggenboden rechts ab. Alternativ kann man auch noch ein Stück weiter laufen und erst den nächsten Abzweig zur Alp Oberchäseren nutzen. Der Weg ist dann breiter und im Frühjahr, nach der Schneeschmelze, sicher besser zu begehen als die von uns gewählte Variante hoch nach Hintermatt.
So wandern wir vom Blaggenboden in mehreren Kurven bergauf zu einer Alp mit einem Viehstall, werden dort von zwei Hunden begrüßt und kommen schließlich in einen Bereich, der leider frisch mit Gülle bestreut wurde. Einzig die Aussicht entschädigt uns für den stellenweise aufdringlichen Gestank. Zum Glück aber dauert es nicht lange, bis wir wieder reinere Bergluft einatmen können, sodass wir dann doch direkt beim großen Stall von Hintermatt eine erste Pause mit direktem Blick auf die Nordwestseite vom Mattstock genießen können.
Gut gestärkt folgen wir von Hintermatt dem Bergweg nach Saumchengel. Auf dem Weg dorthin treffen wir nach 15 Minuten auf den Wanderweg von Unterchäseren. Damit haben wir erstmals eine schöne Sicht nicht nur auf den Mattstock, sondern außerdem auf die Südostflanke vom Speer. Weiter geht es bergauf durch einen Hohlweg hinauf zur Alp Oberchäseren. Wer mag, kann hier bereits die nächste Pause einlegen. Wir aber biegen bei der Alp links ab und steigen zunächst hoch zur Aussichtskanzel Speer.
War die Landschaft bisher durch den Wechsel von offenen Wiesen und lichten Wäldern geprägt, kommen wir nun durch eine nahezu baumlose Gegend. Nur niedrige Fichten und Tannen können sich auf den Weiden und Matten unterhalb vom Speer behaupten. Später erfahren wir, dass die Schweizer Braunvieh-Rinder, die hier aufwachsen, das Gras von vier Gemeinden fressen. Denn auf engen Raum grenzen hier die Gemeinden Weesen, Amden, Schänis und Nesslau aneinander.
Leider zieht trotz bester Wettervorhersage Nebel auf, als wir den Fliegenspitz - eine Kuppe direkt südlich vom Speer - passieren. So sehen wir auf halben Weg von der Oberchäserenalp zum Speer, wie der Gipfel immer wieder hinter Wolken verschwindet. Noch aber geben wir die Hoffnung auf eine schöne Aussicht nicht auf. Denn schauen wir hinab zum Walensee, sehen wir immer noch einige wolkenlose Abschnitte.
Wenige Schritte oberhalb vom Fliegenspitz passieren wir den Wegweiser Stelli (1775 m). Wer auf dem Toggenburger Höhenweg unterwegs ist, muss hier rechts Richtung Tanzboden abbiegen. Wir jedoch bleiben auf dem stellenweise steilen und mit Eisen gesicherten Bergweg. Nach vier Stunden ab Amden (inklusive Pausen) erreichen wir schließlich die Aussichtskanzel Speer. Oder auch die Nicht-Aussichtskanzel Speer; denn leider versperrt uns dichter Hochnebel die Sicht nach Norden und Osten. Auch der obere Bereich vom Mattstock verbirgt sich hinter Wolken.
Und doch haben wir mehr Glück als eine Männergruppe, die von Norden auf den Speer gestiegen ist. Denn während wir bereits einige sonnige Momente erleben durften, waren sie die ganze Zeit im Nebel unterwegs.
Während andere Wanderer den Gipfel schon bald wieder verlassen, entscheiden wir uns für eine ausgedehnte Pause. Damit bleibt uns reichlich Zeit, die Infotafeln auf der gut ausgebauten Kanzel zu studieren. So erfahren wir, dass der Speer mit 1950 m Höhe der höchste Molasseberg in den Alpen ist. Verglichen mit dem weltweit höchsten Molasseberg, dem Kailas in Tibet (6714 m) ist er hingegen nur ein Zwerg. Auch die umliegenden Molasseberge und Schüttungen werden auf den Tafeln erläutert. Einzig zu erkennen sind sie nicht.
Nach einer knappen Stunde zahlt sich unser Warten aus. So reißt der Strom feuchter Luft endlich ab und gewinnt die Sonne zusehends die Oberhand. So können wir doch noch den erwarteten Ausblick auf die umliegenden Berge genießen, eh wir wieder zur Alp Oberchäseren absteigen. Zuvor aber erwartet uns ein besonderes Highlight: es sind ein paar Steinböcke, die sich auf dem Grat südwestlich vom Kleinen Speer geduldig von den Wanderern aus nächster Nähe beobachten lassen.
Bei zunehmend besserem Wetter brauchen wir für den Abstieg zur Alp Oberchäseren 45 Minuten. Inbegriffen einiger Minuten, die wir auf halber Höhe mit der Suche nach Murmeltieren verbracht haben. Es bleibt beim Hören der seltenen und auf felsigem Boden nur schwierig zu sehenden Tiere. Umso einfacher ist es dafür, die hier oben in reichlicher Zahl blühenden Silberdisteln zu fotografieren. Auch entdecken wir mehrere Enzian-Arten und erfreuen uns an den hellen Blüten des Großen Augentrosts.
