Nach zwei Nächten in der Kaffeeregion von Salento erwischen wir offenbar den nächsten kolumbianischen Brückentag, warum auch immer. Was das für uns bedeutet? Wir haben auf der langen Tour über La Pintada nach Medellin freie Fahrt. Ja, denkste! Es herrscht zwar nicht allzu viel Verkehr auf den Straßen, doch die Kolumbianer wissen, warum sie ihr Auto lieber stehen lassen.
Feier- und Brückentage werden, wie bei uns, sehr gerne für Wanderungen, Spaziergänge und Radtouren genutzt. Mehr noch, das Wohl der Menschen wird hier so ernst genommen, dass Autobahnen, selbst wenn sie mitten durch die Stadt verlaufen, einfach für jedweden motorisierten Verkehr gesperrt werden.
Für die Stadtbewohner ist das sicherlich herrlich. Anstelle von Verkehrslärm und Nahtoderfahrung haben Radfahrer kilometerlange freie Fahrt. Blöd nur für den Transitverkehr, dem weder eine Umfahrung außerhalb noch eine Umleitung in der Stadt geboten wird.
Wir irren also erst einmal orientierungslos mitten durch Pereira. Alexander ist die Strecke schon so oft gefahren. Aber halt immer nur auf dem einfachen, direkten Weg. Wir drehen eine Runde und stehen vor der nächsten Barriere.
Ein Linienbusfahrer scheint eine Umleitung zu kennen. Wir sollen ihm folgen und müssen dabei auf der Hut sein, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Bevor der Linienbus anders abbiegt, gibt er Alexander noch ein paar Tipps, wie wir wieder aus Pereira hinausfinden. Gesagt, getan, einmal zu früh abgebogen und schon stehen wir vor der nächsten Barriere.
Alexander und Cilfredo kratzen sich am Kopf und ich überlege mir, einen Taxifahrer zu besorgen, der uns den Ausgang nach Medellín zeigt. Gerne würde ich den auch bezahlen, bloß um endlich weiter zu kommen. Schließlich finden wir doch ohne weitere fremde Hilfe aus der Stadt, haben aber fast eine Dreiviertelstunde verloren. Als wäre die Fahrt nicht eh schon lange genug.
Die nächste größere Pause steht in Irra an, bei einem breiten Fluss. Ist das wieder der Rio Magdalena? Nein, den haben wir auf dem Weg nach Popayan verlassen. Unsere Route verläuft hier am parallel verlaufenden Rio Cauca. Erst nach gut 500 Kilometern wird dieser in den Rio Magdalena münden.
Das Dorf Irra wirkt ärmlich. Wie damals in der Dom-Rep wohnen die ganz armen Menschen direkt am Fluss in einfachen Hütten. Die auf dem ersten Blick idyllische Wohnanlage birgt ihre Tücken: Bei Hochwasser werden die Hütten gerne mal weggeschwemmt. Zudem sind bei länger anhaltenden Niederschlägen Erdrutsche möglich.
Doch auch im Ort sind Putz und Farbe eher ein Luxus. Umso überraschter sind wir über die gut sortierte Bäckerei. Die Kolumbianer legen viel Wert auf frische Backware, egal ob süß oder salzig. So sind es oft die Bäckereien, die sich in den Orten behaupten können und sich bis heute regen Kundenbetrieb freuen können.
Wir holen ein paar Leckereien für unterwegs und schauen uns etwas im Ort um. Wussten wir es doch: So wie es in jedem Ort eine Bäckerei gibt, so gibt es auch einen gratis WiFi-Spot mit daran angeschlossener Ladestation.
Entlang dem Rio Cauca fahren wir weiter in den Norden. Immer wieder werden wir von Baustellen gestoppt, die im Halbstundentakt die Fahrtrichtung wechseln. So liegen trotz des frühen Starts um sieben Uhr bis zur Mittagspause gerade mal 180 Kilometer der Strecke hinter uns.
Wir sind froh, dass wir uns in La Pintada ein wenig die Beine vertreten können. Während der Großteil der Gruppe schnellstmöglich bzw. wie üblich im Restaurant verschwindet, wollen wir in Ruhe Kaffee trinken gehen.
Doch das mit der Ruhe ist gar nicht so einfach in La Pintada. Der Ort wirkt wie eine typische Durchfahrtsstadt. Es stinkt nach Dieselmotoren, während ein Laster nach dem anderen an uns vorbei rumpelt. Sie bilden den krassen Kontrast zu den herrlichen Berggipfeln rund um La Pintada.
Schließlich befinden wir uns nach wie vor in der Kaffeeregion. Und auch wenn wir uns schönere Orte für Urlaub vorstellen können, gibt es hier einige, fast schon luxuriöse Ferienressorts am Rio Cauca.
Die Weiterfahrt nach Medellin ist aussichtsreich mit kurzen Stopps bei verschiedenen Miradores im Gebirge. Doch wir sind froh, als wir abends endlich in Medellín ankommen. Es ist bereits dunkel und wir sind hundemüde. Es ist uns fast schon egal, dass wir hier nur in einem schnöden Stadthotel frei jeden Flairs oder Komforts einchecken.
Doch das Zimmer des Hotel Aqua Express ist zweckmäßig und sauber. Und wir befinden uns am Rande des Party-Stadtteils El Poblado. Das stimmt doch zuversichtlich, dass wir später einen schönen Ort finden werden, um einen entspannten Abend zu verbringen.