Unser erster Ausflugstipp für Helsinki ist Seurasaari. Die Insel in der Meeresbucht Seurasaarenselkä ist bereits seit dem späten 19. Jahrhundert ein beliebtes Naherholungsgebiet der Stadtbewohner. Dennoch ist das früher als Weideland genutzte Kleinod unbewohnt, sodass sie heute von Wäldern und Granitfelsen geprägt ist. Unser Ziel ist das Freilichtmuseum auf der Insel, das seinen Besuchern einen Einblick in die die finnische Bau- und Wohnkultur sowie Lebensweise vorstellt.
Direkt nach dem Einchecken im Hotel brechen wir wieder auf. Auf dem Spaziergang vom Hafen ins Zentrum hat unser GPS-Gerät inzwischen genug Satelliten geortet. Somit finden wir direkt zur nächsten Haltestelle der Linie 24. Sie fährt direkt bis zur Insel Seurasaari. Die Fahrt dauert eine gute halbe Stunde. Wir nutzen die Zeit, um uns einen ersten Überblick über die Innenstadt Helsinkis mit ihren vielen Jugendstilbauten zu verschaffen. Im Sommer kann man alternativ mit dem Boot über die Meeresbucht Seurasaarenselkä direkt zur Museumsinsel Seurasaari übersetzen.
Die Bushaltestelle Seurasaari befindet sich auf dem Festland im Stadtteil Meilahti. Von dort sind es ein paar Schritte bis zur 200 Meter langen Holzbrücke, die rüber zur Insel führt. Obwohl wir für unseren Ausflug wunderschönes Wetter erwischt haben, treffen wir auf dem Weg ins Naherholungsgebiet nur wenige andere Spaziergänger. Fast scheint es, als seien die Finnen von dem warmen Wetter überrascht worden. Denn später werden wir bei der Suche nach einem Café auf der Insel keinen Erfolg haben. Bevor wir vorm geschlossenen Antin Kaffeeliiteri stehen, schauen wir uns aber erst einmal das Freilichtmuseum von Helsinki an.
Auf Seurasaari angekommen laufen wir beinahe am kleinen Kassenhaus vom Freilichtmuseum vorbei. Das ist allerdings auch keine allzu große Kunst. Denn zum einen nutzen viele Ausflügler die Insel nur für Spaziergänge oder zum Joggen. Zum anderen steht das Kassenhäusle wohl auch deswegen etwas abseits am Hauptweg.
Zudem sorgt ein Eichhörnchen für Ablenkung. Dass es auf der Insel handzahme Eichhörnchen gibt, hatten wir zwar gelesen. Aber wer rechnet schon damit, den ersten putzigen Nager schon beim Eingang der Insel zu entdecken? Damit geht unser Blick in die andere Richtung, sodass wir wenige Schritte weiter umkehren dürfen.
Mit den Eintrittskarten in der Tasche fragen wir uns etwas später, wozu wir diese überhaupt brauchen? Denn einige der 87 Gebäude können wir uns anschauen, ohne dass jemand danach fragt. Solange man sich die Gebäude nur von außen anschauen möchte, kann man tatsächlich gut darauf verzichten und sich das Geld sparen. Denn durch das Freilichtmuseum führen mehrere öffentliche Wege. Erst, als wir in einen der alten Höfe eintreten, kontrolliert uns eine junge Finnin. Allerdings fragt sie nicht nach den Tickets, sondern schaut nur nach den Punkten, die uns bei der Kasse auf die Jacke geklebt wurden.
Mit Seurasaari hätten die Finnen übrigens keinen besseren Ort so nahe an der Hauptstadt finden können. Denn bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gehörte die Insel zum Gutshof Meilahti. Auf die landwirtschaftliche Vergangenheit deutet auch der schwedische Name: Fölisön, die Fohleninsel. Erst als sich die Insel bereits zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt hatte, wurde sie von den Finnen Seurasaari (Gesellschaftsinsel) genannt.
