»Gut Ding braucht Weile.« Wenn dieser alte Sinnspruch zutrifft, dann kann unser Ausflug in den Tayrona Nationalpark nur richtig gut werden. Wir sind bereits eine Stunde unterwegs, als wir bei El Zaino, dem Eingang zum Parque Nacional Natural Tayrona ankommen. Die Eintrittskarten sind schnell besorgt. Wer denkt, dass wir sogleich durchstarten können, sieht sich jedoch getäuscht. Stattdessen stehen wir herum und warten.
Zwischendurch bekommt jeder ein Sicherheitsband um das Handgelenk verpasst. Es berechtigt uns offiziell für den Eintritt in den Park. Die Eingangshalle selbst gleicht den Wartebereichen der Achterbahnen oder dem Fjord-Rafting im Europa Park von Rust. Jetzt, in der Nebensaison, ist wenig los in Tayrona. Aber vielleicht arbeitet das Personal hier nur, wenn dichtes Gedränge herrscht?
Cilfredo versucht, uns einen Kleinbus zu organisieren, sodass wir die ersten vier Kilometer bis Cañaveral fahren können. Doch die Kleinbusse sind alle weg. Erst nach längerem Hin und Her bekommen wir die Genehmigung, dass unser große Bus die Fahrt übernehmen darf. Nach einer Stunde Wartezeit kann es endlich losgehen.
In der Zeit hätten wir die Strecke locker zu Fuß geschafft. Tatsächlich machen sich bereits viele Leute direkt beim Eingang auf den Weg. Allerdings verläuft die Straße nach Cañaveral schnurstracks durch den Wald, bietet weder Aussichten noch Abwechslung und ist damit eher unspektakulär.
Kurz vor Cañaveral endet die befestigte Straße. Wer fußfaul ist, kann dort umsatteln und mit dem Pferd weiter in den Nationalpark eindringen. Wie im Cocora-Tal wird das Angebot auch hier gut angenommen. Aber wir sind zum Wandern nach Tayrona gefahren.
Um immer auf dem richtigen Weg zu bleiben, begleitet uns Jessica von der Parkverwaltung. In knallenger Jeans und rosa Turnschuhen spaziert sie fröhlich vor uns her. Es scheint kein Gewaltmarsch zu werden.
Wanderung durch den Tayrona Nationalpark
Bald schon entdecken wir die ersten Tiere. Es sind Blattschneideameisen, die sich ihre Wege über einen großen Felsen bahnen. Da sie sich auf eine für uns angenehme Höhe bewegen, nutzen wir die Gelegenheit für ein paar Aufnahmen. Und schon haben wir die Gruppe aus den Augen verloren. Aber das ist kein Grund zur Sorge. Der Wanderweg ist frei von Verzweigungen und außerdem so angelegt, dass man ihn kaum verfehlen kann. Lediglich Jessicas allgemeine Informationen über den Tayrona Nationalpark entgehen uns.
Sie soll uns außerdem die Tierwelt näherbringen. Auf größere Tiersichtungen indes brauchen wir nicht zu hoffen. Dafür sind auch in der Nebensaison zu viele Menschen unterwegs. Zumindest aber kann uns Jessica mehrere Palmenarten vorstellen, die im Park wachsen. Neben den allseits bekannten Kokospalmen zählen dazu auch Raritäten wie die Kleider-, Gürtel- und Hutpalme sowie der aus dem Elsass eingewanderte Gewürzpalminer. Nun gut, vielleicht heißt letztere auch schlicht Weinpalme.
Der östliche Teil des Parks, in welchem wir uns gerade befinden, ist feucht und fruchtbar. Dieser Bereich ist größtenteils von Regenwald bedeckt und bietet vielen Tieren einen Schutz im Dickicht. Es leben mindestens 56 gefährdete Tierarten im Nationalpark. Um ein paar Arten zu sehen, müssten man sich allerdings frühmorgens oder abends an geeigneter Stelle auf die Lauer legen.
Ansonsten bleiben die Tier außer Sichtweite des Menschen und verkriechen sich im tiefen Wald. Um nicht schon am Anfang der Tour nasse Füße zu bekommen, sind die ersten Sumpflöcher und Wasserläufe mit einem hölzernen Steg überbaut. Wir sind heilfroh, dass wir in Palomino unseren Vorrat an Mückenschutz aufgestockt haben.
