Gut erholt starten wir unsere Gongon Tour am nächsten Morgen erneut in Pilão Cão. Es steht die zweite längere Tour auf unserem Programm: bergauf, bergab zur Ribeira Principal, eine Tour an den grünen Hängen und Taleinschnitten der Serra Malagueta, welche Trittsicherheit und,
ganz unbedingt, einen Führer braucht. Oder, wie es die Schellmanns treffend formulieren: »Ohne Führer verirren Sie sich auf den zum Teil sehr schmalen Verbindungspfaden hoffnungslos.«
Streckenwanderung auf der kapverdischen Insel Santiago von Pilao Cao über die Serra Malagueta ins landschaftlich wunderschöne Gongontal. Abstieg in die Ribeira Principal, dem Haupttal im Norden Santiagos.
Nach zwei Tagen mit Kiki zeigt uns heute Joe den Weg durch die Landschaft. Und dieser führt von Pilão Cão erst einmal durch die Bohnenfelder hinauf zum Grat der Serra Malagueta. Um nicht zu sagen, er führt steil hinauf, sodass uns der Schweiß bald wieder auf der Stirn steht.
Dafür aber haben wir den anstrengendsten Teil der Wanderung schon nach einer halben Stunde bewältigt und können uns dann auf eine wahre Genusswanderung freuen.
Auf dem Grat angekommen, eröffnet sich uns ein fantastischer Ausblick über die Ribeira von São Miguel, den Gipfeln des entfernten Berges Pico d’ Antonia, vor allem aber die Gebirgskette der östlichen Serra Malagueta.
Kaum zu glauben, aber selbst hier oben, nur wenige Meter vom Grat entfernt, nutzen die Kapverdianer nahezu jeden Flecken Erde, der sich für die Landwirtschaft eignet. Neben den Bohnen sind es hier reife Maisfelder und Beete mit Kartoffeln, die auf die nächste Regenzeit warten.
Auf dem nächsten Teilstück geht es nur noch leicht bergauf und ist der Pfad einfacher zu begehen. Dennoch: Zeit für eine erste kurze Pause und für einen Schluck Wasser muss sein.
Schließlich steht die Sonne schon wieder hoch am Himmel und wird es, trotz eines leichten Windes, bald warm auf dem Grat.
Als wir zwei Frauen bei der Arbeit sehen, staunen wir. Also, wenn wir bedenken, wie sich bei uns die Frauen für landwirtschaftliche Tätigkeiten kleiden, so machen sich die Kapverdianerinnen doch ausgesprochen hübsch,
bevor sie die getrockneten Bohnen ernten. Und sie haben, im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern, das Glück, das die Männer bei der Feldarbeit mit anpacken.
Ein paar Minuten später erreichen wir den höchsten Punkt der Wanderung und wechseln auf die angenehm frische Schattenseite der Bergkette.
Damit eröffnet sich uns zugleich ein Panorama über weite Teile der Ribeira Principal und dem benachbarten, zum Tal steil abfallenden Ausläufer der Serra Malagueta.
Trittsicherheit, ja, die ist auf dem Weg nach Gongon gefordert. Aber: die Landschaft ist für jeden Wanderer ein Traum. Es gibt weit und breit keine Straßen, sondern nur schmale Verbindungswege und Eselspfade, sodass kein Verkehrslärm oder Motorengeräusch die Stille stört.
Da es außerdem nahezu windstill in dem Tal ist, hören wir die meiste Zeit über nur die Steine und das Geröll unter unseren Wanderschuhen.
Schon auf halbem Wege weiß ich, dass ich daheim ein Problem bekommen werde: wie schaffe ich es, die vielen wunderschönen Eindrücke der Landschaft und ganz besonders des Gongon-Tals in Worte zu fassen, ohne mich ständig zu wiederholen? Ganz ehrlich, vor Ort ist mir das schnuppe.
Hier wechseln sich Palmen und winzige Zuckerrohrpflanzungen, Berge und Taleinschnitte, Gärten und kleine Weiler ab. Hier buhlen Mangobäume mit Sisal, saftig grüne Flecken mit Felsnasen, Terrassenfelder mit Panoramen um das schönste Motiv. Sie alle einzufangen, unmöglich.
