Viele der Bauern rund um San Agustín leben bis dato vom Zuckerrohranbau. Und das, obwohl der Anbau in den Bergregionen deutlich arbeitsintensiver ist als in den großen Ebenen, wo riesige Maschinen die Erntearbeit übernehmen.
Während das Zuckerrohr der Großindustrie in den Raffinerien landet, bearbeiten die Bergbauern ihre Ernte selbst und stellen Panela her. Nahe dem Dörflein Obando halten wir bei einer solchen kleinen Fabrik.
Zuvor waren uns schon rund um der Bergstadt San Agustin wiederholt schwarz rauchende Schornsteine neben weiß dampfenden Hütten aufgefallen. An ihnen lassen sich die Standorte der Panela-Produktion erkennen. Auch bei unserer kleinen Fabrik qualmt es gerade gewaltig. Doch bevor wir in die Küche gehen,
beobachten wir einen jungen Mann, der das frisch geerntete Zuckerrohr in die lärmende Zuckerrohrpresse schiebt. Dahinter stapeln sich Berge von getrockneter Bagasse. So werden die faserigen Überreste genannt, die in den Brennofen geschoben werden und mit dunklem Rauch verbrennen.
Der Zuckerrohrsaft wird durch einfache PE-Rohre in die Küche geleitet. Beim nächsten Arbeitsschritt wird dieser in riesigen Edelstahlwannen eingekocht, um so nach und nach den Wassergehalt zu reduzieren. In den beiden oberen Wannen brodelt und schäumt es gewaltig. Immer wieder wird die Zuckersuppe umgerührt, bis er in die nächsttiefere Wanne gelöffelt wird.
Der Saft in der untersten Wanne ist so gut wie fertig gekocht. Mit einem hölzernen Kochlöffel rührt der Bauer über die Oberfläche, sodass eine karamellisierte Haut daran hängenbleibt. Wir können kosten, überlassen das aber lieber Cilfredo, der die größte Freude an der klebrigen Süßspeise hat.
Mit einer großen Kelle wird der Saft schließlich in einen großen Holzbottich gelöffelt und in den Abfüllraum geschoben. Dort wird ein natürliches Verdickungsmittel aus lokalen Pflanzen in die Masse hinein gerührt.
Kaum stoppt der Bauer das Rühren, bläht sich die Masse auf. Die Haut bekommt lustige Strukturen, die an die Botero-Kunst erinnern. Mit viel Kraft wird noch zwei, drei Mal gerührt. Dann ist die Masse fertig zum Abfüllen.
Mit der Kelle wird die eingedickte Masse in zusammengesteckte Holzformen gegossen. So kann die Panela in Ruhe abkühlen. Fertige Zuckerziegelsteine finden wir im Nebenraum, wo wir das fertige Produkt auch probieren können. Anders als bei raffiniertem Zucker bleiben in der Panela die natürlichen Inhaltsstoffe
wie Vitamine und Mineralstoffe, also Eisen, Calcium, Magnesium und Zink, erhalten. Während wir also in aller Regel ungesunden Industriezucker für unsere Lebensmittel verwenden, nutzen die Kolumbianer mit ihrer Panela ein ausgesprochen gesundes Grundnahrungsmittel.
Die in Kolumbien hergestellte Panela ist jedoch für den Binnenmarkt bestimmt. Sie ist ein wichtiger Wirtschaftszweig der ländlichen Bevölkerung. Doch wie es weltweit in der Agrarindustrie läuft, werden leider auch hier den Kleinbauern Knüppel vor die Beine geworfen. Neue Vorschriften verlangen von den meist armen Familien,
in technologische Neuerungen und Fortbildungen zu investieren. Die Kosten von knapp 5000 Dollar pro Familie sind für die meisten ein Ding der Unmöglichkeit. Zudem wird ihnen zertifiziertes Saatgut vorgeschrieben, wovon bislang weltweit einzig die Großindustrie profitierte.
Irgendwann werden sich die industriellen Zuckerfabriken und Großindustrien das Marktmonopol auf Zucker und Panela sichern. Die Ernährungsgewohnheiten werden sich ändern und auch die kolumbianische Bevölkerung wird mehr und mehr zu künstlichen Süßstoffen greifen. Doch wir hatten einen schönen Einblick in die Panela-Produktion und genießen noch den mit Limettensaft vermischten Agua de Panela, der richtig schön erfrischend wirkt.