Monsaui Dueno del viento und Hotel Ecohabs
Auf richtig gut angelegten Wegen wandern wir immer leicht bergauf durch den dichten Dschungel des Tyrona Nationalparks. Nach anderthalb Kilometern öffnet sich der Wald und gibt eine erste Aussicht über das Blätterdach der Bäume frei. In der Ferne rauscht das Meer. Dort wollen wir hin. 200 Meter weiter sowie nach einer kurzen Kraxelei erreichen wir den Aussichtspunkt Monsaui Dueno del viento. Unter einem Schatten spendenden Dach bietet ein Kolumbianer Getränke und auch Eis an.
Alles wird direkt aus zwei einfachen Kühltaschen heraus serviert. Sowie wir vor den Rand des Felsens treten, haben wir eine wunderschöne Aussicht auf die Punta Castillete. Wenige Meter oberhalb vom Strand ist das Hotel Ecohabs traumhaft gelegen. In Tairona-Bauweise sind dort wunderschöne gestaltete Hütten in den Urwald gesetzt. Für knapp 200 EUR kann man sich dort für die Nacht einmieten. Das ist sicherlich auch ein schönes Erlebnis.
Ab dem Aussichtspunkt wird die Strecke felsiger. Zwischen großen, runden und weißen Granitbrocken führt uns der Weg hinunter an den Strand. Durch die runden Felsen wirkt die Kulisse fast schon wie bei einem Seychellen-Strand. Wir spazieren ein Stück über weißen Sandstrand,
bevor es ein paar Schritte hinauf geht und wir wieder ins grüne Dickicht eintauchen. Diesmal sind es schattenspendende Mangroven, durch die uns der Weg führt. Die hohe Luftfeuchtigkeit und die Hitze fordern bald ihren Tribut. Mit anderen Worten: die ersten der Gruppe machen schlapp. Wir sind zum Glück Schlimmeres gewohnt und halten durch.
Nach 3,2 Kilometer erreichen wir die Finca El Paraiso. Wer nicht weiter will oder kann, bekommt hier Gelegenheit, aus der Tour auszusteigen. In so einem Fall kann man die restliche Zeit am Strand Arrecifes verbringen. In Bereich der Finca befinden sich ein Campingplatz und ein Restaurant,
wo man sich erfrischen kann und etwas zum Trinken bekommt. Und Trinken ist ganz wichtig, denn die Tour ist wirklich schweißtreibend. Es ist zwar schön, über den weißen Sand der Strände zu laufen. Doch anschließend ist man auch immer froh, wenn der Weg wieder durch den schattigen Wald führt.
Im weiteren Verlauf wird der Weg etwas ungemütlicher. Gelingt es einem, dem Pferdemist bei der Finca El Paraiso auszuweichen, steht man mit dem nächsten Schritt schon fast im ersten Sumpfloch. 200 Meter weiter braucht es dann Geschick oder einfach nur Trekking-Sandalen, wie wir sie haben. Dort unterbricht ein Flusslauf den Weg. Ein gestürzter Baumstamm und eine locker herunter hängende Liane ermöglichen, trockenen Fußes über den Fluss zu balancieren.
Ganz überrascht sind wir nun von Jessica, die flugs ihre Schuhe auszieht und freiwillig durchs Wasser watet. Allerdings muss sie im nächsten Augenblick den Grazien unserer Gruppe Hilfestellung leisten, die lieber trocken bleiben. Auf dem Baumstamm geben sie ein leicht ungeschicktes Bild ab. Wir warten nur kurz ab, ob doch noch eine im Wasser landet.
Die Mühe ist leider für die Katz'. Denn nur einen Steinwurf weiter kreuzt bereits der nächste Fluss unseren Weg. Anstelle eines Baumstamms treten lange Gesichter auf, weil die Füße jetzt doch nass werden. Uns ist das egal, wir sind gut ausgerüstet und waten auch hier einfach durch das seichte Wasser.
