Nur einen Steinwurf von Xwekija entfernt erreichen wir die Megalithanlage von Ġgantija (gespr. Dschganti'ja). Sie wurde bereits 1827 freigelegt und zählt neben Ħaġar Qim und Mnajdra zu den eindrucksvollsten Tempelanlagen des maltesischen Archipels. Aufgrund ihrer imposanten, bis zu sechs Meter starken Außenmauer erhielt sie den Namen Ġgantija, was so viel bedeutet wie »die Gigantischen«. Einer Legende nach soll die Kultstätte von einer Riesin in nur einer Nacht erbaut worden sein. Um der ohnehin unglaublichen Leistung noch die Krone aufzusetzen, soll sie dabei außerdem ein Kind in ihren Armen gehalten haben. Weniger fürsorglich ging es leider bei den ersten Ausgrabungen zu. Weil es den Entdeckern damals mehr um das Finden von Kultobjekten als um den Erhalt des Tempels ging, hat das Bauwerk einige Schäden erlitten.
Heute informiert ein kleines Besucherzentrum über die Entstehung, die Ausgrabungen und die Funde rund um Ġgantija. Errichtet wurden die Bauwerke vermutlich zwischen 3600 und 3200 v. Chr., womit sie zu den ältesten, freistehenden Konstruktionen der Welt gehören. Demnach entstanden sowohl das britische Stonehenge als auch die Pyramiden von Gizeh erst nach Ġgantija. Lange Zeit diente der Tempel als Kultstätte für die Fruchtbarkeitsgöttin, die Große Erdenmutter. Davon zeugen auch mehrere Artefakte von kleinen Statuen mit üppigen Rundungen, welche die Archäologen in der Umgebung von Ġgantija gefunden haben. Heute sind die Statuen im Nationalmuseum von Malta ausgestellt.
Auf Holzstegen geht es vom Besucherzentrum zur Tempelanlage. Die Anlage ist mit Johannisbrotbäumen und verschiedenem Buschwerk bepflanzt. Durch den Wind und Wassermangel ist aber auch hier alles ausgetrocknet. Lediglich ein paar Statice entdeckt Lars vor dem Tempeleingang, wo sie kleine Farbtupfer auf den sonst verdorrten Untergrund setzen. Auch schön ist die Aussicht zur Rotunda von Xwekija, mit der wir unsere Besichtigung auf Gozo begonnen hatten.
Die Anlage von Ġgantija selbst besteht aus zwei Tempeln, den Nord- und den größeren Südtempel. Nach der Form der beiden Tempel halten es die Forscher für wahrscheinlich, dass auch sie die Rundungen der Erdmutter darstellen. Die Löcher in den Eingangssteinen sind vermutlich Vorrichtungen für Vorhänge. Opfersteine, Orakelloch, Feuerstelle, Altar – da es keine schriftlichen Überlieferungen gibt, häufen sich bei Ġgantija die Vermutungen. Sicher jedoch ist, dass die Tempel große Ähnlichkeiten zu denen in Schottland aufweisen. Von den Steintischen bis zu den Wand- und Dachformen. Als wir Anna erklären, dass die Völker möglicherweise von hier aus auch in Richtung Norden ausgewandert sind und ihre Bauwerke dort fortsetzten, ist sie ganz stolz. Ob das stimmt? Als Nicht-Archäologen können auch wir nur Vermutungen anstellen.