1889 pachtete die Stadt Helsinki Seurasaari und übergab die Insel der gemeinnützigen Ausschankgesellschaft Helsinki. Diese ließ 1891/92 die Brücke aus Stämmen bauen, die von einem Sturm zu Fall gebracht worden waren. Das Freilichtmuseum wurde 1909 gegründet, als der Maler Akseli Gallen-Kallela und der Architekt Yrje Blomstedt den vom Abriss bedrohten Kleinpachthof Nummela vom mittelfinnischen Konginkangas nach Seurasaari verlegten. In den nächsten Jahren wurden einige Bauernhöfe und deren Nebengebäude auf die Insel verfrachtet und Seurasaari nach dem Vorbild des Freilichtmuseums Skansen bei Stockholm gestaltet.
Nachdem wir uns das Außengebäude der Sippola Farm und die Kurssi Farm angeschaut haben, kommen wir zu einer Reihe typisch finnischer Lager- und Wirtschaftsgebäude. Sehr schön in die Landschaft von Seurasaari integriert ist ein Heuschober mit Lehmboden der Itäkivi Farm vom See Pulmankijärvi in Lappland. Dass das Gebäude in seinem Aufbau einem kleinen Haus ähnelt, hat seinen Grund. Denn während der Heuernte diente es den Arbeitern als Wohnung.
Ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammt die Windmühle. Als Besonderheit dreht sich der obere Teil der Mühle vertikal um einen Holm, was anscheinend dem Schwanz einer Elster ähnelt. Daher wird diese Bauweise auch Elster-Mühle genannt. Die Segel können dabei so gesetzt werden, dass sie sich sowohl mit als auch gegen den Wind drehen.
Das auffallendste und zugleich älteste Gebäude im Freilichtmuseum ist jedoch die Holzkirche von Karuna. Sie wurde im Jahr 1686 fertiggestellt und, nachdem sie in Karuna durch eine Steinkirche ersetzt wurde, 1912 nach Seurasaari gebracht. Bei Restaurierungen hat sich die äußere Gestalt der Kirche mehrmals geändert. So stammen die Wetterfahnen auf dem Dach aus den Jahren 1773/74, als die Kirche ein Schindeldach bekam. Etwas älter ist der Kirchenturm aus dem Jahr 1767.
Weit interessanter finden wir jedoch die Innenausstattung der Kirche von Karuna. So hängen an den Wänden Armleuchter, die wie Arme aussehen, und wurde im hinteren Teil vom Kirchenschiff das Modell eines Segelschiffs aufgehängt. Auf dem Friedhof vor der Kirche wurde übrigens der Gründer des Freilichtmuseums, Axel Olai Heikel, und seine Frau Maria beerdigt.
Wenige Meter von der Holzkirche entfernt befinden sich die Gebäude des Pachthofs Niemelä. Sie sind das erste Ensemble, das ins Freilichtmuseum gebracht wurde. Zuvor war der Hof dem Architekten Yrjö Blomstedt und dem Künstler Akseli Gallen-Kallela am Keitelesee in der Gegend von Konginkangas aufgefallen. Gleich danach begann Axel Olai Heikel damit, den Transport der Farm nach Seurasaari zu planen. Dies war zugleich die Geburtsstunde des Freilichtmuseums.
Uns ermöglicht die Niemelä Farm heute einen guten Einblick in das Leben des 17. Jahrhunderts. In den ersten Jahren lebten die Eigentümer des Hofs in einer Sauna, die sie 1786 fertiggestellt hatten. Im Jahr 1844 wurde das Rauchhaus gebaut, welches die Sauna ersetzte. Kennzeichnend für das Rauchhaus ist der fehlende Schornstein.
