Victoria ist die Hauptstadt der Insel Gozo. Von den Gozianern wird sie noch immer liebevoll Rabat genannt. Und wie es sich für eine Hauptstadt gehört, staut sich der Verkehr im Stadtzentrum. Damit wissen wir nun auch, warum es in den anderen Ortschaften von Gozo so ruhig zugeht. Die Leute versammeln sich alle hier. Mit gerade mal 6200 Einwohnern bildet Victoria sowohl das kulturelle als auch wirtschaftliche Zentrum Gozos, womit für die Insulaner praktisch kein Weg dran vorbei führt.
Auf dem It-Tokk oder Plaza Indipendenza, wie der Platz auch genannt wird, sehen wir außerdem einige der Passagiere wieder, die mit uns am Morgen auf der Fähre waren. Ein Touristenmarkt, kleine nette Geschäfte und einige Restaurants umgeben den Platz. Die meisten Leute aber genießen die Sonne in den Straßencafés, zumal der Platz durch die umliegenden Gebäude windgeschützt ist.
In den Altstadtgässchen nahe des It-Tokk kommen wir zur Pfarrkirche von Victoria, die Basilika San Ġorġ. Die Basilika ist typisch maltesisch, also sehr aufwendig geschmückt, weshalb sie auch als die Goldene Kirche bekannt ist. Der prächtige Innenraum ist mit Marmor aus Italien verkleidet. Der Bronzebaldachin über dem weißen Marmoraltar ist eine Nachbildung des berühmten Bernini-Baldachins im Petersdom zu Rom. Aber Vorsicht: Am Eingang lauert eine selbst ernannte Missionarin, die mir unversehens meine mangelnden Kirchgänge vorhält. Laut ihr wartet Gott jeden Sonntag auf mich in der Kirche. Na ja, ich gehe davon aus, dass der Allwissende auch weiß, wo ich bin. Allerdings frage ich mich, ob er sich für die voreingenommenen und damit alles andere als christlichen Vorhaltungen der alten Frau begeistert? Ein Glück nur, dass sie mit ihrer Vorverurteilung nicht an Lars geraten ist ...
Steil führt die Triq It-Telgħa tal-Belt auf eine Hügelkuppe über die Stadt Victoria. Hier oben thront Il-Kastell, das Wahrzeichen Victorias und das Zentrum der Insel Gozo. Es herrscht reger Baubetrieb, da der Vorplatz vor den Eingängen mit neuen Mauern, Treppenaufgängen und Rampen ausgestattet wird. Dank des aufgewirbelten Staubs gelangen wir leicht paniert durch das ehemalige Haupttor ins Innere der Zitadelle. Dort stehen wir unvermittelt vor den Treppen zur Kathedrale Santa Marija. Zum Glück ist der Innenhof bereits fertig restauriert, besenrein und autofrei, sodass wir die Baustelle schon bald wieder vergessen haben.
Die heutigen Befestigungsmauern wurden im 16. Jahrhundert gebaut, nachdem osmanische Truppen unter Turgut Reis die damals schon bestehende Burg überfielen. Vielen Bewohner gelang zwar die Flucht. Die Piraten verschleppten aber dennoch an die 6000 Menschen von der Insel, was einer Entvölkerung gleichkam. In Tripolis verkauften sie ihre menschliche Beute als Sklaven. Die alten Mauern wurden daraufhin von den verbliebenen Bewohnern Victorias wieder aufgebaut. Aus Angst vor weiteren Überfällen zogen sie sich bis 1693 jede Nacht zum Schutz in die Zitadelle und nahmen dabei Hund und Katz mit.
Heute sind die Häuser innerhalb der Festungsmauern weitgehend unbewohnt. Stattdessen beherbergen sie verschiedene Museen, kleine Restaurants und Andenkenläden. Auch wenn die Zitadelle zu den wichtigsten Zielen auf Gozo zählt, verteilen sich die Touristen gut in der Zitadelle, sodass wir meist alleine durch die Gassen schlendern. Wir wollen hoch auf die Befestigungsmauern und noch einmal den Blick über die Insel Gozo schweifen lassen. Mit diesen letzten Eindrücken geht der schöne Tag auf Gozo langsam zu Ende. Wie viel wir gesehen und erlebt haben, wird uns aber erst auf der Fähre so richtig bewusst, als uns auf dem Sonnendeck trotz dem Wind immer wieder die Augen zufallen.