Bequem fahren wir vom Berg des Conventos wieder hinunter an die Küste und weiter bis zum Castillo San Felipe von Cartagena. Kaum stehen wir auf dem Vorplatz des Forts, bricht sich die Sonne Bahn zwischen den Wolken. Der Regenschirm mutiert zum Sonnenschirm. Denn augenblicklich wird es brütend heiß, und das, wo wir den nächsten Hügel aus eigener Kraft erklimmen müssen.
Die Altstadt von Cartagena bildet mit seiner 13 Kilometer langen Mauer schon eine Festung für sich. Die schnelle Entwicklung der 1533 gegründeten Stadt machte Cartagena bald zum bedeutendsten spanischen Hafen an der Karibikküste. Während seiner Blütezeit galt dieser als das wichtigste Einfallstor nach Südamerika. Für die Spanier war hier ein gutes Zwischenlager für ihre Schätze aus den Beutezügen durch Südamerika. Hier wartete geraubtes Indianer-Gold, Silber und Kupfer nur noch auf ein Schiff heim nach Spanien.
Doch mit dem Wert des Lagers steigt auch seine Attraktivität für Schurken und Halunken. Während sich die Spanier für ihre Beute mühsam durch den Dschungel des Landes schlugen, hofften Freibeuter auf eine schnelle Ernte der Lagerbestände. Im 16. Jahrhundert wurde Cartagena gleich fünfmal von Piraten belagert. Einer der berühmt-berüchtigten Freibeuter war der Engländer Francis Drake.
1572 blockierte er mit seinen Leuten den Hafen Cartagenas. Die Besatzung scheiterte jedoch durch einen Gelbfieber-Ausbruch. Fast 40 Prozent der Seeleute fielen der Krankheit zum Opfer. Bei seinen Angriffen um 1586 jedoch ruinierte Drake die spanischen Finanzen, bis die Bank von Sevilla bankrott ging.
Cartagena trotzte den Piratenangriffen und gedieh fröhlich weiter. Für die Spanier war zugleich klar, dass die Stadt einige wehrhafte Befestigungsanlagen benötigt, um vor weiteren Belagerungen gewappnet zu sein. Der Grundstein des Castillo San Felipe de Barajas war bereits 1536 auf dem Hügel San Lázaro gelegt worden. Gemessen an der Bedeutung des Hafens war das Bauwerk allerdings recht klein, sodass es 1657 erheblich erweitert wurde.
Dass die Verteidigung der Stadt kein Zuckerschlecken war, zeigt uns die stolze Statue von Admiral Blas de Lezo vor dem Castillo. Mit einer eigentlich völlig unterlegenen Truppe wehrte der Admiral 1741 die Invasion von zehnmal so vielen Briten ab. Bereits in seinen früheren Schlachten hatte Don Blas einen Arm, ein Bein und ein Auge verloren. Die britische Invasion kostete ihn das zweite Bein. Allerdings waren es nicht die vielen Kriegsverletzungen, sondern die Pest, welche ihm am 7. September 1741 in Cartagena endgültig den Garaus machte.
1762 wurde das Castillo San Felipe ein weiteres Mal umfangreich erweitert, sodass ein Bollwerk entstand, welches sich nun über den gesamten Hügel San Lázaro erstreckte. Auch dieses wurde mehrfach angegriffen und gestürmt. Keinem der Angreifer jedoch gelang es, die Festung einzunehmen. Das ging so lange gut, bis die Touristenmassen das Fort für sich entdeckten.
Da es einen großen Teil von Cartagenas Stadtbild dominiert, sehen die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe es schon von Weitem, sodass nun ganze Heerscharen an Urlaubern hier einfallen, einzig gebremst durch die Taschenkontrolle am Eingang. Wer will es ihnen verdenken? Verglichen mit dem Castillo de la Real Fuerza in Havanna oder gar dem Fort Ozama von Santo Domingo ist es wirklich gewaltig.
Der Weg in das Fort ist für Fuhrwerke gerecht eben erstellt. Allerdings geht es steil nach oben. Um ein beladenes Gefährt vor einem unbeabsichtigten Zurückrollen zu schützen, wurden bei jeder Kehre Kanonenrohre aufrecht in den Boden betoniert. Mit Hilfe von Seilen konnten so die Wagen von oben gehalten werden.
Eine weitere Sicherheit bot das komplizierte Tunnelsystem der Anlage. Die verwinkelten Gänge mit verschiedenen Nischen sind so konstruiert, dass Geräusche durch das ganze System geleitet werden. So konnten Eindringlinge gehört und abgefangen werden. Daneben erleichterte es der Besatzung die Verständigung untereinander.
Wie schon beim Kloster haben wir Glück, dass kein Kreuzfahrtschiff im Hafen liegt. Es ist wenig los, sodass wir in Ruhe durch die zugänglichen und beleuchteten Tunnel des Forts spazieren können. Die Vedetten, also vorgeschobenen Posten, bilden ein beliebtes Fotomotiv, bei denen sonst oft Schlange gestanden wird. Wir indes können uns Zeit lassen und die Aussicht genießen, wie sie einst die Feldwache hatte.
Freilich mit dem Unterschied, dass heute moderne Hochhäuser den Blick aufs weite Meer sowie zum Küstengebirge einengen. Einzig ein Bild mit der kolumbianischen Flagge erfordert etwas Geduld, bis der Wind wieder auffrischt und die drei Farben des Landes zwischen mir und dem inzwischen blauen Firmament flattern.