Am zweiten Tag in Cartagena haben wir beim Programm die Wahl. Entweder verbringen wir einen weiteren Tag in den Gassen der Altstadt. Oder wir unternehmen einen Bootsausflug zu den Islas del Rosario. Bei zwei Kreuzfahrtschiffen im Hafen, wird Cartagena heute brechend voll sein.
Aber wir hätten uns so oder so für die Bootstour entschieden und haben uns also längst für den Bootsausflug angemeldet. Bis auf zwei Teilnehmer haben sich auch alle anderen der Gruppe angemeldet.
Auch wenn wir mit 16 Leuten eine Kleingruppe darstellen, sind es immer noch zwei zu viel. Somit wird nun um die Plätze gewürfelt … Nein, natürlich hat Cilfredo ein größeres Boot organisiert. Das ist zwar 10 Euro pro Nase teurer, hat dafür aber eine Bar, Badetücher und Toiletten an Bord.
Soweit der Plan. Stattdessen müssen wir am frühen Morgen erst einmal eine ganze Weile vor den geschlossenen Toren der Marina Bocagrande ausharren. Das klappt ja schon einmal prima.
Wir warten eine Weile, während Cilfredo telefoniert. Schließlich bequemt sich einer der Marina-Angestellten und gewährt uns Einlass. Im Hafen liegen einige richtig tolle Yachten. Wir überlegen, welche wohl unsere sein wird. Keines von denen, unser Boot muss erst noch gerichtet werden, wo auch immer es sich gerade befindet.
In der Zwischenzeit beobachten wir, wie ein gewaltiger Gabelstapler Boote in ein riesiges, dreistöckiges Regal verlädt. Ja, Bocagrande ist eine kleine Halbinsel, da wird an allen Enden und Ecken am Platz gespart.
»Platz sparen« oder besser: Platz sichern lautet nun auch die Devise, als wir endlich alle in ein Boot einsteigen dürfen. Ich verkrümele mich gleich auf einem Schattenplatz im hinteren Teil des Bootes. Das ist auch kein Problem. Zum einen, weil Lars gleich hinten eingestiegen ist.
Zum anderen, weil es immer wieder verblüfft, wie Leute augenblicklich beginnen, sich in der prallen Sonne zu räkeln, kaum dass sie auf einem Boot sind. Eine anstehende »Lobster-Night« ignorierend, wird auch hier der Bug sogleich von mehreren »Grazien« in Beschlag genommen.
Mit Späßle machen, lauter Musik und fröhlichem Lachen lenkt uns Cilfredo von den Umständen ab. Auch er hatte sich das Boot größer und besser ausgestattet vorgestellt. Aber wer braucht schon eine Bar, Badetücher und Toiletten auf hoher See?
Zumindest ist unsere Miniyacht mit zwei starken Motoren ausgestattet, die uns lautstark, aber auch sehr schnell übers Wasser tragen. So erreichen wir bald die Südspitze der Insel Tierra Bomba und damit die südliche Einfahrt Bocachica zur Bucht von Cartagena.
Die Meerenge wurde einst von den Festungen San Fernando und San José bewacht. Zwischen beiden Forts war im 18. Jahrhundert eine schwere Kette gespannt, um Überraschungsangriffe zu vereiteln. Die Kette ist längst wieder weg, denn irgendwie müssen ja die Kreuzfahrtschiffe nach Cartagena kommen.
Denn auch die nördliche Einfahrt Bocagrande war und ist nach wie vor unpassierbar. Diese war teilweise von einer Sandbank versperrt, welche zwei Schiffe zum Kentern brachte. Nach dem Angriff von Edward Vernon im Frühjahr 1741 wurde die natürliche Barriere mit einer Unterwassermauer zusätzlich verstärkt. Bis dato kann dort kein Schiff passieren.
Schnorcheln bei den Korallen der Punta Brava
An der Punta Brava nördlich der Isla Grande ist der allgemeine Schnorchel-Spot. Kaum haben wir an einer der Bojen festgemacht, da paddelt auch schon das erste Boot auf uns zu. Es ist der hiesige Verleih für Taucherbrillen, Schnorchel und Flossen. Für die Schwimmfaulen hat er außerdem mehrere Poolnudeln an Bord.
