Wer sich die auf den Euroscheinen abgebildete Karte genauer anschaut, erkennt dort die Länder, in denen der Euro offizielles Zahlungsmittel ist. Links neben der Landmasse von Europa sind die Azoren und Madeira sowie, südlich davon, die Kanaren zu sehen. Wie viel Mühe sich die Graphiker bei der Gestaltung des Scheins gemacht haben, zeigen die vier Kästchen, die ganz links auf dem Geldschein abgebildet sind. Das große steht für Französisch-Guayana, die anderen drei für die ebenfalls zu Frankreich gehörenden Inseln Guadeloupe, Martinique und, ganz unten, die Île de la Réunion. Nachdem wir unser Reiseziel auf dem Schein gefunden haben, gleich noch ein Tipp dazu: nehmen Sie ihn mit. Denn weil so ziemlich alles importiert wird, was es auf La Réunion zu kaufen gibt, sind die Preise etwas höher als in anderen Ferienergionen Frankreichs.
Noch deutlich höher als die Preise sind die Erwartungen, die man an die Île de la Réunion stellen darf. Denn die früher Île Bourbon genannte Insel lässt sich eigentlich nur mit Begriffen wie magnifique, großartig, beschreiben. Besonders deutlich wird dies beim Wandern. Sind es auf der einen Seite die von hohen Felswänden umschlossenen Talkessel, die uns begeistern, so zieht uns auf der anderen Seite der bis heute aktive Vulkan Vulkan Piton de la Fournaise in seinen Bann. Mit dem Piton des Neiges überragt das Zentrum der Insel die 3000er-Höhenmarke, während an der Küste selbst im Winter tropische Temperaturen zum Baden einladen. Und obendrauf gibt es etwas, was man auf den anderen Inseln im Indischen Ozean vergeblich sucht: europäischen Standard. Dazu zählen gut ausgebaute, sichere Straßen, Läden mit einem Sortiment, mit dem wir als Mitteleuropäer bestens klar kommen ... und zum Frühstück eine Käseauswahl, wie wir sie aus dem Elsass und den Vogesen gewohnt sind.
Eigentlich hätte uns diese Reise nach Madagaskar bringen sollen. Doch Lars' Besuch bei der ITB Berlin ließ uns umdenken. Direkt neben dem Stand von Madagaskar befand sich der von La Réunion und, ja, irgendwie ist er dort hängen geblieben. Denn schon bei unserer Reise nach Mauritius hatten wir einige Male Franzosen von der Insel getroffen, die mit ihren Schilderungen unsere Neugier geweckt hatten. Als Folge brachte Lars jede Menge Infomaterial von La Réunion mit, welches gespickt war mit den schönsten Bildern von Palmenstränden, von hohen, naturbelassenen Bergen und Vulkanen. Was diese Bilder alle gemeinsam haben: sie sehen unheimlich teuer aus. Passt das in unser Budget? Egal, der Funke war längst übergesprungen und die Entscheidung gefällt: wir wollen nach La Réunion.
Doch wie kommt man dorthin? Direktflüge von Deutschland zur Inselhauptstadt Saint-Denis gibt es keine. Nur ab Paris fliegt Air Austral die »Île de la Réunion« täglich an. Das kann man machen. Interessanter klingen für uns aber die Verbindungen von Mauritius. Zwischen den beiden Inseln gibt es sogar mehrere Flüge täglich. Letztendlich entscheiden wir uns stattdessen für eine Anreise über die Seychellen. Damit geht es zunächst mit Condor über Nacht nonstop nach Mahé. Dass es von dort nur wenige Flugverbindungen in der Woche nach Saint-Denis gibt, kommt uns gelegen. So können wir noch ein paar Tage an paradiesischen Stränden verbringen.
Nach drei erholsamen Tagen mit kurzen Ausflügen auf Mahé starten wir am frühen Morgen zu unserem eigentlichen Ziel der Reise: La Réunion. Während die Seychellen so ziemlich jedem bekannt sind, wurde die Frage »wo geht es denn diesmal hin?« meist mit »wo ist das denn?« ergänzt. Bei der Antwort »Frankreich« ernteten wir nur fragende Blicke: »Ihr fliegt zu den Seychellen, um von dort nach Frankreich zu fliegen?« Denn nur wenige kennen die südlichste Insel Frankreichs im Indischen Ozean. Wobei auch auf der Insel so manch ein Tourist etwas irritiert ist und denkt, er befände sich im Pazifik.
Unsere Französischkenntnisse sind zwar bescheiden, doch nachdem wir schon einige Zeit im Elsass verbracht haben, sind wir sicher, dass wir vor Ort zurecht kommen werden. Einzig das Buchen der Hotelzimmer haben wir lieber einem Spezialisten überlassen, der französisch spricht und die Insel aus eigener Erfahrung kennt. Traumziele Reisen hat uns hier verschiedenste Unterkünfte, verteilt über die ganze Insel, zusammengestellt und uns schon vor der Reise richtig neugierig gemacht. Am Flughafen hätte uns dann einer der Partneragentur vor Ort mit einem Schild empfangen sollen. Da wir keinen sehen, keine besonderen Fragen haben und auch keinen Transfer gebucht haben, machen wir uns jedoch sofort auf den Weg zur Autovermietung.
Anders als bei unseren letzten Mietwagenreisen verläuft das Abholen ohne nerviges Aufschwätzen von einem größeren Auto. Hier ist es offenbar normal, das Bergland mit kleinen Autos zu erklimmen. So haben wir schon bald unseren Peugeot 108. Der ist wirklich winzig, aber beide Koffer passen in den Kofferraum – das reicht uns. Bereits daheim hatten wir unser Navi mit den Hoteladressen und allerhand Nützlichkeiten programmiert … und dann liegt der Flughafen auch schon hinter uns.
Erstes Ziel ist Hell-Bourg im Cirque de Salazie. Bereits auf den ersten Kilometern wird uns bewusst, dass wir uns in Europa, also in Frankreich befinden. Die Autobahnen sehen aus wie die im Elsass. Die gleiche Markierung, die gleiche Beschilderung, die gleichen Blitzer. Nur dass hinter diesen Kokospalmen stehen. Es ist bewölkt und nieselt leicht. Wir hoffen, dass dies bald besser wird und kommen zugleich gut voran, sodass wir schneller als gedacht Hell-Bourg erreichen. Kurz vor der Einfahrt zu unserem Hotel fällt Lars schließlich ein, warum wir die Reiseagentur hätten treffen sollen: »Die haben unsere Voucher!«
Egal, das erste Hotel nimmt uns auch so auf. Trotzdem doof, zumal ich später in den Unterlagen lese, dass es am Flughafen einen Schalter gibt, sollte uns keiner empfangen. Wer liest, ist also auch auf La Réunion klar im Vorteil. Wir beschließen, nach unserer Salazie-Tour zum Flughafen zurück zu kehren und unsere weiteren Unterlagen abzuholen. Soweit aber kommt es nicht: schon am nächsten Morgen bringt uns die Hotelmanagerin unsere Voucher um 7 Uhr morgens an den Frühstückstisch! Wir sind begeistert – toller Veranstalter, zumal Hell-Bourg doch ein gutes Stück vom Flughafen entfernt ist.