Damit kam der Rauch aus Öffnungen des Ofens und blieb eine Weile im Raum, bevor er durch einen Holztrichter auf dem Dach entwich. Ein Vorteil war, dass der Rauch Ungeziefer, Bakterien und Schimmelpilze abtötete, sodass das Holz viele Jahre lang hielt. Auf der Schattenseite litt darunter die Gesundheit der Frauen, die im Rauchhaus arbeiteten.
Neben dem Haupthaus gehören mehrere Lagerhäuser und Viehställe, ein Dreschgebäude und die Küche zum Pachthof Niemäle. Dabei zeigt die Anzahl der Gebäude, dass es um den Hof ziemlich gut gestellt war. Als zweiter kompletter Hof befindet sich der Hof Antti aus Säkylä im Westen von Finnland auf der Insel. Wir aber spazieren zu einem Bootshaus mit sogenannten Kirchenbooten. Die Bezeichnung ist Programm. Denn weil viele Kirchen nahe am Wasser errichtet wurden, besaßen die Farmen auf den Dörfern gemeinschaftliche Boote, mit denen sie im Sommer zum Gottesdienst fuhren. Wie gut das Angebot im 19. Jahrhundert angenommen wurde, zeigt das Kirchenboot von Virrat, das mehr als 100 Passagieren Platz bietet.
Zu den weiteren besonderen Gebäuden im Freilichtmuseum gehören der Gutshof Kahiluoto, die Bauernhäuser Kurssi aus Kuortane, Halla aus Hyrynsalmi, Selkämä aus Pieksämäki und Ivars aus Närpes. So unterschiedlich sie in ihrer Bauweise und Ausstattung auch sein mögen, eines haben sie alle gemeinsam: als Nicht-Finnen können wir uns ihre Namen unmöglich merken. So verlassen wir das Museum nach einem ausgedehnten Rundgang wieder, um uns den Rest von Seurasaari anzuschauen.
Da sich das Freilichtmuseum mehr im Osten der Insel befindet, sind es nur ein paar Meter bis zur Meeresbucht Seurasaarenselkä. Allzu spannend ist die Sicht von hier an den Westrand von Helsinki allerdings nicht, sodass wir bald dem Spaziergang in den Süden von Seurasaari folgen. Schön finden wir, dass die Insel trotz ihrer attraktiven Lage bis heute unbewohnt blieb. So wird sie noch immer von den abgerundeten Granitfelsen und Wäldern geprägt, die es hier schon im 19. Jahrhundert gab.
Nachdem wir einen kleinen See mit Reiher- und Stockenten passiert haben, erreichen wir die Südküste. Auf dieser Seite ist der Blick über das Meer herrlich. Da trotz des schönen Wetters noch immer kaum Fußgänger auf Seurasaari unterwegs sind, können wir die traumhafte Landschaft und die leichte Brise, die über die Ostsee weht, in Ruhe genießen.
Das einzige, was wir als etwas störend empfinden, ist ein Pavillon. Er wurde in Schiffsform direkt an der Küste errichtet. Wozu er gebraucht wird, sehen wir nicht. Wohl aber befinden sich in seinem Inneren Merkblätter, die auf einen religiösen Zweck hinweisen. Damit also werden Kirchen in Finnland auch heute noch in der Nähe vom Wasser gebaut.
Wenn man mehrere Tage in Helsinki verbringt, lohnt sich die Insel durchaus für einen längeren Aufenthalt. So laden neben dem Parkgelände zwei Strände zum Verweilen ein. Zudem finden auf Seurasaari alljährlich mehrere Feste, allen voran das Mittsommerfest, statt. Glauben wir unserem Reiseführer, sollte außerdem das Café Antin Kaffeliiteri im Sommer während der Öffnungszeiten des Museums Kaffee, Tee, kalte Getränke und selbstgebackenes Gebäck anbieten. Gerne würden wir dieses Angebot annehmen. Leider aber finden wir das Café verlassen vor, weshalb wir unser Glück auf dem Festland versuchen.