Allerdings vergeht uns die Lust, ständig auf die anderen zu warten. Überzeugt, den Cabo San Juan del Guia auch ohne Hilfe finden zu können, machen wir uns alleine auf den Weg. Auch Jessica hat offensichtlich keine Lust auf weitere Verzögerungen. Denn am nächsten Strand hat sie uns eingeholt, ohne dass von den anderen auch nur einer zu sehen ist.
Auf dem Weg zum Cabo San Juan del Guia, dem Kap des Führers San Juan, kreuzen wir noch weitere Flüsse. Diese werden von sehr natürlichen Behelfsbrücken überspannt. Danach führt uns der Weg noch einmal durch einen idyllischen Palmenhain. Schließlich aber wird der Weg richtig fies. Es reiht sich ein Matschloch an das nächste. Manche können wir sehr leicht umgehen. Über andere springen wir drüber hinweg oder wir suchen einen Umweg durchs Dickicht.
Und einmal ist es ein entgegenkommender Mann, der uns über eine ausgewaschene, enge Rinne hinweghilft. Schließlich aber müssen wir aufpassen, nicht wieder übers Ziel hinauszuschießen, wie wir es beim Wasserfall im Cocora-Tal geschafft hatten. Denn nahe dem Kap verzweigen sich die Wege. Während ein paar Trampelpfade rechts an den Strand führen, verlaufen andere hinter dem Campingplatz an der Bucht vorbei und weiter zur Punta-Weitweitweg.
Nach über sechs Kilometern haben wir es dann aber geschafft. Wir erreichen den Cabo San Juan del Guia. Vor Ort sind wir ganz glücklich, dass es dort neben dem Restaurant auch einen Kiosk gibt. Denn während beim Restaurant Schlange gestanden und zunächst die Wünsche der Gäste en bloc notiert werden, brauchen wir dringend etwas Kühles zum Trinken. Zwischen dem Strandrestaurant, einem Gebäude mit sanitären Anlagen und dem Wald befindet sich ein großer Campingplatz.
Dort steht ein billiges Igluzelt am anderen, ordentlich in Reih und Glied. Sie sind durchnummeriert und können für die Nacht gemietet werden. Wer es authentisch mag, kann sich alternativ einen Schlafplatz unter einem großen Dach anmieten. Dort hängt dann eine Hängematte neben der anderen. In der Hauptsaison ist es sicher lustig, hier zu nächtigen. Bei unserem Besuch jedoch ist schier nichts los.
Zur Anlage gehören auch zwei richtig schöne Strände. Diese sind voneinander getrennt durch einen Flusslauf und einen Felsen, der ins Meer hinein ragt. Oben auf dem Felsen thront ein hübscher Pavillon, der wir als unser nächstes Ziel bestimmen. Es ist gerade Flut, sodass wir ein Stück durch das Meer waten und aufpassen müssen, nicht im Wasser auszurutschen. Dann aber führen bequeme Treppenstufen hinauf zur Hütte. Diese ist einiges größer, als wir sie von der Ferne einschätzt hatten.
Auch hier kann man über dem Meer in Hängematten die Nacht verbringen. Zwei Matten samt dazu gehörenden Schließfächern kosten in etwa soviel wie die Zimmer in den einfacheren Hotels der Umgebung. Wer es etwas feudaler mag, kann aber auch hier gegen einen entsprechenden Aufpreis eines der beiden Zimmer unterm Dach beziehen. In beiden Fällen hat man Leguane als Nachbarn. Auch sie beanspruchen den Felsen als ihren Lebensraum. Da sie vegetarisch ernähren, braucht man sich wegen denen allerdings kaum Gedanken machen.
Während der Großteil der Gruppe wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgeht und im Restaurant auf ihre Mahlzeit wartet, knabbern wir auf dem Aussichtsfelsen ein paar Nüsse. Bald kommen wir mit den Übernachtungsgästen ins Gespräch. Bei einem Wetter wie heute ist sicher toll, hier ein paar Tage zu verbringen.
Was aber macht man an einem Regentag wie gestern? »Einfach abwarten bis es irgendwann wieder aufhört.« Prima, genau das hatten wir befürchtet. Auf jeden Fall ist die Aussicht über das Kap und die beiden Buchten einmalig.
