Eine kuriose Ankunft erleben wir, bereits bevor wir nach Lugo fahren, am Flughafen von Santiago de Compostela. Denn obwohl wir auf Palma gesehen haben, wie unsere Koffer zum Flieger gebracht wurden, warten wir vergebens auf unser Gepäck. Erst als das Gepäckband still steht, erfahren wir an, dass unsere Koffer sehr wahrscheinlich in der benachbarten Halle, auf dem Band der internationalen Flüge, auf uns wartet. International heißt in dem Fall, nicht EU. Dass die Schweiz dem Schengen-Abkommen für freies Reisen innerhalb Europa längst beigetreten ist, spielt keine Rolle. Wir müssen durch den Zoll, wo unsere Pässe gescannt werden.
Stadtrundgang durch Lugo
Rund anderthalb Stunden später erreichen wir Lugo, wo wir nach der Ankunft im Hotel Ciudad auch gleich wieder aufbrechen, um die Altstadt zu erkunden. Besser gesagt: um die malerische Altstadt zu erkunden. Wobei sich die lange Anreise für mich als Vorteil herausstellt. So spazieren wir an mehreren Schuhgeschäften vorbei, ohne dass es eine meiner drei Begleiterinnen (Annette, ihre Mama und eine Freundin ihrer Mama) bemerkt. Merken müssen wir hingegen bald, dass das Wetter in Galicien alles andere als warm ist. So kehrt Annette bald zum Hotel zurück, um unsere Jacken zu holen - und das mitten im Mai!
Nach dem kurzen Abstecher zurück ins Hotel entscheiden wir uns, die Altstadt zunächst auf der Stadtmauer von Lugo zu umrunden. Der »Römerring« war einst Teil einer aufwendigen Wehranlage aus Gräben, Mauern und einem Intervallum, dem Raum dazwischen.
Errichtet wurde die durchgängig begehbare Stadtmauer ab dem Jahr 263. Mit dem Bollwerk sicherten die Römer nicht nur die von den Kelten gegründete Stadt gegen Angreifer ab, sondern ermöglichten auch, sich über die gesamte Provinz Galicien auszubreiten.
Allerdings hilft das beste Bollwerk nichts, wenn jemand die Tür offen lässt. So gelang es den Sueben im Jahr 460, in die Stadt einzudringen, als die Bürger wegen des Osterfestes die Stadttore offen gelassen hatten. Danach gaben sich die Herrscher in Lugo die Klinke in die Hand.
Nachdem die Sueben von den Westgoten vertrieben worden waren, plünderten die Mauren die Stadt im Jahr 714. Alfonso I. gelang es 755, Lugo zurückzuerobern, eh die Normannen die Festung während ihres Zugs ans Mittelmeer belagerten und 968 einnahmen.
Auf der Stadtmauer von Lugo
Nachdem sich die christlichen Bürger unter König Alfonso VIII. (1155-1214) wieder sicher fühlten und glaubten, keine weiteren Angriffe mehr erdulden zu müssen, gelang es abermals maurischen Truppen, die bis zu sieben Meter dicken Mauern zu überwinden. Trotz der vielen Kämpfe besitzt Lugo heute die einzige, vollständig erhaltene Stadtmauer aus der Zeit des Römischen Reichs.
Allerdings hat sich die Zahl der Stadttore von ursprünglich fünf auf zehn verdoppelt. Auch wurden im 16. Jahrhundert Stücke der Mauer durch Häuser ersetzt. 1921 wurde die Stadtmauer schließlich zum Nationalen Monument erklärt, womit sie nicht weiter verändert werden durfte. 50 Jahre später entfernte man jedoch neuere Gebäude, um den Charakter der römischen Verteidigungsanlage zu stärken.
Start der Pilgerreise
Nach 2200 Metern haben wir die Stadtmauer von Lugo bei der Puerta de San Pedro, dem mächtigen Tor des Heiligen Petrus, endlich umrundet. Damit ist Zeit, sich in den Gassen der gut 34 Hektar großen Fläche innerhalb der Mauer umzuschauen.
