Kaum sind aus dem Bus ausgestiegen, bieten sich uns die ersten Möglichkeiten, Getränke, Souvenirs oder auch nur einfach unnötigen Ballast vor der Erkundung des Tempels Ta Prohm zu kaufen. Für jeden Besucher ein sicheres Zeichen, dass er sich hier vor einem der bedeutenderen oder zumindest einem der beliebtesten Tempel befindet. Immerhin ist hier schon Angelina Jolie alias Lara Croft durch die Gebäude geturnt.
Ob hier auch Elefantentouren angeboten werden, kann ich nicht mehr sagen. Empfehlen können wir sie jedenfalls nicht, da viele Bereiche des Tempels nur zu Fuß zu erreichen sind. Ganz zu schweigen davon, dass es fast unmöglich ist, vom Rücken eines Elefanten gelungene Fotos zu schießen. Keinesfalls verzichten sollte man hingegen die Flasche Wasser, die einem beim Verlassen des Busses gereicht wird.
Durch das Osttor mit dem Kong Dschum (dem geköpften Buddha) betreten wir Ta Prohm, den Urwaldtempel. Etwas schade finden wir, dass das Osttor für den Verkehr freigegeben ist und sich so immer wieder Motorräder und Pkws durch die schmale Zufahrt quetschen.
Im Innern angelangt, begegnen wir als nächstes einer Combo. Auf die ersten Blick wirken die Musiker ganz normal. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie allesamt Opfer von Landminen sind. Im Unterschied zu denen in der Stadt tragen sie ihre Verstümmelungen jedoch nicht zur Schau.
Weiter auf dem Weg zum Tempel ertönt über uns eine gewaltige Geräuschkulisse. Auch wenn sie für uns weitgehend unsichtbar bleiben, wissen wir doch, dass es sich nur um Zikaden handeln kann, die solch einen beinahe kreischendes Konzert anstimmen. Bedeutender für den Tempel sind jedoch die Vögel.
Denn sie waren es, die nach Verlassen der Tempelanlage ihren Schnabel auf den aus Laterit errichteten Mauern und Gebäuden gewetzt haben oder auch einfach etwas aus luftiger Höhe herabfallen ließen und dadurch zum Beispiel den Samen der Würgefeige auf die Tempeldächer gebracht haben.
Mit den Jahrhunderten gelang es immer mehr dieser zunächst zierlichen Pflanzen, ihre Wurzeln über die Mauern bis hinunter zum Boden zu strecken. Die Folgen begeistern uns: denn anders als bei vielen andere Tempel hat man die Urwaldriesen im Ta Prohm belassen. So entdecken wir immer wieder Gebäude mit riesigen Würgefeigen, welche die alten Mauern mit ihren kräftigen Wurzeln gleichzeitig sprengen und doch fest umklammern.
Unten angelangt, schlängeln sich die Wurzeln über die Steinplatten, bis sich irgendwo eine Lücke auftut, in der sie nach unten aus unserem Blickfeld entschwinden. Zum Leid der Tempel finden sie im Untergrund jedoch nur wenig Halt. Damit sind die Bäume recht windanfällig und haben durch die häufigen und sehr stürmischen Gewitterschauer schon viele Gebäudeteile mit in die Tiefe gerissen.
Dieser halbzerfallene Zustand gibt dem Ta Phrom eine besondere Stellung bei den Tempeln von Angkor. Die Mystik des Tempels zieht auch die Filmindustrie immer wieder an. So dienten die Ruinen auch als Filmkulisse für Lara Crofts Tomb Raider.
Damit nicht noch mehr Schaden entsteht, sind die Khmer unentwegt damit beschäftigt, Blätter und Keimlinge aus den Fugen und Steinhaufen zu kratzen. Wird die Krone eines Baumes zu wuchtig, errichten sie hohe Gerüste, um Äste herauszuschneiden und ein Umstürzen des Baumes zu vermeiden.
Außerdem wird jeder Winkel der Anlage vermessen und grafisch aufgenommen. Zuletzt helfen stabile Holzbalken, die marode Statik mitsamt der Tempelsteine zu stützen.
Schön ist, dass man im Tempel nicht zum Kauf von Souvenirs aufgefordert wird. Lediglich die Betreuer können für Missverständnis führen, wenn sie einem Räucherstäbchen in die Hand drücken, die man vor einer Buddha-Figur in einen Topf stecken soll, um anschließend erfährt, dass nun eine Spende fällig ist. Wer mag, kann sich von den alten Leuten innerhalb des Tempels die Zukunft aus der Hand lassen - die Frage ist nur, ob man dies dann auch versteht.
Eines jedoch lässt sich in jedem Fall mit großer Sicherheit voraussagen: Sobald man in die Nähe des Ausgangs kommt, werden einem wieder T-Shirts, Ansichtskarten, Holzschlangen, Taschen, Schirme, Fächer und jede Menge anderes Zeug unter die Nase gehalten. Oder, wie es in den Reiseführer über das Nordtor heißt: »Sehr aufdringliche Kinder, die Lotusblumen und Räucherstäbchen verkaufen wollen.«