Nachdem die Berge bei unserer Ankunft in Wolken verhüllt waren, sind wir am nächsten Tag heilfroh, blauen Himmel über uns zu sehen. Wir sind früh auf den Beinen und genießen die herrliche Aussicht vom Hotel aus. Jetzt gilt es, die nebel- und wolkenfreie Zeit gut zu nutzen, womit wir direkt nach dem Frühstück aufbrechen. Die Fahrt von Hell-Bourg zum Wanderparkplatz von Ilet à Vidot dauert nur wenige Minuten, sodass wir dort bald als erste Wanderer an diesem Morgen ankommen. Die Sonne scheint und ich creme mich noch rasch ein, bevor es losgeht. Kurz nach uns erreichen weitere Autos den kleinen Parkplatz am Ende der Straße. Dann aber starten wir auch schon unsere Tour.
Kaum sind wir unterwegs, pfeift es. War das ein Vogel? Wir wissen es nicht und laufen weiter. Auch den nächsten Pfiff schreiben wir einem uns unbekannten Vogel zu. Als wir auf einen dritten Pfiff warten, hören wir stattdessen, wie jemand hinter uns her rennt. Eine junge Frau hält meine Uhr in der Hand, die ich beim Eincremen ausgezogen und liegen lassen habe. Juhu! Wir sind in Frankreich! Womöglich ist La Réunion die einzige Insel im Indischen Ozean, auf der einem liegen gelassene Uhren hinterherlaufen. Allerdings hätte sich das Mädel den Weg sparen können, da wir in die falsche Richtung gestartet sind und kurz nach ihr wieder zum Parkplatz zurückkehren.
Bei unserem zweiten Start laufen wir die Betonrampe am Ende vom Parkplatz herunter, sodass wir vor uns die Stromleitung mit den rot-weißen Markierungen sehen. Dort kommen wir auf den GR R1, einen der großen Fernwanderwege auf La Réunion, die auf den erloschenen Vulkan Piton des Neiges führen. Unser Ziel, der Grand Sable, ist hier ebenfalls schon angeschrieben. Nach einem kurzen, steilen Abstieg erreichen wir den Rivière du Màt. Den Fluss können wir über eine Stahl-Hängebrücke queren. Auf der anderen Seite teilt sich der Weg. Rechts geht es in zwei Stunden zum Piton d'Anchain. Wir aber bleiben auf dem Weg, der weiter bergauf durch Obst- und Gemüseplantagen führt. Schilder machen klar, dass Gäste bzw. Gartenschnorrer auf den Grundstücken nicht willkommen sind. Immerhin müssen die Bauern hier von ihrer Ernte leben und wenn sich jeder Wanderer eine Frucht stibitzt, dann fehlt ihnen am Ende eine ganz schöne Menge. Trotzdem sind die Bauern freundlich und winken uns während ihrer Feldarbeit.
Oberhalb der Felder wird der Weg ebener und schattiger, bis er schließlich in einen Filaowald eintaucht, der auf dem weiteren Weg immer dichter wird. Hier befinden wir uns in einem Gebiet, auf dem die ersten Siedler im 19. Jahrhundert große Waldflächen abgeholzt hatten, um immer mehr Ackerland zu schaffen. 1875 rächte sich der Raubbau an der Natur: nach schweren Regenfällen kam es zu einem Erdrutsch, der etliche Hütten und Bewohner mit in die Tiefe riss oder verschüttete. Um weitere Erdrutsche zu verhindern und den Boden zu sichern, wurden an den Hängen vom Grand Sable Filaobäume aufgeforstet. Mittlerweile haben sich diese zu idyllischen Wäldern entwickelt. Nach gut anderthalb Stunden haben wir den Grand Sable erreicht. Linker Hand steht eine Schutzhütte aus Naturstein auf einer Lichtung. Eigentlich hatten wir geplant, hier eine Pause einzulegen. Aber irgendwie wirkt die Hütte weder innen noch außen einladend. Hier ist es feucht und schattig. Also verweilen wir nur kurz und suchen uns ein netteres Plätzchen.
Rundwanderung durch den Filaowald Grand Sable
Damit kommen wir als Nächstes durch eine Filaoallee. Der Weg ist teilweise matschig und am Rand so sumpfig, dass sich Callas wohl fühlen. Auf etwa halber Strecke der Allee zweigt ein unscheinbarer Pfad nach links ab. Durch die gute Beschilderung ist der Sentier Trou Blanc auf 1070 m Höhe kaum zu verfehlen. Ab hier sind wir auf einer Nebenstrecke und achten ab jetzt auf die gelb-roten Markierungen. Der Pfad ist naturbelassen und quert kleine Bäche, sodass wir abwechselnd felsigen oder mit Nadeln bedecktem Grund wandern.
Ein längerer steiler und teilweise matschiger Abschnitt führt uns auf die Passhöhe. Ab hier geht es hinein ins Nachbartal zwischen dem Piton Lélesse und dem Piton Papangue. Der Pfad ist dicht bewachsen und eine große Seidenspinne spannt ihr großes Netz über uns. War der Pfad bis jetzt immer gut zu erkennen, so beginnt jetzt ein Felsen- bzw. Flussweg, bei dem wir des Öfteren nach den gelb-roten Markierungen suchen müssen. Mal laufen wir direkt im Bachbett, dann wieder nebenher. Nasse Füße bekommen wir zwar keine, dürfen dafür aber hin und wieder über große Felsen klettern.
Unten angekommen, treffen wir wieder auf den Rivière du Màt. Hatten wir zu Anfang noch eine Brücke, müssen wir jetzt eine Furt suchen. Zunächst jedoch laden Badebecken, Sandbänke und rund gewaschene Steine zu einer Pause in dem wildromantischen Tal ein. Anschließend laufen wir rechts ein kurzes Stück flussaufwärts. Dort entdecken wir bald die uns versprochene Furt, die sich allerdings eher als Steinwall entpuppt, bei der wir den Fluss trocken queren können. Gegenüber hilft eine Metallleiter, eine steile Flussböschung zu überwinden. Der weitere Aufstieg erfolgt über einen Pfad bis hinauf zu den ersten Behausungen auf dem Ilet Trou Blanc. Nur noch wenige Leute wohnen hier und leben von der Landwirtschaft. Zwischen Feldern und kahlen Felsen führt der Wirtschaftsweg mal leicht bergauf, dann wieder bergab bis zur Hauptstraße. Auf dieser sind es links nur noch wenige Minuten bis zum Parkplatz, wo unsere erste schöne Wanderung auf der Insel La Réunion endet.
Eindrücke einer landschaftlich sehr schönen Rundwanderung am Grand Sable im Cirque de Salazie, La Réunion.
Die Anfahrt erfolgt über die D 48 in den Talkessel von Salazie. Der Hauptstraße bzw. D 48 über Salazie und Hell-Bourg bis nach Îlet à Vidot folgen. Im oberen (nördlichen) Teil des Ortes links zum Wanderparkplatz abbiegen und der Sackgasse bis zum Parkplatz folgen.
Ausgangspunkt | Parkplatz oberhalb Îlet à Vidot am Ende der Straße (750 m) |
Koordinaten | S 21.0575, E 55.5013 |
Gehzeit | 4 Stunden |
Distanz | 9,5 km |
Anstiege | ca. 650 HM |
Grad | T3 |
Einkehr | keine, Rastmöglichkeit am Fluss |
GPS-Daten | Wanderung-Le-Grand-Sable.gpx |
KML-Daten | Wanderung-Le-Grand-Sable.kml |