Unterhalb der Burgruine Krimulda, nahe der Straße von Sigulda nach Turaida, befindet sich die Gutmannshöhle. Sie ist die größte bekannte Höhle im Gauja Nationalpark sowie auf dem gesamten Baltikum. Zugleich ist sie die älteste touristische Sehenswürdigkeit von Lettland. So sind die Höhlenwände über und über mit Nachrichten, Wappen und Namen versehen, von denen die ältesten auf das 17. Jahrhundert datiert werden. Die Gutmannshöhle ist über einen ebenen Fußweg in wenigen Minuten bequem zu erreichen. Deshalb müssen wir uns die Attraktion zunächst mit einer größeren Reisegruppe teilen. Bald aber werden die Teilnehmer zurück zum Bus gerufen, sodass wir uns dann doch ungestört umschauen und die Stimmung dieses sagenumwobenen Orts in uns aufnehmen können.
Schon der Anblick der zehn Meter hohen und als Mundloch beschriebenen Höhlenöffnung ist imposant. Gleiches gilt für die aus Buntsandstein gebildeten Felswände, die im Umfeld der Höhle bis zu 85 Meter hoch sind und die höher gelegene Burg vor Angriffen schützten. Dabei diente die Gutmannshöhle selbst einst Jägern und durchziehenden Menschen als Lager und Unterschlupf. Heute sind es indessen Amphibien und Ringelnattern, Zaunkönige, Leberblümchen und Scharbockskraut sowie Dillwyn-Flechten, Farne und das Kegelkopfmoos, die hier einen geeigneten Lebensraum finden. Über diese und weitere, auf Höhlen spezialisierte Arten informiert eine Schautafel nahe dem Eingang. Schlangen haben wir bei unserem Besuch zwar keine entdeckt, aber die Frösche sind leicht zu finden.
Ein Grund, warum die Höhle schon so früh zum Ziel von Besuchern wurde, erklärt eine Legende. Demnach soll die Höhle durch die Tränen der Ehefrau des livischen Häuptlings Rindaugs entstanden sein, nachdem diese als Strafe für seine (!) Untreue im nahen Flussufer eingegraben wurde. Symbolisiert wird die Traurigkeit der Frau bis heute durch die Quelle, die im hinterer Bereich der Höhle aus dem Felsen sprudelt. Eng mit der Entstehungsgeschichte verbunden ist die Annahme, dass die Quelle Heilkräfte habe. So soll ein »Gut Mann« genannter Heiler das Wasser genutzt haben, um Krankheiten zu behandeln. Später sollen Männer und Frauen das Wasser mit dem Wunsch getrunken haben, dass ihre Liebe und Treue ewig andauere, und sich junge Mädchen an der Quelle das Gesicht gewaschen haben, damit sie für immer jung und schön blieben.
Auch bei der Legende der Rose von Turaida steht die Gutmannshöhle im Mittelpunkt des Geschehens. Nachdem die junge Frau im Glauben, ihren Verlobten hier anzutreffen, zum Eingang der Höhle gekommen war, wurde sie stattdessen von Adam Jakubovski, einem polnischen Söldner, empfangen. Weil sie zuvor seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte, wollte er sie nun mit Gewalt nehmen. Um diesem Schicksal zu entrinnen bot Mai dem Söldner ihr Halstuch an und behauptete, es würde den Träger unverwundbar machen, insofern er sie von dannen gehen ließe. Um dies zu untermauern, forderte sie ihn auf, die Wirkung des Tuches an ihr zu testen. Jakubovsky zögerte, zog dann aber doch sein Schwert und verletzte Mai tödlich. Entsetzt über die eigene Tat soll er sich danach erhängt haben.