Zu den auffallendsten Begabungen von Stalin zählt, Hochhäuser als eine Art Denkmal in die Städte zu stellen, auch wenn die Einheimischen nur wenig Gefallen daran finden. So haben wir das schon in Warschau beim Kulturpalast erfahren. In Riga gilt dies für die Stalinkathedrale, in der die Lettische Akademie der Wissenschaften untergebracht ist. Die charakteristische Architektur des sozialistischen Klassizismus wird leicht abwertend auch Zuckerbäckerstil genannt. Wie um das zu untermauern sprechen die Rigaer bei ihrem Wolkenkratzer von »Stalins Geburtstagstorte«.
Als Vorbild zur Gestaltung des 108 Meter hohen Baus dienten die »Sieben Schwestern«, sieben Hochhausbauten in Moskau, zu denen auch das russische Außenministerium in Moskau gehört. Ursprünglich sollte das in Riga errichtete Hochhaus zum »Haus der Kolchosenbauern« werden, ausgestattet mit einem Hotel, einer Bibliothek und Konferenzräumen. Doch nach dem Tod Stalins beschloss der neue Machthaber Chruschtschow, dass die Kolchosenbauern besser auf dem Lande aufgehoben sind, während sich der Bau eher für die Wissenschaft eignet. Somit hat die Akademie auch heute noch ihren Sitz in der Stalinkathedrale.
War das russische Außenministerium in Moskau von den Straßen aus so gut wie nicht fotografierbar, ermöglicht uns in Riga die perfekte Platzgestaltung eine gute Sicht auf die Akademie der Wissenschaften. Es sei denn, ein hässlicher Linienbus hält gerade vor dem Gebäude, was uns selbst zu einer kurzen Pause zwingt. Damit haben wir Zeit, um auch mal hinter die gegenüberliegenden Mauern zu schauen. Da hat Riga noch einiges zu tun, um die düsteren und verfallenen Ecken aus der Sowjetzeit zu beseitigen. Hier ist der Jugendstil noch weit von dem entfernt, was er einmal war. Nach dem Blick hinter die Kulissen ist der Bus zum Glück verschwunden. So können wir doch noch die schräg einfallende Abendsonne für ein paar Fotos nutzen, bevor wir unsere knurrenden Mägen beruhigen gehen.
Deutsche, polnische und russische Einflüsse prägten jahrhundertelang die lettische Speisekarte. Insbesondere die richtig schweren und deftigen Gerichte wurden liebend gerne übernommen. Während von den Deutschen die Vorliebe für geräucherten Fisch stammt, brachten die Polen herzhafte Wildgerichte mit Sauerkraut ins Land. Säuerliches als Eingelegtes oder als Rahm ist im Allgemeinen typisch für die lettische Küche, wobei stets viel Sahne dazu gehört. Den größten Einfluss hat bis heute, auch durch die Sowjetzeit und die große russische Minderheit in Lettland, die Russische Küche. So darf ein russisches Nationalgericht wie der Borschtsch kaum fehlen. An heißen Sommertagen wird die berühmte Rote-Beete-Suppe auch gerne als chalodni borschtsch, eine erfrischende Kaltspeise, serviert. Natürlich mit einem dicken Klecks Schlagsahne oben drauf.
Da die Restaurants hauptsächlich auf Besucher aus dem Ausland eingestellt sind, gibt es nur selten Sprachbarrieren. Die Speisekarten sind fast immer auf Englisch und teilweise sogar auf Deutsch verfasst. Zudem sind die Bedienungen meist sprachgewandt. Das Angebot ist groß, aber wie gesagt: touristisch. Da hat man die Qual der Wahl: ein herzhaftes Rittermahl in den Jakobskasernen? Oder ein deftiges Steak in der »Blauen Kuh« am Livenplatz? Klingt beides verlockend. Nach einer kurzen Suche stehen wir indes vorm Moloney's Pub. Kartoffelpuffer (kartupelu pankükas) mit Lachs – ist ja schon fast lettisch – dazu ein Guinness und wir sind glücklich. Wenn schon touristisch, dann kann es ja auch irisch sein, oder? Zudem sind die Preise im Moloney's moderat und gefällt uns die ungezwungene Stimmung in dem irischen Pub.