Nach dem Ärger im Burghotel bei Rodez ist es Zeit, sich wieder den schönen Seiten der Midi-Pyrénées zu widmen. Dafür sind Belcastel und Estaint bestens geeignet. Wir beginnen mit dem malerischen Belcastel. Das 200-Seelendorf befindet sich 25 Kilometer von Rodez entfernt und ist von ruhiger und herrlich grüner Natur umgeben.
Genau das brauchen wir jetzt. Da wir bereits am frühen Vormittag in Belcastel ankommen, treffen wir auch kaum auf andere Touristen, sodass wir den Ort fast für uns alleine haben. Kopfsteingepflasterte Gassen, winzige Steinhäuschen und eine dominierende Burg im Hintergrund lassen ein Gefühl von Mittelalter aufkommen. Die Burg stammt aus dem Jahr 1000. Im 15. Jahrhundert jedoch kam Alzias de Saunhac, der Herr von Belcastel, auf die glorreiche Idee, das Schloss zu vergrößern.
Eindrücke des malerischen Felsendorfs Belcastel im Tal des Aveyron. Eindrücke von der Bogenbrücke, den liebevoll restaurierten Häusern und der Burg. Aufnahme der Lot-Brücke in Estaing.
Seinen Plänen stand die Kirche im Weg. Was sollte er tun? Die Kirche abzureißen, wäre ein Frevel, der für Unmut unter seinen Gefolgsleuten gesorgt hätte. Als Lösung ließ Alzias das Gebäude Stein für Stein auseinander nehmen, um es hinunter ins Tal zu bringen und auf der anderen Uferseite des Aveyron wieder auferstehen zu lassen. Zudem ließ er die pittoreske Bogenbrücke dorthin bauen. Als Dank erhielt er einen Grabplatz in dem Gotteshaus, welches wir auch heute noch besuchen können.
Belcastel ist als eines der schönsten Dörfer Frankreichs klassifiziert. Aber wen wundert es? Bis in die 1980er Jahre war das Dorf noch ein Sammelsurium an verfallenen Ruinen. Doch bereits ab 1975 plante der Architekt Fernand Pouillon den Wiederaufbau des Dorfes.
1983 wurde mit der 15-jährigen Arbeit begonnen. Künstler, Sänger und andere französische Berühmtheiten sorgten mit ihren Spenden schließlich dafür, dass der alte Ortskern wieder fast originalgetreu aufgebaut werden konnte.
Heute ist Belcastel ein lebendes Museumsdorf mit einem kleinen Hotel und einem idyllisch gelegenen Campingplatz direkt am Fluss. Die Kulisse, welche das Dorf von den Auwiesen her bietet, ist genau so, wie wir uns ein mittelalterliches Dorf in den Midi-Pyrénées vorstellen. Richtig schön und damit auf jeden Fall einen Ausflug wert!
Nach unserem Rundgang durch Belcastel steht noch ein letztes schönes Dorf in den Midi-Pyrénées an, bevor wir den langen Heimweg antreten. Wir haben uns für das bezaubernde Burgdorf Estaing entschieden. Auch dieses Dorf befindet sich im Tal des Lot und gehört zu den Etappenzielen auf dem Jakobsweg.
Wie zu Beginn unserer Reise bei den Sanktuarien von Rocamadour herrscht auch hier um diese Jahreszeit im Herbst eine ausgeprägte Pilgerflaute. Von den so oft zitierten, hämmernden und schleifenden Geräusch der Pilgerstäbe ist nichts zu hören. Stattdessen geht es bei unserem Besuch beschaulich und wohltuend ruhig zu.
Eine gotische Brücke aus rotem Sandstein überbrückt den träg fließenden Lot. Das Bauwerk stammt von François d'Estaing, dem Bischof von Estaing. 1524 weihte er die Brücke über den Lot ein und wacht seither als Statue über das Kommen und Gehen der Besucher. Seit 1998 zählt die Brücke zum Weltkulturerbe der UNESCO. Sie ist durchaus sehenswert, da sie mit ihrer Bauweise die Idylle der Midi-Pyrenäen sehr gut verkörpert.
Den fehlenden Pilgern haben wir es indes auch zu verdanken, dass wir bei der Touristinfo vor verschlossenen Türen stehen. Dadurch ist uns leider auch der Zugang zur Krypta der Kirche nicht möglich. Denn in Estaing gab es noch einen weiteren Bischof, der bis heute verehrt wird. Alljährlich wird für Bischof Saint-Fleuret aus Clemont, der im Jahr 621 in Estaing verstarb, ein Fest veranstaltet. Seine Reliquien befinden sich in der Krypta der Kirche, gleich gegenüber der Burg. Was uns bleibt, ist der Blick in die Kirche. Sie ist das bereits 34. Gotteshaus auf unserer Reise und setzt somit auch einen schönen kirchlichen Schlusspunkt.
Nach der Kirche bleibt uns mit dem Schloss eine weitere, bemerkenswerte Sehenswürdigkeit von Estaing verschlossen. Denn die einst adligen Burg- und Freiherren stammen von einer Ahnenreihe ab, die sich bis zu Richard Löwenherz zurückverfolgen lässt. Erst im 18. Jahrhundert starb das Adelsgeschlecht der Estaing aus und bezogen in dessen Folge Ordensnonnen die Burg. 1922 erstand Jean Edmond Lucien Giscard den Adelstitel von Estaing.
Er war Vater des Valéry Giscard d’Estaing, welcher von 1974 bis 1981 als französischer Staatspräsident amtierte. Genau dieser Ex-Präsident ist es, der das zu seinem Adelstitel passende Schloss kaufte und es seither originalgetreu restaurieren lässt. Es soll nach der Restaurierung als Kultur- und Begegnungsstätte dienen. Schon heute kann man es zeitweise besuchen.
Na gut, wenn schon keine Gruft und auch kein Schloss, versuchen wir unser Glück mit einem Restaurant. Und tatsächlich finden wir ein nettes Plätzlein direkt am Lot, wo wir sehr nett bedient werden und am letzten vollen Tag ein leckeres französisches Essen mit noch leckererem Rotwein bekommen ...