Im Juni rauschen beim Wasserfall oberhalb der Ersten Brücke vom Maligne Canyon durchschnittlich nur wenige Kubikmeter Wasser pro Sekunde in die Tiefe. Am selben Tag können es bei der Sechsten Brücke 45 Kubikmeter sein. Die Antwort für das rasche Anschwillen des Flusses liefert der Medicine Lake. Der sieben Kilometer lange und in seiner Mitte rund 600 bis 700 Meter breite See ist über ein riesiges Höhlensystem mit dem Maligne Canyon verbunden. Was ihm fehlt, ist ein oberirdischer Abfluss. Stattdessen fließt sämtliches Wasser über eines der weltweit größten unterirdischen Flusssysteme ab.
Eindrücke von den Ausflügen und Wanderungen im Jasper Nationalpark in Alberta.
Vor Ort erfahren wir, dass der Wasserstand im Medicine Lake darüber entscheidet, welche der Quellen im Canyon sprudeln. Der Höchststand wird im späten Frühjahr oder zu Beginn des Sommers erreicht. Dann fließen von den höher gelegenen Gletschern riesige Mengen an Schmelzwasser ab. Im Nordwesten des Sees stauen sie sich am Endmoränenwall.
Im Verlauf des Sommers sinkt der Wasserstand allmählich. Die oberen Höhle fallen dann eine nach der andere trocken. Als Folge versiegen die Quellen im unteren Abschnitt des Canyons. Der Medicine Lake fließt nur noch über die tiefer gelegenen Höhlen ab. Bei Niedrigwasser kann das System im Winter ganz trocken fallen. Im Canyon ist es dann Zeit für den Ice Walk.
Nachdem wir beim Moränenwall einen Pfeifhasen bei der Futtersuche beobachten, erwartet uns bei der Weiterfahrt zum Maligne Lake gleich die nächste tierische Überraschung. Es sind Bergziegen, die den Verkehr zum Erliegen bringen. Ohne jede Scheu spazieren sie zwischen den schaulustigen Parkbesuchern herum. Wir nutzen die Gelegenheit, um selbst ein paar schöne Aufnahmen der gar nicht so wilden Tiere aufzunehmen.
Aus einem vorbeifahrenden Jeep ruft eine Frau allen Beteiligten zu, dass sie auf Abstand gehen sollen, damit die Tiere ihr natürliches Verhalten beibehalten. Es nützt nichts. Die Ziegen wissen, dass sich Menschen die Hände abschlecken lassen und nutzen dies, um ihren Salzbedarf zu decken. Dabei schrecken sie auch nicht davor zurück, ihren Kopf in die Radkästen eines Autos zu stecken oder in einen offenen Kleinbus hineinzuspringen.