Cilfredo verteilt eine Runde Equipment und wir springen ins Wasser. Direkt bei den Booten ist das Wasser etwas trüb und tief. Beim nahen Korallenriff jedoch herrscht klare Sicht und sind einige bunte Fische unterwegs. Der Sprung ins Wasser lohnt sich also.
Nach so viel Anstrengung freuen wir uns auf eine Pause. Und vor allem auch darauf, mal einen hübschen Strand in Kolumbien zu besuchen. Kaum gedacht, nähern wir uns weißem Sand mit jeder Menge Kokospalmen dahinter. Die Isla Marina ist gerade mal 18 Hektar groß.
Trotzdem haben sich vier Hotels auf der Insel niedergelassen. Das Ecohotel Isabella empfängt dabei auch Gäste von außerhalb. Wer mag, kann sich hier für ein paar Stunden bequeme Liegen mit Sonnenschirm direkt am Strand mieten.
Doch auch auf der anderen Seite der Isla Marina soll es laut Cilfredo einen hübschen Strand mit weiteren Kokospalmen geben. Und wir haben reichlich Zeit, um uns die Beine zu vertreten. Also treten wir die Inselquerung an. Bereits nach 150 Meter erreichen wir die winzige Bucht.
Das Inventar auf dieser Seite erschöpft sich mit nur einem von Palmblättern gedeckten Sonnenschirm sowie vier Baumstammstühle. Stattdessen verkriechen wir uns bald unter einen Schatten spendenden Busch und genießen die schöne Sicht auf das Meer mit dem Vogelgezwitscher im Hintergrund.
Leider eignet sich die Insel nur schlecht für einen Spaziergang entlang der Küste. Auf beiden Seiten der Bucht stehen alte Bauruinen. Im Großen und Ganzen ist es recht schmuddelig auf der Insel, trotz oder vielleicht auch wegen des Hotelbetriebes. Wir kehren also wieder zurück zum gepflegten Badestrand. Dort gibt ein Restaurant, bei dem wir frischen Mangosaft bekommen. Wechselgeld ist beim Chef leider Mangelware. Zumindest erklärt die Bedienung in gebrochenem Englisch, dass sie nicht herausgeben könne.
Aber sollen wir deswegen bei den ohnehin hohen Preisen auf der Insel auch noch das Doppelte bezahlen? Vielleicht führt die Masche bei anderen Gästen zum Erfolg. In unserem Fall jedoch will Cilfredo aushelfen. Was sollen wir sagen? Kaum läuft er los, sein Portemonnaie zu holen, klappt es plötzlich mit dem Wechseln. Schade eigentlich. Denn das arbeitende Personal ist sehr nett und lustig. Da bekommt man dann auch mal eine Anerkennung von den Gästen zugesteckt.
Nach der Mittagspause auf der Isla Marina ist Inselhopping angesagt. Wir legen wieder ab und steuern auf die winzigen Inseln im blauen Meer zu. Das Archipel der Islas del Rosario umfasst 28 kleine Koralleninseln. Viele von ihnen sind als Naturschutzgebiet für Meeresvögel ausgewiesen. Manche bestehen nur aus einem winzigen Felsen und schon steht ein Häuschen drauf. Auch die Sängerin Shakira soll sich hier ein Inselchen gesichert haben und ihr eigen nennen.
Nahe der Isla Marina stehen drei akkurat gepflegte Häuslein und ein Wasserbungalow mitten im Meer. Cilfredo nennt es die Shakira-Insel. Ob das so stimmt, wissen wir nicht. Aber passen würde es, zumal wir die Haushälterin nahe dem Steg sehen, bei der Lars einen eleganten Hüftschwung bemerkt haben will. Ja, mein Mann hat viel Fantasie, noch mehr Träume, hin und wieder aber auch Momente in der Realität.
