Der Guide Michelin kennt genau drei Kategorien für seine ebenso vielen Sterne. Zu jedem davon gibt der Restaurant- und Reiseführer einen bewertenden Kurzsatz. In der höchsten Kategorie lesen wir: »Eine einzigartige Küche – eine Reise wert!«.
Generell beziehen sich die Bewertungen stets auf einzelne Restaurants einer Region. Bei Portugal können wir diesen Satz jedoch gerne auf die gesamte Kulinarik des Landes ausweiten. Zwar steht die Kochkunst der Portugiesen noch immer im Schatten seines iberischen Nachbarn sowie auch der Grande Nation. Vom Geheimtipp aber hat sich die portugiesische Küche längst hin zu einem begehrten Reiseziel für Genießer entwickelt.
Riesen sehen anders aus. Mit gut 92.000 Quadratkilometern Landesfläche füllt Portugal gerade mal die südwestliche Ecke der Iberischen Halbinsel aus. Im Vergleich dazu ist das benachbarte Spanien mit über 500.000 Quadratkilometern mehr als fünfmal so groß. Dennoch sind die regionalen Unterschiede in der Küche Portugals verblüffend vielfältig. Grundsätzlich tendieren die Gerichte im gesamten Land in Richtung einfacher, deftiger Hausmannskost.
Durch die Lage am Atlantik – die Küste erstreckt sich über immerhin gut 830 Kilometern – sind Fisch und Meeresfrüchte naturgemäß wichtige Lebensmittel. Fleisch besitzt aber ebenfalls eine hohe Bedeutung. Bei unseren bisherigen Reisen haben wir selbst eine gewisse Nord-Süd-Verteilung bemerkt. Hier gilt: Je weiter nördlich man sich befindet, desto deftiger und sättigender sind die typischen Gerichte.
Die meisten der traditionellen Gerichte werden eher sparsam gewürzt. Das überrascht. Denn mit der Entdeckung eines Seewegs nach Indien durch Vasco da Gama brachten die Portugiesen die meisten Regionen, die Gewürze herstellten, unter ihre Kontrolle. Als eine Ausnahme wird Knoblauch als universelles Grundgewürz genutzt, wenn auch nicht in dem Maß wie in anderen südlichen Ländern.
Als weiteres Grundnahrungsmittel genießt die Bohne einen hohen Stellenwert in Portugals Küche. Auch hier sind es die Eintöpfe, bei denen sie eine wichtige Zutat ist. Mit den Feijoadas gibt es sogar eine eigene Klasse an Bohneneintöpfen. In ihnen zeigt sich zugleich die koloniale Vergangenheit Portugals. Tatsächlich blieben die Feijoadas bis heute in einigen der ehemaligen Kolonien als wichtige Nationalspeisen erhalten. Kreativ wird es schließlich bei den Pastéis de feijão. Dahinter verbergen sich Teiggerichte, die ursprünglich aus der mittelportugiesischen Küstenstadt Torres Verdas stammen. Und sie haben es in sich: die kleine Küchlein werden aus sogenannten Marinebohnen hergestellt und mit Marmelade gefüllt. Da hier ebenfalls Zucker genutzt wird, dazu Eier und Mandeln, ist das Gericht ungewohnt süß.
Einige der bisher genannten Spezialitäten sind außerhalb Portugals nur wenig bekannt. Neben dem Portwein dürfte Gazpacho die zweite Ausnahme bilden. Tatsächlich habe ich diese das erste Mal in Andorra bestellt. Nach nur einem Löffel erklärte ich Annette: »Die Suppe ist kalt.« Damals quittierte sie es mit einem herzhaften Lachen. Heute weiß ich, warum die Suppe so ist wie sie ist. Sie stammt aus dem heißen Süden der iberischen Halbinsel und ist in der Algarve ebenso beliebt wie in Andalusien. Die stets ungekochte und also kalt servierte Gemüsesuppe ist die perfekte Mahlzeit, wenn der Levante von heiße Luftmassen aus Afrika bringt.
Die kulinarische Verbindung Portugals mit Spanien geht auf die Mauren zurück, welche ab dem 8. Jahrhundert weite Teile der Halbinsel besetzt hielten. Lokal existieren heute ganz unterschiedliche Gazpacho-Varianten. Die bekannteste wird aus Paprika, Gurken, Knoblauch, Tomaten und Weißbrot nebst Olivenöl, Essig und Wasser zubereitet. Das heißt, alle Zutaten werden roh püriert und dann kühl serviert.
