Um 16:45 Uhr sollen sich alle im Hotel treffen, die den Sonnenuntergang mit Cocktail vom Café de Mar auf den Murallas aus erleben wollen. Natürlich sind Cilfredo und wir beide die einzigen, die pünktlich in der Lobby erscheinen. Rücksichtnahme ist hier fehl am Platz. Denn auch in Cartagena wird die Sonne den Teufel tun und auf irgendjemanden warten.
Also laufen wir schon mal vorweg und nutzen den verbliebenen Zeitpuffer für einen Abstecher durch den Parque Centenario. Fast kaum zu erkennen, aber nicht zu überhören, hocken etliche grüne, laut zwitschernde Papageien in den Bäumen. Gerne würden wir schauen, was sich sonst noch für Tiere in dem Park und auf den hohen Bäumen tummeln. Aber dann würden wir wahrscheinlich den Sonnenuntergang verpassen.
Stattdessen eilen wir bei herrlichem Abendlicht durch die Altstadt, wo jetzt einige Kutschen mehr auf Kundschaft warten als noch am Mittag. Wieder lassen wir sie links liegen und steuern direkt auf die Westspitze der Stadtmauer zu. Es ist die Stelle, an der sich das Café del Mar den wohl besten Platz auf den Murallas gesichert hat.
Viele der Tische sind leer bei unserer Ankunft. Wer denkt, er könne jetzt noch in die erste Reihe sitzen, hat jedoch Pech gehabt. Längst ist alles reserviert. Auf Cilfredo aber ist natürlich Verlass. Uns gehört einer dieser Tische direkt an der Mauer.
In der touristischen Open-Air-Lounge des Café del Mar zahlt man natürlich den Ausblick mit. So haben die Cocktails Preise wie bei uns zu Hause. Aber natürlich ist der Mojito in der Karibik viel leckerer und die Auswahl an Cocktails viel, viel bunter. Doch wie sagt Lars immer: »Sonnenuntergänge werden einfach überbewertet.«
Romantische und traumhafte Sonnenuntergänge hatten wir beim Segeltörn durch die Karibik, im Süden Thailands oder auch auf den Azoren. Hier, bei der Masse an Menschen, die nach und nach eintreffen, geht jedwede romantische Stimmung im Lärmpegel unentwegten Geplappers verloren.
Zumindest geht die Sonne heute standesgemäß unter. Am Abend zuvor wurde sie ja von den Regenwolken verschluckt. So wie sich die gelb-orange Scheibe zur Meeresoberfläche senkt, werden das Licht und der Ausblick auf die beleuchteten Hochhäuser der Halbinsel Bocagrande immer schöner. Das moderne Viertel bietet einen gewaltigen Kontrast zu den alten Stadtmauern im Vordergrund.
Wir schlürfen in Ruhe unseren Cocktail aus, brechen dann aber zu einem Abendspaziergang mit Kamera und Stativ durch Cartagena auf. Zu dieser Zeit sind auf der Mauer einige Fotografen unterwegs, um Mädchen in hübschen Prinzessinnenkleidern vor der nächtlichen Altstadtkulisse abzulichten.
Cilfredo warnt uns zwar, die Kamera so offensichtlich herumzuschleppen. Andererseits aber zählt Cartagena mit seinen Touristenmassen zu den sichersten Städten Kolumbiens. Hier sind die Menschen Kameras gewohnt. Beobachtet werden wir trotzdem, sodass wir bald zurück nach Getsemaní kehren.
Eigentlich sollten wir nach drei Nächten in Cartagena bereits um acht Uhr morgens unterwegs zum Strand von Palomino sein. Vor unserer Türe wartet auch ein kleiner Bus. Aber ist das wirklich unserer? Klar, es passen ja fast alle hinein. Einzig Cilfredo müsste auf dem Boden im Gang hocken. Zudem müssten wir einen Teil des Gepäcks in Cartagena zurücklassen.
Die Situation erklärt sich durch die erwartete Ankunft der nächsten Kreuzfahrtschiffe. An solchen Tagen werden alle größeren Busse für die Devisen bringenden Passagiere benötigt. Und unser Bus wird frühstens morgen wieder nach Cartagena zurückkehren. Es hilft nichts. Es muss ein größeres Gefährt her. Und bis dies eintrifft, können wir uns außerplanmäßig in der Stadt beschäftigen.
Wir hatten mitbekommen, dass der Parque Centenario nahe unserem Hotel der reinste Karibikzoo sein soll. Papageien hatten wir ja schon etliche beobachtet bzw. gehört. Wir nutzen die Verzögerung, um jetzt etwas genauer hinzuschauen, was sonst noch in den Bäumen hockt. Der Park selbst wurde am 11. November 1911 anlässlich des hundertsten Jahrestages der Unabhängigkeit eingeweiht.
Mittendrin ehrt ein Denkmal die in der Revolte gefallenen Helden. Wie so vieles in der damaligen Zeit wurde auch der Park aus Geldmangel unvollendet eröffnet. Noch immer benötigt er hie und da einige Ausbesserungsarbeiten. Vor allem wäre eine durchgängige Beleuchtung wünschenswert. Dann müsste Cilfredo nicht mehr vor einem Besuch in der Dunkelheit warnen.
Faultier im Parque Centenario in Cartagena
Aber die Bauwerke im Park interessieren uns heute bestenfalls peripher. Wir suchen Tiere in den Bäumen. Schon nach kurzer Zeit kommt ein Eichhörnchen angerannt und schaut, ob es bei uns was es zu holen.
Das liegt allerdings weniger an uns, als an dem selbsternannten Guide, der plötzlich hinter uns auftaucht. Er ist mit einer Tüte Nüsse ausgestattet und offensichtlich bei den Eichhörnchen ein bekannter Parkbesucher.
Nachdem der Guide die Eichhörnchen im Park angelockt hat, macht er sich auf die Suche nach der eigentlichen Sensation. Irgendwo in den Bäumen sitzt nämlich eine Faultierfamilie. Doch bevor wir diese finden, rennt uns ein riesiger Leguan über den Weg. Auch beeindruckend! Aber wir wollen Faultiere sehen.
Einen Augenblick später hat der Guide Erfolg und findet, was wir suchen. Zuerst zeigt er uns die schlafenden Erwachsenen. Es sind eindeutig Dreifingerfaultiere. Und dann hangelt sich das Jungtier von einem Ast zum anderen. Dafür haben wir doch gerne auf den Bus gewartet. Und genauso gerne geben wir dem Guide das erhoffte Trinkgeld als Belohnung.