Rasch steigt der schwarze Punkt in den Himmel, wird kleiner und kleiner, bis er kaum noch auszumachen ist. Alle schauen dem Ballon nach. Doch während wir nur sehen, wie er vom Wind mal ein Stück nach links, dann wieder nach rechts gelenkt wird, verfolgen die Männer von Mallorca Balloons seinen Aufstieg mit Adleraugen.
Ihnen liefert der Aufstieg des Ballons wichtige Hinweise auf die weiter oben herrschenden Windgeschwindigkeiten. Die oft nur kleinen Änderungen in der Richtung zeigen ihnen außerdem, von wo der Wind in welcher Höhe weht. Denn je nach Höhenlage können sich die Luftschichten auch in entgegengesetzte Richtungen bewegen.
Der Chef ist unzurfrieden mit dem Ergebnis. Um die Lage besser einschätzen zu können, wiederholt er den Test mit dem Luftballon an irgendeinem anderen Ort. Wo, erfahren wir nicht. Wir sollen fünf Minuten warten. Also warten wir. Fünf Minuten, dann zehn. Ist es heute überhaupt möglich zu starten? Die Crew von Mallorca Balloons gibt sich optimistisch. Ihre Stirnrunzeln sagt anderes.
Endlich aber kommt Ricardo Aracil zurück zum Treffpunkt. Der Startpunkt ist bestimmt - und etwas später sind die Fahrzeuge mit zwei Körben und den riesigen Ballons beladen. Nachdem alle Teilnehmer ihren Kaffee geleert haben, fiebern alle dem Abenteuer entgegen. Mallorca haben die meisten Urlauber durch den Anflug auf Palma bereits gesehen. Aber aus einem Heißluftballon?
Bald wird klar, warum wir schon bei der Morgendämmerung beim Ballonhafen sein sollten. Denn bis zum Startpunkt sind wir eine ganze Weile unterwegs. Nach ca. 16 Kilometern auf der MA-15 verlassen wir die Schnellstraße bei Ausfahrt 29 und steuern Perlas Orquídea an. Es ist der zweite Grund für den frühen Start. Denn die bekannte Perlenfabrik wäre kaum erfreut, wenn ihr Parkplatz den halben Vormittag von den Ballons in Beschlag genommen wird.
So früh am Morgen aber stören wir niemanden. Und doch ist Beeilung angesagt. In Windeseile breiten die Ballon-Crew die beiden Hüllen auf dem Asphalt aus. Zugleich werden die Körbe in Position gebracht und riesige Ventilatoren auf die Öffnungen der zunächst noch schlauchartigen Ballons gerichtet. Hier muss jeder anpacken, was heißt: auch ich. Meine Aufgabe ist es, die Ballonöffnung hochzuhalten, dass sich der Ballon möglichst schnell mit Luft füllt.
Doch Murren wäre hier fehl am Platz. Denn das Aufrichten des Ballons ist bereits Teil des Abenteuers. So schauen wir dann alle gespannt, wie sich die 40 bis 50 Meter Tuch Stück für Stück vom Boden heben und vor unseren Augen langsam die charakteristische und jedem bekannte Ballonform entsteht.
Nach etwa zehn Minuten wird der Brenner gezündet und die Luft im Innern des Ballon erhitzt. Jetzt müssen wir aufpassen. Denn sobald sich der Ballon vom Boden löst und den Korb aufrichtet, müssen wir als Ballast einsteigen. Andernfalls kann es passieren, dass der Heißluftballon abhebt, bevor alle an Bord sind.
Das Gefühl beim Start unserer Ballonfahrt über Mallorca lässt sich schwer beschreiben. Es ist eher so, dass man kaum spürt, wie sich der Korb plötzlich vom Boden löst. Genauso gut könnte man auf eine Plattform steigen, die eine Handbreit über dem Boden schwebt. Mit dem Unterschied, dass aus der Handbreit bald ein, zwei Meter werden, dann zehn und dann ... ist es auch schon egal, wie viel Luft sich zwischen unseren Füßen und dem Boden befindet. Wir fahren!
Falsch hingegen ist die Vorstellung einer allumgebenden Stille während der Ballonfahrt. Je nachdem, ob der Ballon steigt oder sinkt, ertönt ein durchgehender oder stotternder Piepton. Wird das Stottern zu schnell, schickt der Pilot die nächste Ladung Wärme über den Brenner ins Balloninnere. Der Gasbrenner ist zugleich der Grund, warum es nicht kalt wird. Wer größer als der Pilot ist (dazu braucht es nicht viel), dem wird es ganz schön warm auf dem Kopf.
Zugleich steht unser Pilot im ständigen Kontakt mit dem anderen Heißluftballon. Dieser ist kurz vor uns gestartet und meldet uns, in welcher Höhe der Wind wie stark weht - und wohin. Unserem Piloten ermöglichen die Angaben, gezielt die Höhe anzusteuern, die uns em ehesten in die gewünschte Richtung bringt. In diesem Fall heißt das: immer in etwa parallel zur Schnellstraße.
