Nach drei Nächten bei San Agustín verabschieden wir uns am frühen Morgen von der liebenswerten Familie der Haciende Anacaona. Bei schönstem blauen Himmel startet heute unsere Weiterfahrt nach Popayán.
Vorsichtig unterbreitet uns Cilfredo, dass wir auch für diese Fahrt wieder gut acht Stunden einplanen müssen. Schlechte Straßen im Puracé Nationalpark machen ein schnelleres Vorankommen unmöglich.
Damit unterwegs bloß keiner Hunger leidet, machen wir kurz Halt bei Isnos. Augenblicklich stürmt unsere Truppe in den nächstbesten Laden. Verdutzt schauen wir uns an, steigen dann aber ebenfalls aus und nutzen das schöne Wetter, um ein paar Eindrücke von Isnos zu gewinnen. Dann geht die Fahrt auch schon weiter und sind wir bald wieder auf über 2000 Meter Höhe.
Nach gut einer Dreiviertelstunde ab Isnos sind wir fern ab jeder Zivilisation. Hier kann niemand verloren gehen. So hat unser Fahrer Alexander Erbarmen mit uns und lässt uns ein ganzes Stück entlang der Straße laufen. Es ist ganz schön kühl hier, aber der Spaziergang, die Bewegung an der frischen Luft tut richtig gut.
Es scheint kaum eine bessere Strecke zwischen San Agustín und Popayán zu geben. Denn große LKWs nutzen diesen unwirtlichen Weg ebenfalls, um ihre Waren in den Süden Kolumbiens zu transportieren. Das wiederum wissen natürlich auch die Rebellen der FARC, von denen noch immer einzelne in den schwer zugänglichen Bergen wohnen.
Ihretwegen sollte man die Strecke durch das Gebirge nachts nicht fahren. Auch sollte man die Nachtbusse meiden, welche diese Route wählen. Es gibt zwar keine Entführungen mehr. Aber die Busse werden bis dato gelegentlich überfallen und die Mitreisenden ihren Habseligkeiten beraubt.
Tagsüber ist das Militär auf Patrouille. Um zu signalisieren, dass die Strecke rein ist, hebt ein Soldat den Daumen, als würde er trampen. Der Fahrer sollte dann erwidern. Sporadisch kontrollieren sie jedoch die Fahrzeuge und deren Insassen. Auch uns nehmen sie ins Visier. Allerdings nur, weil sie die blonden Frauen sehen wollen. Sehr schmeichelhaft, wenn eine Gruppe Achtzehnjähriger wegen uns schüchtern in den Bus schleicht.
Es ist eine kleine Abwechslung zu ihrem tristen Leben hier oben im Puracé Nationalpark fern ab von Fiestas und Chicas. »Wahrscheinlich denken die jetzt 'muchas viejas'« kommt mein Einwand, als sie den Bus wieder verlassen. Verlegen versucht Cilfredo den anderen weiszumachen es wäre ein Ausdruck für nette Frauen. Was für ein Charmeur! Oder, wie es bei so schön heißt: Auch Heuchler müssen sterben.
Nach dem Intermezzo wird die Landschaft rauer. Das überträgt sich leider auch auf die Straße, die sich in eine Matschpiste wandelt. Trotz der Dreckschuhgefahr hält Alexander an der Brücke über den Rio Mazamorras.
Und schon stehen die ersten weißen Schühchen im Matsch. Einzig der herrliche Blick in die Schlucht entschädigt, auch wenn es anstrengend ist, diesen von beiden Seiten der Brücke zu bekommen. Denn die Pampe auf der Straße ist schier knöcheltief.
Auf einem Plateau auf über 3100 Meter Höhe fahren wir weiter durch den Nebelwald des Parque Nacional Natural de Puracé. Die Bäume werden in dieser Höhe entweder nur noch sehr niedrig oder sie verschwinden ganz und machen Farnen und Zwergsträuchern Platz. Wir bekommen nochmals die Gelegenheit, ein wenig von der Natur zu genießen.
Und wer will, kann diesen Stopp dafür nutzen, seine Schuhe putzen. Denn fieses Moos, das tückisch auf Pfützen wächst, lädt förmlich dazu ein, hinein zu tappen und sich nasse Füße zu holen. Ich hatte meinen Lehrgang bereits in Schottland. Andere nehmen sich diesen hier. Ob es hilft, die weißen Schühchen vom Dreck zu befreien ist dann natürlich die andere Frage.
Auf längere Spaziergänge verzichten wir in dieser Höhe. Das aber liegt hauptsächlich an der Kälte. Die Landschaft ist herrlich, auch wenn hin und wieder ein Regenschauer über uns hinweg zieht.
Doch kaum sind wir beim Jungfrauenwasserfall, der Cascada Calaguala oder auch Cascada De La Virjen, kurz vor Coconuco, setzt der Regen aus. Plötzlich zaubert die Sonne einen Regenbogen in die Gischt des Wasserfalls und verleiht der Landschaft ein herrliches Grün.
Wenig später ist es leider schon wieder vorbei mit dem schönen Wetter. Kaum erreichen wir für die Mittagspause das Dörflein Coconuco, da schüttet es erneut in Strömen. Wir quetschen uns allesamt in eine Bäckerei,
sorgen für unerwarteten Umsatz und freudig-strahlende Mienen. Nicht zuletzt deswegen erweist sich die Fahrt als doch recht abwechslungsreich und kurzweilig. Und immerhin ist es noch hell, als wir in Popayán ankommen.