Laut unserem Programm sollten wir in Salento einen freien Mittag haben. Demnach war für den Vormittag eine Wanderung durch das Valle del Cocora geplant. Erst am Tag der Weiterreise sollten wir die Kaffeeplantage besuchen. Tatsächlich hatten wir uns darauf gefreut, durch die Gassen von Salento bis zum Aussichtspunkt oberhalb der Stadt zu schlendern. Gerne hätten wir das koloniale Flair genossen und am Abend Salsa getanzt.
Doch die Ernüchterung folgt auf dem Fuß. »Die Fahrt von Salento nach Medellin ist wieder sehr lang«, bedauert Cilfredo. Würden wir uns strikt ans Programm halten, kämen wir erst nach Mitternacht in Medellin an. Oder wir hätten kaum Zeit für den Besuch der Kaffeeplantage. So also absolvieren wir beide Programmpunkte an nur einem Tag. Lange Rede, kurzer Sinn: Damit entfällt unser freier Nachmittag in Salento. Schade eigentlich.
Leider beginnt es nach einer kurzen Mittagspause außerdem zu regnen. Trotzdem holen uns die nächsten Willys pünktlich beim Hotel Solento Real ab. Auf der Fahrt sind wir uns uneins, wovon wir mehr nass werden, vom Regen oder vom Sprühwasser der Straße? So also hocken wir in den Jeeps und spannen trotz des Dachs die Schirme auf, um uns zumindest ein wenig vor der Nässe zu schützen. Bei anhaltendem Regen kommen wir schließlich im Cocora-Tal an.
Vor Ort staunen wir, wie hart die Kolumbianer im Nehmen sind. Es ist Sonntag, und sonntags unternimmt man mit der Familie einen Ausflug, egal bei welchem Wetter. Kurzum, hier hinten ist die Hölle los. Auf dem Parkplatz stehen die Autos dicht an dicht, und auch das Restaurant direkt an der Straße ist am Anschlag seiner Kapazitätsgrenze. Doch wenn man schon einmal hier hinten ist, dann will man auch etwas erleben. So finden selbst die Pferdewirte reichlich Arbeit dank der abenteuerlustigen Regenausflügler.
Cilfredo sieht man inzwischen an, dass es ihm zu viel wird. Doch er hat die Wanderung selbst auf diese Zeit verlegt, also muss er sie wohl oder übel durchziehen. Zumindest zwei der Gruppe – wir natürlich – wollen los.
Ganz in der Nähe stehen außerdem zwei Nonnen und schießen Fotos von sich. Und das ohne Schirm! Oder ahnen sie etwas? Kaum haben sie ihre Schnappschüsse im Kasten, da hört es auf zu regnen. Vámonos!
Über das Ende der befestigten Straße spazieren wir hinab zum Flüsschen Quindio. Dieser wird uns fortan mehr oder weniger nah begleiten. Und seinen weiter flussaufwärts gelegenen Wasserfall erklärt Cilfredo als Ziel der Tour. Leider sind die Berggipfel durch die tiefhängenden Regenwolken verdeckt. Auch die Palma de cera, die Quindio-Wachspalme, die als eine botanische Besonderheit des Tal gilt.
1801 entdeckte Alexander von Humboldt diese ausschließlich in Kolumbien vorkommende Palmenart. Sie soll mit einer Wuchshöhe von bis zu 50 Metern, seltener sogar bis zu 60 Metern, die höchste Palme der Welt sein. Das können wir gerne glauben. So sehen wir von manchen Pflanzen nur die Stämme, während ihre Kronen schemenhaft in den Wolken wedeln. Bei Sonne ist es hier sicher schöner.
Egal, es gefällt uns trotzdem hier hinten. Und weil jeder sein eigenes Tempo wählen kann, bleibt die Gruppe schon bald hinter uns zurück. Der Weg ist getrennt für Wanderer und Reiter, wobei der Reiterweg manchmal einiges besser aussieht als der Matschpfad, über den wir waten. Auf halber Strecke müssen wir warten. Eine Herde Kühe wird von der Weide geholt bzw. zum Melken auf die andere Seite des Weges in den Stall getrieben.
Wenige Augenblicke später hat sich Vieh- und Wanderweg-Kreuzung in ein neues, nur mit Mühe zu meisterndes Matschloch verwandelt. Wie es Lars trotzdem schafft, nicht nur dieses, sondern auch alle folgenden Matschlöcher zu umgehen, zählt dann wohl zu den großen Mysterien dieser Rundreise. Tatsächlich aber gelingt es ihm als einzigem der Gruppe, bis zum Ende der Wanderung saubere Schuhe zu behalten.
Bald danach tauchen wir in den Nebelwald ein und wird der Pfad felsiger. Als das Terrain außerdem spürbar steiler wird, hören wir plötzlich Cilfredo hinter uns. Wir haben keine Ahnung, wie er es geschafft hat, aber irgendwie hat er zu uns aufgeschlossen. Und das aus einem guten Grund. Wir sind ja der Meinung, dass man so einen Wasserfall gar nicht verfehlen kann.
Hier jedoch verhält es sich anders. Die Cascada del Quindio ist nur eine schmale Rinne, die sich allzu leicht übersehen lässt. Auch der Zugang ist kaum mehr als ein Trampelpfad, der links des Wegs im Unterholz verschwindet. Wären wir weiter gerannt, hätten wir uns auf eine längere Tour aufgemacht, die sich bei solch diesigem Wetter weniger lohnt.
Was sich jedoch lohnt, ist der Abstieg zur Kaskade. Weil der Zugang über mehrere kleine Geländestufen führt, muss man vielleicht ein wenig klettern. Aber das Wasserfallbecken ist richtig hübsch. Und außerdem interessant, da just bei unserer Ankunft zwei Fischer entlang der Felswände klettern und auf einen dicken Fisch an der Angel hoffen. Bald schon wird es Zeit für den Rückweg, der über denselben Pfad verläuft. Es ziehen erneut dunkle Wolken auf.
Dennoch hat uns die Tour durch das satte Grün Kolumbiens richtig gut gefallen. Wir schaffen es sogar noch vor dem nächsten Regenschauer zurück zu den Willys. Blöd nur, dass jetzt, am späten Nachmittag, auch viele andere Gäste wieder nach Salento wollen und es keine Sonderbehandlung für Gruppen gibt. So müssen wir uns über eine halbe Stunde mit dem Regenschirm in der Warteschlange gedulden, bevor wir endlich die Rückfahrt antreten können.