Am Abend bietet uns Samit die Möglichkeit, zu einem ausgesuchten Restaurant mit Tanz und Musik zu fahren. Da wir etwas Ähnliches jedoch schon beim Dinner Cruise in Bangkok hatten, verzichten wir darauf, nutzen aber sein zweites Angebot, uns mit dem kleinen Reisebus bis ins Zentrum von Siem Reap fahren zu lassen.
In der Stadt selbst ist es duster, die meisten Fahrzeuge - vor allem Zweiräder - verkehren mit nur unzureichender oder auch gar keiner Beleuchtung auf den Straßen. Dafür aber fahren alle sehr langsam, sodass gefährliche Situationen kaum entstehen und wir uns selbst als Fußgänger sicher fühlen. Alles wirkt recht schmuddelig. Den knöcheltiefen Staub, von dem wir vor der Reise gelesen hatten, können wir jedoch nirgends entdecken.
Nach kurzer Orientierung beschließen wir, die Straße einfach schnurstracks weiter zu laufen, um uns dann irgendwie zum Old Market durchzufragen. Stattdessen landen wir nach ein paar Minuten zunächst beim Nachtmarkt Siem Reaps. Hin und wieder versuchen die Verkäufer, uns an ihre Stände zu locken und T-Shirts, Tücher oder einfach nur Stoffe an den Mann zu bringen. Souvenirs und touristischer Kitsch finden sich natürlich auch im Angebot. Bedrängt fühlen wir uns aber selbst hier nicht. Im Gegenteil, führt uns einer der Verkäufer sogar zum nächsten Polizisten, damit er uns den Weg zum Old Market erklärt.
Nach einigen Metern kommen wir erstmals am touristischen Zentrum Siem Reaps vorbei und finden wenig später endlich zum Old Market. Leider ist dieser längst geschlossen und so gibt es hinter ein paar wenigen geöffneten Ständen entlang der Straße nur enge, dunkle Gassen, die zwischen den zu dieser Stunde verlassenen Marktständen ins schwarze Innere der alten Halle führen.
Also zurück zur belebten Tourimeile. Neben zwei Banken kommen wir an einigen Restaurants und lauten Bars vorbei. Leider begegnen wir aber auch einem Vierjährigen, den seine Eltern mit seinem erst wenige Monate alten Geschwisterle im Arm sowie einer leeren Milchflasche auf die Straße zum Betteln geschickt haben. Als er merkt, dass er mit seinem »give me some money, so I can buy milk« keinen Erfolg erntet, ruft er uns schließlich »F*** you! F*** you!« nach, bevor er uns hinterherspuckt...
Am nächsten Tag berichten uns unsere Mitreisenden schließlich, dass sich der Old Market auch tagsüber nicht lohne. Leere Milchflaschen gehören beim Betteln übrigens zur Standardausrüstung. Denn diese haben wir dafür, dass es in Siem Reap kaum noch Bettler gibt, erstaunlich oft gesehen.
Bereits vor der Fahrt zum Nachtmarkt ging es zunächst ins Zentrum von Siem Reap zum Princess Angkor Hotel. Nach dem raschen Einchecken nehmen wir das Zimmerkärtle entgegen und verschwinden ins zweite Obergeschoss. Halt nein, zuerst fragt Annette noch, wie lange man bis in die Innenstadt braucht. »Heute bleiben Sie im Hotel«, entscheidet Samit, »Sie hatten einen anstrengenden Tag.« Im nächsten Moment hat er es bei ihr verspielt.
Denn auch trotz der langen Fahrt haben wir keine Lust, den ganzen Abend im Hotel zu bleiben. Außerdem erfahren wir, dass es mit der Flugbuchung (statt Rückfahrt nach Bangkok) anscheinend doch nicht so einfach ist. Dafür nennt uns Samit als Preis 204 USD pro Person, damit nochmals 29 USD mehr als uns in Bangkok genannt wurde und deutlich mehr als in unseren Reiseunterlagen von Berge & Meer steht.
