Der Maligne Canyon zählt zu den Attraktionen, die unbedingt aufs Ausflugsprogramm im Jasper Nationalpark gehören. Genau genommen ist es die Verbindung des Canyons mit einem Karstsystem, welches die Schlucht einzigartig macht und den Jasper Nationalpark von den anderen in den Bergen unterscheidet. So lesen wir auf einem Schild zwischen dem Parkplatz und dem Eingang, dass diese hervorragende Arbeit der Natur zum UNESCO Weltkulturerbes der Kanadischen Rocky Mountains zählt. Damit soll der Maligne Canyon auch für alle nachfolgenden Generationen erhalten bleiben.
Ebenfalls am Eingang wird die Entstehung des Maligne Canyons auf mehreren Grafiken veranschaulicht. So wird mit fünf Abbildungen erklärt, wie die Wasserfälle am oberen Ende in den letzten 1000 Jahren schrittweise flussaufwärts »gewandert« sind. Der als rückschreitende Erosion bekannte Vorgang hat zugleich dazu gesorgt, dass die Fallstufen immer größer geworden sind. Bei diesem Prozess wird weicheres Gestein, das zwischen einer oberen und unteren widerstandsfähigeren Schichten gelagert ist, vom Wasser ausgeschwemmt. Dadurch entstehen zunächst Höhlen. Diese werden mit der Zeit immer größer, bis sie die obere Schicht nicht mehr tragen können und einbrechen.
Die Schlucht selbst ist durch das Wechselspiel von Eis und Kalk entstanden. Hier hat der Maligne Gletscher während der letzten Eiszeit die Decke von darunter liegenden Höhlen weggekratzt und geflutet. Die riesigen Mengen an Schmelzwasser haben die zuvor einzelnen Höhlen miteinander zu dem Canyon verbunden, den wir heute kennen. Eine weitere Besonderheit gegenüber anderen Schluchten ist, dass dieser Vorgang auf dem Grund des vom Gletscher ausgeschliffenen Trogtals (auch U-Tal genannt) erfolgte. Damit ist der Canyon eine Art in den Talgrund geschnitzter Schlitz. Wobei allerdings bei Weitem nicht alle Höhlen durch das Eis freigelegt worden sind.
Für die Wanderung durch Maligne Canyon lohnt sich ein früher Aufbruch. Denn da die Schlucht zu den einfach zu erreichenden Attraktion im Jasper Nationalpark zählt, kann es auf den Wegen mitunter recht lebhaft zugehen. Ob man gut in der Zeit ist, lässt sich an der Belegung der Parkplätze oberhalb des Canyons ablesen. Vom Parkplatz sind es links wenige Schritte bis zur ersten von sechs über den Canyon errichteten Brücken. Sie wurde 1914 konstruiert und befindet sich 38 Meter über dem Fluss. Durch ihre Lage direkt vor einem Wasserfall eröffnet sie uns eine imposante Sicht auf das in die Tiefe rauschende Wasser.
Wer - wie wir - den rechten Zugang wählt, kommt als Erstes zur Zweiten Brücke. An dieser Stelle hat sich der Maligne River über 50 Meter tief in den Talboden geschnitten. Die Aussicht von der Brücke ist spektakulär. Die Ausbuchtungen in den Felswänden zeigen, wo die Wassermassen einst den Stein bearbeitet haben. Ab der Zweiten Brücke wird es auf dem Fußweg ruhiger. Denn sie befindet sich am Umkehrpunkt für diejenigen, die sich mit einem kurzen, einfachen Spaziergang durch den Maligne Canyon begnügen. Oder begnügen müssen, da auch hier gilt: wer in einer Gruppe reist, muss sich an die vorgegebenen Zeiten halten.
Tatsächlich folgen uns nur wenige Besucher durch die weitere Schlucht. Auf dem Weg zur dritten und vierten Brücke werden die Felswände allmählich niedriger. Dafür passieren wir nun unzählige Quellen, die aus den Höhlen in die Schlucht schießen. Aber was heißt hier Quellen? An mehreren Stellen tritt soviel Wasser ans Tageslicht, dass der Maligne River rasch zu einem reißenden Fluss anschwillt.
