Hoher Atlas und das Ourika-Tal - es ist gerade mal eine Stunde vom Brutofen von Marrakesch entfernt und wir können uns in der Natur etwas abkühlen. Zu unserem Hochzeitstag schlägt Abdul einen Ausflug dorthin vor. Das nehmen wir gerne an und wissen mit den Asgaour-Wasserfällen auch bald ein Ziel, das uns gefallen kann.
Da die Wasserfälle nicht weit sind, brechen wir um 9 Uhr auf. Damit haben wir reichlich Zeit, um auszuschlafen und zu frühstücken. Nachdem uns Abdul beim Hotel abgeholt hat, verlassen wir die Stadt über die Avenue Mohammed V. und kommen über die C 21 in das Ourika-Tal.
Aufnahmen unserer Wanderung im Hohen Atlas zu den Asgaour-Wasserfällen.
So, wie wir dem Hohen Atlas näher kommen, wird die Landschaft grüner, der Wald dichter. Bei Arhbalou gabelt sich die C 21. Während es nach rechts zu den Oukaimeden geht, müssen wir links Richtung Setti-Fatma abbiegen. Bald sehen wir unter uns den Fluss Ourika durch das Tal rauschen.
Auch an den Berghängen entspringen Bäche und Quellen. Hier ist Wasser keine Mangelware. Das sehen wir am deutlichsten in den kleinen Siedlungen, in denen das Wasser durch winzige Gärten, über Dächer und Treppen und teilweise sogar mitten durch die Häuser plätschert.
Schließlich endet die Straße bei Setti-Fatma. Platz an den Seiten gibt es in dem hier engen Tal kaum, irgendwie findet Abdul aber doch ein freies Plätzchen. Vor Ort fragt er uns, ob wir einen Führer möchten und erklärt, dass der Weg zum Wasserfall schwierig zu finden sei.
Als Preis für die Tour von 1,25 bis 1,5 Stunden nennt uns Abdul 100 Dirham. Nun gut, das Risiko, umsonst hergefahren zu sein, wollen wir nicht eingehen, und so lernen wir Hussein kennen, der uns sicher durch die Berge führen soll.
Das heißt, zuerst führt er uns zu einem Miniladen, wo wir eine große Flasche Wasser kaufen. Das Geld dafür nimmt Hussein und reicht es dem Jungen weiter, der uns zu dem Wasser drei Dirham Rückgeld gibt. Kurz nachdem Hussein kontrolliert, wie viel wir zurückbekommen haben, gibt es plötzlich einen kleinen Disput zwischen Abdul und Hussein. Nachdem uns Abdul fragt, wie viel Geld wir hingegeben haben, rückt der Junge fünf weitere Dirham heraus. Eine seltsame Szene, die uns aber wieder einmal warnt.
Ganz ehrlich: wenn man erstmal den richtigen Abzweig zu den Wasserfällen eingeschlagen hat, einigermaßen fit und nicht gerade mit Flipflops unterwegs ist, sind die Asgaour-Wasserfälle kaum zu verfehlen. So kann sich Hussein darauf beschränken, vor uns her zu laufen und uns die offenen Kanäle zu zeigen, welche einen Teil des Wassers in zwei nahe Dörfer leiten.
Als wir nach ungefähr einer halben Stunde beim unteren Becken der Wasserfälle ankommen, sind wir aber doch froh, dass wir jemanden dabei haben, dem wir fürs Foto unsere Kamera anvertrauen können. Da man von hier nicht alle Kaskaden sieht, schlägt Hussein vor, über einen Felsen ein Stück höher zu klettern, wenn wir dies wollen. Natürlich wollen wir. Bis wir dann vor dem Felsen stehen, den er meint, und wir erst einmal schlucken. Denn während die eine Seite nur schwer zu besteigen ist, klafft unter der anderen Seite ein Loch.
Bevor wir den Aufstieg wagen, verlangt Hussein unsere Kamerataschen. Danach zeigt er, welche Stellen an dem Felsen einen sicheren Halt geben. Tatsächlich ist da eine Stelle, in die man wie in einen Griff fassen kann. Bis man diese gefunden hat, bleibt jedoch genug Zeit, um sich auszumalen, was passieren kann, wenn man abrutscht. So bekommt Annette Angst, obwohl Hussein sie von oben fest und sicher an der Hand hält und ich sie von unten stütze.
Sie schafft es zwar nach oben auf den Weg, dort aber wird ihr schwindelig und muss sie sich mehrere Minuten mit klopfendem Herz an den nächsten Felsen lehnen. Zugleich wissen wir, dass unser Bergführer die 100 Dirham wert ist, denn da hätten wir es nicht ohne seine Hilfe hinauf geschafft - und auch nicht die Quelle wenige Schritte weiter links gefunden, die Annettes Lebensgeister wieder weckt.
Die Mühe aber lohnt. Denn von der kleinen Anhöhe haben wir einen herrlichen Blick auf fünf der Kaskaden des Wasserfalls. Zum Glück ist es das einzige kritische Stück der Wanderung. Denn von hier oben führt ein Wanderweg in einem Bogen, vorbei an Walnussbäumen und Feigen, zurück nach Setti Fatima. Kurz bevor wir das Restaurant erreichen, wo Abdul wartet, will Hussein das Geld kassieren. Ich gebe ihm die 100 Dirham.
Augenblicklich verlangt er nochmals 50 Dirham. Angeblich seien die 100 nur bis zum Wasserfall und der andere Weg nicht obligatorisch. Zudem hat er ja eine Zeitlang unsere Tasche mit dem Wasser getragen. Noch bevor wir Abdul erreichen, gibt er allerdings auf, mehr Geld als vereinbart herauszuschlagen. Erst später erfahren wir, dass er zunächst 350 Dirham wollte, bevor Abdul ihn auf den korrekten Preis heruntergehandelt hatte.