Durch die Verzögerung in der Lobby kommen wir gleichzeitig mit den Koffern im zweiten Stock an. Da wir ein wenig genervt sind und gleich duschen wollen, schnappen wir unseren Trolley und verschwinden ins Zimmer. Den Protest des Kofferjungen übergehen wir. Für etwas Unmut sorgt in unserer Gruppe dafür, dass die durch roten Straßenstaub verschmutzten Koffer und Taschen nicht einmal abgewischt werden, bevor sie der Zimmerjunge aufs Zimmer bringt.
Im Zimmer selbst ist der Safe geschlossen. Also geht Annette nochmals zur Rezeption. »Ja, ich schicke sofort jemanden«, verspricht ihr die Rezeptionisten. Als sich zehn Minuten später immer noch keiner blicken lässt, ruf ich selbst an. »Er ist auf der Treppe auf dem Weg zu Ihnen«, teilt mir die Frau mit. Als sich nach weiteren fünf Minuten immer noch nichts tut, beschließe ich, ihm entgegenzulaufen. Vielleicht hat er sich ein Bein gebrochen? Nein, er steht unten an der Rezeption und fragt mich - offenbar völlig uninformiert - ob er helfen kann? Die Rezeptionistin ist derweil am Telefonieren. Kurz darauf ist das Problem gelöst und sind alle Unannehmlichkeit innerhalb des Hotels - auch für die nächsten Tage - gelöst.
Genug gemeckert! Denn das Princess Angkor ist mit seinen 118 Zimmern wirklich ein schönes Hotel. Die Preise sind zwar etwa doppelt so teuer wie in der Stadt, sind für mitteleuropäische Verhältnisse aber immer noch human. Die Klimaanlage funktionierte während unserer drei Nächte Aufenthalt sehr gut und auch das Bad war sauber, schön eingerichtet und zudem mit Blumen dekoriert. Schlafen konnten wir ebenfalls sehr gut, zum Frühstück gab es zum Beispiel Croissants und Rührei sowie süße Stückle in Hülle und Fülle, sodass auch Annette genug zu Essen fand.
Sehr angenehm fanden wir auch den kleinen Pool im Garten, auch wenn das Wasser recht warm ist. Aber das lässt sich bei etwa 35 bis 41 Grad im Schatten kaum ändern. Zum Ausruhen hat es allemal gereicht und auch fanden wir immer eine freie Liege. Etwas leid tat uns die Dame in der obersten, der Wellness-Etage, in welche sich allerdings nur wenige Gäste verirren - und wenn, dann oft nur, um von dort den Sonnuntergang über Angkor Wat zu beobachten. Neben dem Internet in der Lobby hielt die Lobby-Bar außerdem für mich eine Überraschung bereit: die Live-Übertragung des Spiels Werder Bremen gegen Bayern München, was 3:0 endete (-: Mittlerweile gibt es übrigens 120 Hotels in Siem Reap. Ende der 1990er Jahre waren es erst zwei, eines davon ist das Princess Angkor.
Mit knurrendem Magen finden wir am zweiten Abend in Siem Reap, nahe des Old Markets, das »Cambodian BBQ«, sprich: die Kambodschanische Grillstube. Das kleine Restaurant liegt etwas abseits der lauten Fress- und Partystraße Siem Reaps und sieht in seiner Aufmachung zwar billig, aber ordentlich aus. Egal, ich habe Hunger, dass ich den sprichwörtlichen Bären verspeisen könnte. Ein Blick auf die Speisekarte verrät uns, dass es den hier zwar nicht gibt. Wohl aber Krokodil. Hm - sollen wir wirklich? Ein paar Jahre zuvor hatte ich noch gesagt, »ich habe keine Lust, auf einer zähen Handtasche zu kauen«. Im Cambodia BBQ wurde ich eines besseren belehrt.
Zunächst aber kommt die Bedienung mit einer Art Grillwok (unten glühende Kohle, das Obere nach oben gewölbt) an den Tisch. An dem Rand dieses auch als kambodschanisches Fondue bezeichnetes Grill- und Kochgerätes ist eine Rinne, in der bereits siedendes Wasser sprudelt. Mit Stäbchen und geübten Fingern dauert es nicht lange, bis die nette Frau den Rand voll mit Gemüse und meterlangen Nudeln gepackt hat.