Einen Steinwurf weiter befindet sich eine größere Insel, über der schwarze Fregattvögel wie die Geier kreisen. Hier war früher ein Inseldomizil des Pablo Escobar. Wo sich der Drogenbaron einst einen Privatzoo hielt, machen die Gebäude heute einen etwas verwahrlosten Eindruck.
Auf einem Teil des Grundstücks soll eine Tauchstation untergebracht sein. Ansonsten bleibt auch diese Insel den Vögeln vorbehalten. Und die scheinen sich hier richtig wohl zu fühlen. Wir zumindest können erstmals beobachten, wie die als Dauerflieger bekannten Fregattvögel zum Brüten landen.
Bald schippern wir wieder Richtung Festland zur Halbinsel Barú mit dem Nationalpark Natural Corales del Rosario. Doch was erwartet man als Mitteleuropäer von einem Playa Paraíso? Ruhe, Abgeschiedenheit, Palmen an einem weißen Sandstrand? Nein, in Kolumbien bedeutet das Paradies Party, Strand und Alkohol.
Die Strandbars sind dabei ins Meer hinein gebaut, sodass die Boote direkt daneben einparken können. Laute Musik schallt über das Wasser. Doch die Versorgung klappt prima. So sind wir kaum angekommen, da werden uns auch schon Austern von einem Kanu aus angeboten. Aber Austern bei dieser tropischen Wärme? Nein danke, das Risiko gehen wir lieber nicht ein.
Bei den als Nächstes feil gebotenen Mini-Langusten greifen auch einige unserer Gruppe zu. Dass alles auf Plastiktellern mit Plastikbesteck serviert werden, interessiert nicht. Gleiches gilt für die Kokosnüsse, die mit Trinkhalmen ausgegeben werden. Schon vor Jahren waren wir bei unserer Reise nach Costa Rica entsetzt, wie viel Plastikmüll an den Küsten angeschwemmt wird.
Daheim können später alle wieder verwundert den Kopf über das mittlerweile globale Problem schütteln. Allein im Urlaub bleiben solche Gedanken schlichtweg außen vor. Wir verzichten lieber. Denn für uns sind Langusten eine Delikatesse, die entsprechend delikat serviert werden sollte.
Unseren letzten Stopp legen wir direkt bei der Halbinsel Barú ein. Die schmale Playa Puntilla trennt bis auf einen engen Durchgang die Lagune Barú vom Meer. Hier ist es wieder einiges ruhiger und idyllischer als an der Playa Paraíso. Das mag aber auch daran liegen, dass das Strandrestaurant Playa Puntilla Decameron bereits geschlossen ist.
Umso schöner ist es hier, entlang der Küste unter den Kokospalmen hindurch zu spazieren. Doch Vorsicht, auch wenn das Strandgras weich aussieht, pikst es ganz schön an den Fußsohlen. Es ist also besser, ein Paar Schlappen mit auf die Insel zu nehmen.
Anschließend müssen wir nur wieder auf das Boot gelangen, das mit der Schnauze vorweg einfach auf den Sandstrand gefahren ist. Durchs Wasser schwimmend und über die Leiter einsteigen wäre einfach, aber nass. Lars hüpft flugs auf den Bug, als wäre es ein Kinderspiel.
Ich bin da leider weniger geschickt. Zum Glück erkennt dies der Bootsjunge sofort. Im nächsten Moment hievt er mich freundlich nach oben, sodass auch ich trocken ins Boot komme. Das nenne ich mal einen wirklich netten Service.
So endet langsam unser Tag auf dem Meer. Es geht zurück zum Hafen von Cartagena. Einige der Gruppe sind inzwischen puterrot. Wen juckt es? Wir begegnen dem TUI-Schiff Marella Discovery 2, das mit seinen über 2000 Hotelbetten gerade abgelegt hat und jetzt Kurs aufs offene Meer nimmt. Wir hatten einen ruhigen Tag mit vielen schönen Eindrücken. Da können wir gerne zu lauter Karibikmusik tanzend in die Marina Bocagrande hineinfahren und die letzten Minuten auf dem Boot genießen. Schön war es!