Auf selbem Weg wie hinzu geht es auch wieder zurück. Wir lassen die anderen in Ruhe ihre Teller leer essen und laufen alleine los. So bleibt uns auf dem Rückweg genügend Zeit für Strandfotos ohne Menschen.
Tatsächlich haben wir die Matschlöcher kaum hinter uns gelassen, als wir auch schon bei schönstem Licht am nächsten Strand stehen. Die Tour durch den Tayrona-Park ist so richtig schön und wir fühlen uns mit der vielen Bewegung mal wieder richtig wohl.
Hin und wieder sind wir uns unsicher, ob wir einen Abzweig verpasst haben. Denn ab dem Strand von Arrecifes sind wir so gut wie alleine unterwegs. Ich klettere auf die gewaltigen Steine. Sie sind hier einiges leichter zu bezwingen als die auf den Seychellen.
Hier ist die Oberfläche zwar griffig, aber weniger scharfkantig und pikst auch nicht so arg. Ein versehentliches Herunterpurzeln sollte man trotzdem vermeiden, auch wenn heute unserer letzter Reisetag ist.
Nahe Arrecifes fällt uns nun auch das Schildkrötenschild am Felsenstrand auf. Der Strandbereich ist für Fußgänger abgesperrt, weil es ein Brutgebiet von vier Meeresschildkröten ist: der Echten und Unechten Karettschildkröte, der Lederrückenschildkröte und der als Suppenschildkröte bekannten Grünen Schildkröte.
Das Schild macht die Parkbesucher darauf aufmerksam, dass man bitte nicht mit künstlichem Licht zu den Tieren leuchten soll, während sie sich am Strand aufhalten. Es stört die Schildkröten und erschwert ihnen, den Weg ins Meer zurückzufinden.
1999 verzeichneten Meeresbiologen eine Abnahme der Brutweibchen im Tayrona Nationalpark. Um dieser Entwicklung, aber auch dem allgemeinen Artenrückgang entgegenzuwirken, wurde das Programm zur Erhaltung von Meeresschildkröten und Säugetiere (ProCTMM) ins Leben gerufen. Mit Unterstützung der Umweltbehörden, von Firmen, dem Fischereiverband und der Schulen in Santa Marta werden die von den Schildkröten genutzten Strände erforscht.
Während der Brutzeit werden die Naturschützer von den Fischern der Umgebung sowie von Freiwilligen unterstützt. Ziel ist es, die Nester vor dem Zugriff durch Seevögel zu schützen. Sobald die Jungtiere aus ihren Eiern schlüpfen, werden sie ins Aquarium von Mundo Marino in Santa Maria gebracht. Wenn die Jungtiere groß genug sind, werden sie nach acht bis zwölf Monaten am Strand ihres Nestes freigelassen. Damit will man den zukünftigen Generationen die Möglichkeit geben, die herrlichen Tiere kennenzulernen.
Ein kurzes Stück nach dem Brutrevier kommen wir zu einem zweiten Schild. Dieses warnt uns vor dem Baden im Meer. Denn auch in Tayrona sind die Bademöglichkeiten rar. Wegen starker und tückischer Strömungen gibt es immer wieder Tote. Man solle sich hier nicht zum Teil der Todesstatistiken machen. Das ist doch mal sehr freundlich formuliert.
Gleich danach wird deutlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Denn in der Ferne sehen wir wieder die mit Palmblatt gedeckten Bungalows der Finca El Paraiso. Nun trennt nur noch ein kurzes Stück bis zum Parkplatz von Cañaveral. Trotz der Nebensaison scheint sich das heutige Geschäft im Park gelohnt zu haben. Auf unseren letzten Metern kommt uns ein geländetaugliches und gepanzertes Sicherheitsfahrzeug entgegen.
Was beim Parkplatz allerdings nach wie vor fehlt, sind die Minibusse, welche zwischen dem Parkeingang und dem Ausgangspunkt der Wanderungen pendeln. Uns kann das egal sein, denn wir haben unseren eigenen Bus, der bald bereitsteht. Sowie auch der Rest unserer Gruppe eintrudelt, fahren wir zurück nach Palomino. Die Wanderung durch den Nationalpark Tayrona war ein Highlight unserer Reise. Und das vor allem, weil wir so oft alleine durch die herrliche Natur schlendern konnten.