Als nächstes legt sie auf die Mitte der Kuppe ein Stück Fett und bestückt den Grill mit den Krokodilfilets und - weil das Krokodil nur für eine Person reichte - außerdem mit Straußenfleisch. Dazu bringt sie Annette einen Bananenblüten- und mir einen Mangosalat. Dazu bekommen wir zwei Schälchen gekochten Reis und verschiedene Soßen.
Soweit so gut, die Suppe kocht, das Fleisch brutzelt und wir fangen erstmal mir dem Salat an. Schon bald aber beginnen die Probleme. Denn weder mit den Stäbchen, noch mit dem chinesischen Suppenlöffel gelingt es uns, die Nudeln aus der Suppe zu fischen. Ähnlich ergeht es uns mit dem Gemüse, was sich irgendwie in den Nudeln verfangen hat. So bekommen wir nur mit Mühe ein wenig klare Suppe in unsere Schüssel und fürchten schon, verhungern zu müssen, während das schöne Fleisch auf dem Grill verbrennt.
Dem nicht genug, kommt die Bedienung an unseren Tisch, um weitere Nudeln in der Suppe zu verteilen. Zu unserem Glück aber bemerkt sie unsere verzweifelte Lage und hilft uns mit der Suppe, bevor sie - mit ein wenig Unterstützung unsererseits - das Fleisch wendet und auf unsere Teller verteilt. Zunächst probieren wir das Krokodil, was nicht nur sehr lecker schmeckt, sondern außerdem erstaunlich zart ist. Aber auch über die beiden Salate, die Straußenfilets sowie die abschließenden Schrimps (diese konnten wir sogar ohne Hilfe essen) sind ein Gedicht.
»Ist das eine Kakerlake?« »Ja, das ist eine«, antwortet mir der Mann aus unserer Reisegruppe, geht ein paar Schritte zurück und nutzt das andere Pissoir, während ich mir die Hände wasche. Nun gut, dass mal ein paar Schaben auftauchen, kann durch die Lieferungen frischer Lebensmittel wohl (beinahe) jedem Restaurant widerfahren. Aber auch ohne dieses lichtscheue Ungeziefer auf der Toilette können wir das Bayon 2 leider nicht empfehlen. Positiv ausgedrückt bekommen wir zwar auch hier nichts zu essen, was wir nicht vertragen.
Allein Geschmack, Qualität und Auswahl der Speisen - ganz zu schweigen von der unzureichenden Menge verschiedener Gerichte - des Büfetts lassen jedoch zu wünschen übrig. Mit dem von uns am ersten Abend besuchten Sawasdee Food Garden und dem Cambodia BBQ kann das von Indochina Services ausgesuchte Bayon 2 jedenfalls nicht mal annähernd konkurrieren. Hinzu kommt, dass die angebotene Show am Abend ein ziemlicher Nepp sein soll, wie uns später berichtet wird. Das haben wir jedoch nicht selbst erlebt.
Nach dem Essen bietet uns unser Reiseleiter Ry eine Fahrt zum Handwerkermarkt in Siem Reap an. Hierin wittern wir nichts anderes als eine Verkaufsveranstaltung, zu der wir jedoch keine Lust haben. Schön ist, dass er uns behilflich ist, eine eigene Planung mit zweitem Besuch des Tempel von Angkor Wat, Weiterfahrt zum »Sonnenuntergangsausguckhügel« sowie Rückfahrt zum Angkor Princess Hotel aufzustellen und uns außerdem einen ungefähren Preis nennt, den wir dem Tuk-Tuk-Fahrer dafür zahlen sollen.
Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: weil wir morgens eine halbe Stunde später als die andere Reisegruppe aufgebrochen und später beim Bayon 2 angekommen sind, also auch entsprechend später mit Essen fertig werden, bricht Samit mit den Leuten seiner Gruppe bereits zu einer Bootsfahrt auf dem Tonle Sap See auf. Anscheinend hätte Ry fragen sollen, ob auch welche aus seinem Bus auf den Tonle Sap wollten. Darauf hatte er jedoch verzichtet, da wir ja noch die Getränke zahlen mussten, als Samit ihn darauf ansprach ...