Unsere nächste Station im Gauja Nationalpark ist das Museumsreservat von Turaida. Auf einem Areal von gut 43 Hektar werden hier 1000 Jahre lettische Geschichte, angefangen im 11. Jahrhundert dokumentiert. Die wichtigste oder zumindest bekannteste Sehenswürdigkeit ist die aus Backsteinen errichtete Burg Fredeland von Turaida. Daneben gibt es auf dem weitläufigen Museumsgebiet aber noch einiges mehr zu entdecken. So steuern wir als Erstes die Kirche von Turaida an. Die lutherische Kirche entstand im Jahr 1750. Sie ist eine der ältesten Holzkirchen in der Region Livland bzw. Vidzeme, was so viel wie Mittelerde bedeutet. Sie steht oben auf dem Kirchenberg, auf dem vom 13. bis 17. Jahrhundert die getauften Liven bestattet wurden. In der Kirche dokumentiert eine Ausstellung die Geschichte des Gotteshauses, dessen ursprüngliche Einrichtung in Teilen erhalten blieb.
Auf dem Hügel befindet sich auch der Gedenkort für Maija, der Rose von Turaida. Der Legende nach begab sich der Burgschreiber Greif nach einer Schlacht unterhalb der Burg im Mai 1601 auf die Suche nach Überlebenden. Dabei fand er ein Neugeborenes in den Armen seiner toten Mutter. Er nahm die Weise an sich, benannte sie nach dem Monat Mai und zog sie wie seine eigene Tochter auf. Als die junge Frau zu großer Schönheit erblühte, gaben ihr die Einwohner von Treiden den Beinamen Rose. Schließlich verliebte sie sich in den aus Deutschland stammenden Landschaftsgärtner Viktor Heil. Er teilte ihre Liebe, weshalb die beiden im Herbst 1620 heiraten wollten. Doch als der Tag nahte, lockte ein Bote Mai Rose zur Gutmannshöhle, wo die Geschichte ihre dramatische Wendung nahm.
Auf dem Weg von der Kirche zur Burg zweigt links ein Weg auf den Dainu-Berg mit dem Volksliederpark ab. Besonders lebhaft geht es hier am 21. Juni zu, wenn auf der mit Rasen bewachsenen Anhöhe die Sommersonnenwende gefeiert wird. Daneben finden im Volksliederpark eine Reihe lettischer Feste und Konzerte folklorischer Gruppen statt. Hauptattraktion des Parks sind die 26 Skulpturen des Bildhauers Indulis Ranka, die sich über den Liedergarten verteilen. Dem Namen des Parks entsprechend befassen sie sich alle mit lettischen Volksliedern, auch wenn wir das ohne die Erklärung dazu wohl nicht selbst erkannt hätten. Dennoch hat es der Volksliederpark 1996 auf die Liste der weltweit bedeutenden Skulpturengärten geschafft.
Auf dem weiteren Weg zur Mauerburg Turaida oder auch Burg Treiden taucht bald ein mächtiger Rundturm vor uns auf. Wenig später haben wir die aus roten Backsteinen errichtete Festung von Turaida erreicht. Sie ist die Hauptattraktion in dem Ort und zugleich eines der meist besuchten Ausflugsziele in Lettland. Die auch als Burg Fredeland bekannte Anlage ersetzte ab 1214 die damals zerstörte hölzerne Burg des livländischen Königs Kaupo. Wie die Burg von Krimulda befand sich auch die Mauerburg Turaida im Besitz des Rigaer Erzbischofs, wobei diese Festung als Gegengewicht zu einer Burg des Schwertbruderordens gebaut wurde.
Anders als die Burgen von Sigulda und Krimulda überstand Turaida die nordischen Kriege. Erst, als die Burg mit Ausnahme des Turms im Jahr 1776 einem Großbrand zum Opfer gefallen war, gaben die Bewohner die Anlage auf. Der Wiederaufbau begann bereits zur Sowjetzeit im Jahr 1953, weshalb die Burg heute zu den am besten erforschten baltischen Kulturdenkmälern zählt. So wie wir den Nordturm passiert haben, kommen wir in den Zwinger. Dieser Bereich entstand zusammen mit der nördliche Vorburg im 15. Jahrhundert und bildete einen wichtigen Bereich zur Verteidigung der Festung. Gelang einem Angreifer der Durchbruch von Norden, musste er durch diesen engen, von Ziegelmauern umgebenen Bereich, um weiter ins Burginnere vorzustoßen.
Am Ende dieses schmalen Einlasses war der Weg in den Innenhof durch einen weiteren Turm am Haupteingang blockiert, was Eindringliche zusätzlich in Bedrängnis brachte. In den 1980er Jahren wurde der Zwinger der Mauerburg archäologisch erforscht und die östliche Mauer anschließend in den 1990er Jahren wieder instand gesetzt. Als Nächstes kommen wir zum Standort des Turms am Haupteingang stammt. Er wurde im frühen 16. Jahrhundert als Kanonenturm errichtet und besaß damals den größten Durchmesser. Der Turm diente dem Schutz der wichtigsten Teile der Burg sowohl bei Angriffen von Norden als auch über die westliche Verteidigungsmauer. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde er abgerissen, soll aber ebenfalls wieder rekonstruiert werden.
Einen Steinwurf weiter erreichen wir den Hauptturm oder auch Aussichtsturm aus dem 13. Jahrhundert. Bei dem fünfstöckigen Turm zeigt sich abermals, dass Angriffe auf die Burg vor allem vom Norden her erwartet wurden. So ist nach Norden gewandte Seite der Mauer 3,70 Meter dick, während sie im Süden nur eine Stärke von rund 2,90 Meter erreicht. Um auch hier ungebetenen Gästen den Zugang zu erschweren, befand sich der Eingang früher auf einer Höhe von 9,50 Meter über den Grund und war nur über eine Holztreppe zu erreichen. Nachdem der obere Teil in den 1950ern Jahren wiederhergestellt wurde, misst der Rundturm heute wieder eine Höhe von 38,25 Metern.
Die Funktion des Turms sowie der umliegenden Festungsteile wird innerhalb des Turms auf mehreren Schautafeln veranschaulicht. Dazu gehören auch historische Abbildungen wie aus dem Jahr 1935, welche den Turm inmitten von Bäumen zeigt. Sowie wir uns durch die einzelnen Stockwerke hinauf gearbeitet haben, öffnet sich oben der Blick über die gesamte Burganlage und auf eine Schleife der Gauja. Mit diesem schönen Eindruck beenden wir wenig später unsere Besichtigung, eh wir weiter nach Wenden fahren.