Dadurch befinden wir uns immer in der Nähe der Begleitfahrzeuge, die uns über die MA-15 folgen. Immer spannend wird es dann, wenn der Pilot den Heißluftballon absinken lässt und die Höhe dann der Geländeform anpasst. Es fühlt sich an, als gleite man auf einer Welle aus Luft über die Baumwipfel hinweg zu landwirtschaftlichen Plantagen und dann hoch über einzelne Kuppen.
Dadurch bekommen wir selbst Einblicke in Grundstücke, deren Eigentümer größten Aufwand betreiben, um sich von der Allgemeinheit abzuschotten. Nachdem wir über eine Mandelplantage hinweg geglitten sind, öffnet unser Pilot wieder längere Zeit das Ventil der Gasflasche. Augenblicklich braust die Flamme auf und steigt der Ballon durch die erhitzte Luft wieder in höhere Lagen.
Diesmal lässt er den Ballon bis auf 800 Meter über dem Meer oder 680 Meter über Grund steigen. Das genügt, um einen Großteil der Insel zu überblicken. Während voraus Manacor zu sehen ist, reicht der Blick nach Süden und Osten bis zu den Stränden von Mallorca. Weit schöner finden wir jedoch den Blick nach Osten zur Tramuntana, wo sich der Puig Roig deutlich von den anderen Bergen abhebt.
Wie heißt es doch so schön in der Luftfahrt? Runter kommen sie alle. Denn ja, der Gasvorrat ist zwar großzügig bemessen. Aber nach gut einer Stunde endet unsere Ballonfahrt auf Mallorca. Von Vorteil stellt sich dabei heraus, dass wir der zweite Ballon sind. Dadurch kann unser Pilot zunächst die Begleitfahrzeuge den richtigen Weg von der Schnellstraße zum mehr oder weniger zufällig gewählten Landeplatz lotsen.
Viel wichtiger ist für ihn die Information des ersten Ballons, dass knapp über dem Boden eine andere, entgegengesetzte Luftströmung herrscht. Um dies auszugleichen, fährt er einfach ein kurzes Stück weiter, um dann quasi rückwärts einzuparken. Soweit zumindest die Theorie. In der Praxis jedoch schwächt sich die gegenläufige Windrichtung prompt in dem Moment ab, als wir sie brauchen.
Ein paar Sekunden später erübrigte sich meine Frage an unseren Piloten, ob er schon mal auf einem Baum gelandet ist. Da die Piloten ohnehin versuchen, die letzten Meter möglichst langsam zu sinken, kratzen allerdings nur ein paar Äste am Boden des Korbs, ohne dass der Obstbaum ernsthaft Schaden nimmt. Was jetzt?
Die Antwort erhalten wir in Form eines weiteren, kurzen Aufflammens des Gasbrenners. Dies reicht aus, um den Baum zu entlasten und wieder frei zu kommen. Dann ist auch schon die Bodentruppe zur Stelle, die uns an dem flugs herabgeworfenen Seil aus der Obstplantage auf die benachbarte Wiese zieht.
Kurz bevor wir der erste Mal aufsetzen, mahnt unser Pilot, dass wir uns gut festhalten sollen und auf gar keinen Fall sofort aussteigen dürfen. Denn wenn das alle tun - das soll schon vorgekommen sein - dann hebt der Ballon wieder ab und setzt seine Fahrt fort. Dann setzen wir auf. Und heben nochmal ab. Und setzen erneut auf. Und heben nochmals ab. Und jedes Mal ziehen uns die Männer ein paar Meter näher zu den Fahrzeugen.
Dann endlich kommt der Heißluftballon zum Stehen, fällt die Hülle langsam in sich zusammen und dürfen wir etwas später endlich aussteigen. Der Landeplatz ist ein Glücksfall für die Crew von Mallorca Balloons. Denn wenn die Ballons auf einem Feld landen und das Getreide umknicken, müssen sie für den Ernteausfall einen Ausgleich zahlen. Wir befinden uns inmitten eines Distelfelds. Der Schaden hält sich damit in engen Grenzen.
Wie beim Aufbau müssen auch beim Abbau alle mit anpacken. Nur so lässt sich der viele Stoff der Ballonhüllen bändigen und zügig wieder zusammenrollen. Mit vereinter Kraft werden die zwei Packen dann in den Korb und mit dem Korb auf den Anhänger gehievt. Weil wir am frühen Morgen entgegen der Windrichtung gefahren sind, dauert die anschließende Rückfahrt zum Ballonhafen nur wenige Minuten.
Dort angekommen, erwartet uns eine kurze Ansprache und bekommen wir ein schickes »Certificado de Vuelo«. Als Krönung wird eine Flasche Sekt über die Scheitel aller Teilnehmer der heutigen Fahrt verteilt und schon sind wir frisch getaufte Ballonfahrer. Noch wie im Rausch von dem einzigartigen Abenteuer gibt es zum Abschluss ein gemeinsames Frühstück. Schön, dass wir so etwas erleben durften!
Eindrücke von einer Heißluftballonfahrt mit Mallorca Balloons über die zentrale Ebene von Mallorca. Aufnahmen von den Vorbereitungen und vom Aufbau des Heißluftballons, dem späteren Zusammenpacken nach der Landung in einem Distelfeld.