Mit dem Tor im Rücken spazieren wir über die Rúa de Calvo Soleta zum Praza Maior, dem Hauptplatz von Lugo. Während auf dem Platz etliche Spatzen zwitschern und Künstler ihre Werke anbieten, laden rund herum Cafés und Restaurants zum Verweilen ein.
Als Nächstes fällt mir auf, dass es neben der hohen Dichte an Schuhgeschäften auch einige Apotheken sowie mehrere Süßigkeitenläden und Weinschänken gibt. Ob das was damit zu tun hat, dass einer der wichtigsten Pilgerwege nach Santiago de Compostela mitten durch Lugo führt?
Unser nächstes Ziel ist jedoch die Kathedrale von Lugo an der Plaza Santa Maria. Auch wenn die Kirche ab 1129 zunächst im spätromanischen Stil errichtet wurde, entdecken wir auch gotische und barocke Elemente. Die im 18. Jahrhundert geschaffene Fassade ist schließlich dem Klassizismus zuzuordnen.
Im Bereich der Kathedrale entdecken wir unter einer Glassscheibe weitere, bauliche Zeugnisse aus der römischen Epoche. Es sind Mosaike, die auf das vierte Jahrhundert nach Christus datiert werden und die Ähnlichkeiten zu christlichen Mosaiken aufweisen, die in Afrika gefunden wurden.
Es wird vermutet, dass es sich um Reste einer frühchristlichen Taufkapelle handelt. Die Archäologen halten es jedoch auch für denkbar, dass die Mosaiken Teil eines Thermalbads oder kleinen häuslichen Bads sein können. Ob dies je geklärt werden kann, ist fraglich. Denn allzu viel ist nicht zu sehen.
Besuch einer Pulperia in Lugo
Nachdem wir einen Abstecher zur Plaza de Campo und ihren hübsch anzusehenden Springbrunnen unternommen haben, lassen wir den ersten Tag im Restaurante O Candil Do Cantiño ausklingen. Wie es sich für Pilger gehört, wählen wir damit eine Pulperia. Und weil auch das dazu gehört, bestellen wir Pulpo. Nun ja, nur die Mutigen unter uns tun das.
Denn Pulpo bedeutet Kraken und sollte auf keinen Fall mit Calamares, Tintenfisch, verwechselt werden. Es ist ja nicht so, dass es nicht schmeckt. Aber es wird sehr ölig zubereitet und stellt einem schon nach wenigen Bissen den Appetit ab. Damit wissen wir dann auch, warum dieses preisgünstige Gericht bei Pilgern gerne genommen wird. Ich empfehle den Seehecht.
Eindrücke von Lugo, der Stadt, von der es noch genau 100 km auf dem Jakobsweg bis zur Kathedrale in Santiago de Compostela sind, Rundgang auf der sehr gut erhaltenen Stadtmauer.
Das Hotel Ciudad de Lugo ist durch seine Lage nahe der Altstadt ein idealer Ausgangspunkt für Spaziergänge durch das historische Zentrum. Da es über nur wenige Zimmer verfügt und etwas abseits der stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen von Lugo liegt, erleben wir außerdem einen angenehm ruhigen Aufenthalt, sodass wir nach der langen Anreise über Mallorca gut ausschlafen können. So haben wir in Lugo den perfekten Start für unsere Pilgerreise.
Die Zimmer sind modern und freundlich eingerichtet, wobei ein Teil der Zimmer über eine Küche mit angeschlossenem Aufenthaltsbereich verfügt. Insgesamt macht alles einen ordentlichen und - ganz wichtig - sauberen Eindruck. So sorgen einige Deckenstrahler für ein warmes Licht und wirkt das Bad sehr gut gepflegt, wenn nicht gar neu.
Das für spanische Verhältnisse reichhaltige Frühstück wird in der dem Ciudad angeschlossenen Cafeteria serviert bzw. als Büfett bereitgestellt. Dazu gehören Serrano-Schinken, zweierlei Salami, Käse, Marmelade und Joghurt sowie Brötchen, süße Teilchen und Croissants. Dazu gibt es frisch gepressten Orangensaft, heißen Kakao mit Milch und natürlich Kaffee. Sich vor der ersten längeren Etappe ausreichend zu stärken, sollte damit für jeden Pilger gut möglich sein.