Neben Spanien und der Niederlande hat Portugal die historisch bedeutendste Seefahrernation hervorgebracht. Auch dadurch kennt die Landesküche viele, teils sehr raffinierte Fischgerichte. Am ehesten den Rang eines kulinarischen Nationalheiligtums dürfte dabei Bacalhau innehalten.
In einem ersten Schritt wird Kabeljau durch Einsalzen und Trocknen konserviert. Das so haltbare Produkt wird als schnelles Street-Food geschätzt und bildet außerdem die Grundlage für unzählige portugiesische Gerichte. Ein Klassiker ist Bacalhau à Brás. Zusammen mit Kartoffelstreifen und Zwiebeln wird dieses zunächst scharf angebraten. Anschließend werden Eier darunter gerührt und alles zu einem Omelette-artigen Menü zubereitet.
Cozido à portuguesa kennt weder ein Limit für Deftigkeit noch für die Vielfalt von Zutaten. Das vielleicht gehaltvollste aller portugiesischen Gerichte verbindet einen Eintopf mit einer Schlachtplatte. Die vegetarischen Zutaten reichen dabei von Bohnen über Kartoffeln und Kohl bis hin zu Rüben und Reis. Dazu kommen verschiedene Fleischsorten von Huhn, Schwein oder Rind. Zuletzt wird das Ganze mit diversen portugiesischen Wurstwaren abgeschmeckt. Alles in allem erhalten wir so ein Gericht, mit dem sich selbst der größte Bärenhunger stillen lässt.
Porco Preto ist kein eigenes Gericht, sondern lediglich eine Zutat. Es ist die Rasse des schwarzen Alentejo Schweins. Die relativ kleinen Tiere werden bis heute traditionell in einem Eichenhain gehalten, wo sie sich dann auch maßgeblich von Eicheln ernähren. Ihr Name verrät es bereits: die Tiere stammen aus derselben Gegend, in der einige von Portugals besten Weinen gekeltert werden. Auch der Qualitätsvergleich ist gestattet. Das Fleisch vom Porco Alentejo ist für seine Zartheit und das nussige Aroma bekannt.
Unter Gourmets ist der daraus hergestellte Schinken heiß begehrt. Zugleich sind die Portugiesen sehr kreativ darin, aus dem Schwein eine Blutwurst anzufertigen. Diese lässt sich mit nichts vergleichen, was wir in Deutschland unter diesem Namen kennen. Bei großen Familienfeiern wird auch gerne zu den Ferkeln der Schweinerasse gegriffen. Die Leitão assado bilden somit die nordportugiesische Variante des Spanferkels. Dieses wird knusprig gebraten und traditionell mit hauchdünnen Kartoffelscheiben serviert.
Viele portugiesische Spezialitäten sind eine Mischung aus Einfachheit und Raffinesse. Peixe grelhado ist ein weiteres Beispiel dieser Art des Kochens. Dorade, Seebarsch, Sardine oder ein fast beliebiger anderer Fisch werden gegrillt. Dazu werden Kartoffeln und frisches Gemüse gereicht. Schon haben wir ein stets einfaches, aber in seiner geschmacklichen Vielfalt immer wieder überraschendes Meisterwerk. Unser Tipp: Dank seiner großen Verbreitung im Land ist Peixe grelhado immer eine gute Wahl, wenn einem sonst auf der Speisekarte nichts zusagt.
Aufgrund seines milden Klimas mit trockenen Atlantik-Winden und kühlen Sommernächten eignet sich Portugal hervorragend für die Tierhaltung. So ist die Milch der Serra-da-Estrela-Schafe die Grundlage für den Queijo da Serra. Traditionell wird der nur in der Serra da Estrela hergestellte Käse im Winter fabriziert. Dann sind die Temperaturen von Natur aus geeignet, um den Käse mindestens einen Monat lang reifen und fest werden zu lassen. Durch die Beigabe von Distelblütenextrakt erhält er seinen besonderen Geschmack.
Als Ergebnis bekommen wir einen Schafskäse, der Seinesgleichen sucht. Innen ist er so weich, dass er nach dem Anschneiden zum Verlaufen neigt. Auf der Zunge schmilzt er und gibt ein würziges Aroma frei, das für im Kontrast zur blassen Farbe steht. Dazu etwas frisches Brot, vielleicht noch ein Klecks Doce de Figo – Feigenmarmelade – und wir bekommen einen Snack, der Mund und Nase gleichermaßen erfreut.
Arroz de Marisco ist ein auch bei Touristen beliebtes Gericht der Portugiesen. Standesgemäß gönnen wir uns die Spezialität in einem authentischen Hafenrestaurant in Ponta Delgada.