Die Alp Oberchäseren selbst ist der ideale Ort für eine Mittagspause. Wie der Speer kann auch die Wirtschaft auf eine lange touristische Entwicklung zurückblicken. So stiegen schon Mitte des 19. Jahrhunderts Wanderer auf den Speer und gab es das Restaurant bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da alle Zutaten und Getränke entweder selbst hergestellt werden oder aber per Hubschrauber auf die Alp Oberchäseren gebracht werden, ist die Menükarte natürlich einfach gehalten. Die Suppe aber können wir neben der Spezialität der Küche, die Älplermagronen (auf Vorbestellung), jedem nur wärmstens empfehlen.
Von der Alp Oberchäseren führt uns der Rückweg über den Toggenburger Höhenweg in Richtung Hinterhöhi und Niederschlagwald. Damit laufen wir quasi um den Mattstock drum herum, womit wir auf der schattigen Nordseite des Bergs neben großen Schuttfächern sogar noch Schneereste aus dem letzten Winter entdecken.
Über einen Bergpfad kommen wir durch das idyllische Tal der Mättler Höhi nach Vordermatt. An vielen Stellen ist der Untergrund etwas rutschig. Das ist kein Wunder. Denn während der letzten Eiszeit war der Einschnitt vom Wiss-Thur-Gletscher bedeckt. Als dieser vor 13.000 Jahren schmolz, hinterließ er einen Moränenwall. Auch von der Mattstock-Platte brechen ständig Stücke ab, sodass in dem Tälchen überall verstreut Steine und Felsbrocken liegen.
Von Vordermatt führt der Weg auf die Ostseite vom Mattstock, sodass der Raaberg als östlicher Gipfel der Mattstock-Platte, der Gulmen und schließlich der Leistchamm ins Bild rücken. Beim Wegweiser Hinter Höhi wechseln wir vom Toggenburger Höhenweg auf den Ammler Höhenweg, dem wir weiter in Richtung Amden folgen.
Für den Abstieg nach Amden gibt es mehrere Möglichkeiten. Die leichteste ist, bis zur Bergstation der Sportbahnen zu laufen und mit dem Sessellift zur Talstation zu fahren. Wer will, kann dies mit einer weiteren Einkehr im Bergrestaurant Walau (direkt beim Lift) verbinden oder aus eigener Kraft über die Alp Walau und Niederschlag nach Amden wandern.
Da wir diese Variante schon kennen, verlassen wir beim Wegweiser Gäudig den befahrbaren Wanderweg Richtung Holzli und Amden Post (55 Min.) und wählen die nur wenig begangene Variante über Fallen. Damit müssen wir auf den nächsten Metern rätseln, wo überhaupt der Weg verläuft. Schließlich aber finden wir rechts von uns die nächsten Wandermarkierungen und, wenige Schritte bergab, im Bereich einer Tannengruppe auch wieder einen gut erkennbaren Pfad.
Bei nasser Witterung können wir diese Variante nicht empfehlen, da der Pfad bald in sumpfiges Gelände führt und mehrere Gräben kreuzt. Wenn es einigermaßen trocken ist, hat diese Strecke aber durchaus ihren Reiz. So entdecken wir einen Bergmolch, spazieren durch saftig-grüne Wiesen und kommen dann schließlich über eine höchst seltsame Wegführung durch die Wohngebiete von Amden bei der Talstation der Sportbahnen an. Von dort sind es 200 Meter zum Ausgangspunkt Amden-Post, wo diese schöne Tageswanderung endet.
Die Anfahrt zur Wanderung auf den Speer erfolgt über die A3 Zürich - Chur. Bei Weesen bzw. Ausfahrt 45 abfahren und der Beschilderung nach Amden folgen. Entlang der Hauptstraße gibt es mehrere kleine Parkplätze. Diese sind gebührenpflichtig, aber dafür auch mit sanitären Anlagen ausgestattet. und der Beschilderung über die Bergstraße nach Amden folgen. Parkmöglichkeiten bestehen gegenüber der Haltestelle Amden-Post.
Ausgangspunkt | Amden Pst (909 m) |
Koordinaten | N 47.1493, E 9.1412 |
Gehzeit | 7 Stunden |
Distanz | 17 km |
An-/Abstiege | rund 1100 m |
Grad | T2-3, gute Kondition erforderlich |
Einkehr | Alpwirtschaft Oberchäseren |
Beschilderung | Ab Amden Post den Wegweisern über Durschlegi in Richtung Speer folgen. Der Rückweg erfolgt über Hinter Höhi um den Mattstock herum, dann Richtung Amden bzw. Amden Post. |
GPS-Daten | Wanderung Amden Speer gpx |
KML-Daten | Wanderung Amden Speer kml |