Knapp zweieinhalb Stunden nach unserem Aufbruch in Pilão Cão hält Joe bei einem Haus mit Schattenplatz. »Hier wohnen nette Leute, da können wir uns setzen«, bemerkt er. Zudem wohnen hier eine Menge Kinder (wie überall rundum Gongon).
Nachdem er für mich fragt, ob ich sie fotografieren darf, gibt er mir das okay. Hm, tja, mit dem Dürfen ist das so eine Sache. Denn ja, sie sind einverstanden, aber Sekunden später fast alle verschwunden.
Hinter der nächsten Ecke lachen sie - oder sie rennen ums Haus herum und schleichen sich von der anderen Seite an. Was bleibt uns übrig, als mitzulachen: »Hallo, nicht verstecken spielen, sondern Foto...« Erst als sich die Trubel legt, gelingt mir eine Reihe Schnappschüsse.
Natürlich wollen alle (!!!) das Ergebnis sofort sehen. Lachend hüpfen sie um mich herum. Bis sie Annettes Versuch bemerken, das Spektakel zu filmen. Augenblicklich versammeln sie sich alle hinter ihr und gucken, was sie da filmt. Und schon steht das Motiv auf der falschen Seite (-:
Weitaus einfacher ist es, ein Schwein in dem nahen Gatter aufzunehmen. Neugierig läuft es auf mich zu und hätte am liebsten am Objektiv geschnüffelt. Voilà, die kapverdische Steckdose ist im Kasten!
Leider müssen wir dann aber weiter. Denn so schön es hier oben ist und so viel Spaß es machen kann, misslungene Bilder zu schießen, so haben wir doch noch ein gutes Stück Weg und einen anstrengenden Abstieg in die Ribeira vor uns.
Bevor wir den Abstieg wagen, führt uns Joe zu einer Quelle. Daraus zu trinken, käme uns zwar nicht in den Sinn, die Hände in das kühle Wasser zu tauchen, aber ist schön erfrischend. Wie auch das schattige Plätzchen, zu dem er uns geführt hat. Weiter in diese Richtung möchte Joe aber nicht gehen. Zu gefährlich sei der Abstieg über diesen Pfad.
Als wir von der Quelle zu einer Gabelung zurücklaufen und ein Stück über einen anderen Weg hinabsteigen, sehen wir warum. Das heißt, eigentlich sehen wir nichts. Anstelle eines Pfads finden wir auf der anderen Seite der Quelle nur Felsen, steile Abstürze und nichts, das nach einem sicheren Halt aussieht.
Wenn man bedenkt, dass auch auf dem Abstieg nach Chao de Horta einige knifflige Stellen warten und wir uns mehrfach mit den Händen halten müssen, um sicher über die Felsen hinabzurutschen, sind wir froh, dass Joe die andere Variante als zu gefährlich eingestuft hat.
Denn so kommen wir zwar langsam, aber sicher der Talsohle näher, durchqueren auf halbem Weg die ersten Häuser von Chao de Horta und wissen, dass wir damit alle schwierigen Stellen gemeistert haben.
Nach knapp vier Stunden ab Aufbruch erreichen wir die Ribeira Principal. Mit dem herrlichen Gefühl, eine der schönsten Touren auf Santiago, wenn nicht sogar die schönste Wanderstrecke erlebt zu haben, fühlen wir uns fit genug, noch ein Stück weit durch die Ribeira zu laufen. Bis wir nach 15 Minuten einen Aluguer sehen.
Leider ist er bereits voll. Aber Halt! Das heißt nicht, dass es keinen Platz mehr für ein paar Wanderer gibt. Ein Mann und eine Frau steigen aus, um uns ihren Platz anzubieten. Zusammen mit Joe - und später noch zwei weiteren Männern und drei Kindern - hängen sie sich hinten an den Jeep dran.
Als der Wagen schließlich mit 25 Personen fährt, hängt er so tief, dass er auf dem Weg durch ein trockenes Flussbett aufsetzt und die Männer und Kinder mitlaufen, um schlimmere Schläge zu vermeiden.
Erst, nachdem der Jeep mit Schwung die Steigung nach Hortelao erreicht, und fünf oder sechs Leute mitsamt Massen an Gepäck aussteigen, gibt es so viel Platz, dass nur noch zwei Männer außen mitfahren müssen - die beiden auf dem Dach nicht mitgerechnet.