Beim unteren Ausgang der Schlucht sehen wir schließlich, was es heißt, wenn ein ganzer Bach direkt aus dem Boden heraus fließt. Erst meinen wir, auf einer weiteren Brücke über einem Nebenbach zu stehen. Nachdem wir uns eine Weile umsehen, wird es zur Gewissheit: direkt am Wegrand tritt ein rund drei Meter breiter Bach zutage. Einen Steinwurf weiter mündet er in den Maligne. Wir sind beeindruckt.
Auf die Fünfte Brücke müssen wir bei unserer Wanderung verzichten. Denn aus Sicherheitsgründen ist der Weg gesperrt. Eine Gefahr lässt sich für uns zwar nicht erkennen. Wohl aber lässt die angedrohte Strafe im fünfstelligem Dollarbereich gar nicht erst die Überlegung aufkommen, sich darüber hinwegzusetzen. So also lassen wir den Abstecher aus und laufen auf der rechten Seite des Maligne Rivers weiter bis kurz vor die Sechste Brücke. Sie befindet sich etwa 200 Meter von der Mündung des Maligne Rivers in den Athabasca River entfernt und verbindet den Wanderweg mit einem weiteren Parkplatz.
Da es bei der Sechsten Brücke sonst nichts zu sehen gibt, kehren wir um und biegen kurz der Fünften Brücke links ab. Damit ändert sich der Charakter unseres Maligne-Ausflugs. Waren wir bisher auf bequem zu laufenden Wegen unterwegs, geht es auf den nächsten 200 Metern senkrecht zu den Höhenlinien bergauf. Die Steigung ist zwar gar nicht so gewaltig.
Allerdings bietet der harte und dennoch rutschige Untergrund selbst für Wanderschuhe kaum Halt. Als Folge rutschen wir immer wieder ein Stück zurück und kommen ohnehin nur mit kurzen Schritten vorwärts. Nach ein paar kräftezehrenden Minuten aber ist der Abschnitt geschafft und können wir am oberen Rand des Hangs auf wieder einfachere Wege wechseln.
Der obere Pfad eignet sich bestens als Kontrastprogramm zum Weg durch die Schlucht. Denn er verläuft am oberen Rand vom Maligne Canyon, sodass er uns eine schöne Sicht nicht nur in die Klamm, sondern auch über den scharfen Geländeeinschnitt hinweg zum bewaldeten Plateau gegenüber ermöglicht. Da der obere Weg kürzer ist, kommen wir bald wieder zur Zweiten Brücke. Nachdem wir diese erneut überquert haben, biegen wir links ab. Somit führt unser Rückweg zur Ersten Brücke mit dem großen Wasserfall. Von dort trennen uns schließlich noch wenige Meter bis zum unerwartet ruhigen Maligne Canyon Tea House oberhalb des Canyons. Letzteres erweist sich übrigens als Glücksgriff, da es neben den gängigen Snacks auch hausgemachte Mittagessen anbietet.
Eindrücke vom Maligne Canyon im Jasper Nationalpark, einem der beeindruckendsten Canyons in Kanada.
Vom Yellow-Head-Highway (16) nördlich von Jasper auf die Maligne Road abbiegen und der Beschilderung zum großen Parkplatz oberhalb des Canyons folgen.
Ausgangspunkt | Parkplatz oberhalb des Canyons (1150 m) |
Koordinaten | N 52.9206, W 118.000 |
Gehzeit | 2.30 bis 3 Stunden |
Distanz | 6,8 km |
An-/Abstiege | ca. 130 HM |
Anforderungen | T2 (nur Erste und Zweite Brücke T1) |
Einkehr | Teahouse bei den Parkplätzen |
Beschilderung | Ab dem Parkplatz einfach dem Maligne Canyon Trail folgen. |
GPS-Daten | Wanderung Maligne Canyon gpx |
KML-Daten | Wanderung Maligne Canyon kml |