Nach der Nacht in der freien Natur fahren wir bereits vor dem Frühstück nach Capestang. Vielleicht finden wir ja dort einen Bäcker. Schon von Weitem ist der Ort zu erkennen. Ein riesiges Gebäude wirkt aus der Ferne wie ein Märchenschloss. Sowie wir uns dem Ort nähern, entpuppt sich dieses zu einer völlig überdimensionierte Kirche. Aber das kennen wir ja schon. Im Hafen finden wir einen gut ausgebauten und diesmal auch freien Anleger, direkt neben einer Wassertankstelle. Das ist praktisch. Denn alle zwei Tage sollte frisches Wasser getankt werden, damit keine Keime entstehen.
Goldene Woche auf dem Canal du Midi. Fahrt von Malpas über den idyllischen Ort Capestang bis nach Le Somail. Aufnahmen der Rodungsarbeiten der Platanen am Kanal.
Zunächst aber laufen wir zum Stiftskolleg Saint-Étienne aus dem 13. Jahrhundert. Mit seinem 43 Meter hohen Glockenturm steht die Kirche sei 1906 als französisches Monument historique unter Schutz. Doch besser noch ist: an dem alles andere überragenden Gebäude können wir uns bestens orientieren. Bei der prächtigen Kathedrale gibt es bestimmt auch einen Kirchplatz.
Und wo ein solcher ist, gibt es sicherlich einen Bäcker. In Capestang sind dies sogar drei. Wir spazieren jedoch erst einmal um die Kirche herum, bis wir endlich zum Eingang finden. Sie ist düster und mit einer winzig kleinen Orgel ausgestattet, während die für den Sakralbau verwendeten Steine sicherlich für zwei weitere Dörfer wie Capestang gereicht hätten.
In einem winzigen Lebensmittelladen – wirklich schön, dass es so etwas noch gibt – bekommen wir Baguette und leckeren Stinkekäse aus der Gegend, bevor wir auf dem Boot ausgiebig frühstücken. Anschließend holt Lars bei der Capitainerie einen Gutschein für Frischwasser. Für fünf Euro zuzüglich Pfand für die am Automaten aufzulegende Karte können wir relativ teure 300 Liter Wasser tanken. Daneben ermöglicht die Karte aber auch Zugang zu den sanitären Anlagen der Capitainerie.
Davon machen tatsächlich einige Bootsfahrer Gebrauch. Das Auffüllen mit Wasser stellt sich zum Glück als sehr einfach heraus. Allerdings wundern wir uns nach einer Weile über die Menge Wasser, die in dem kleinen Loch vom Wassertank verschwindet. Erst nach einigen Minuten entdeckt Lars den Überlauf auf der anderen Seite vom Boot, wo das eben getankte Wasser wieder heraus und direkt in den Canal du Midi hinein plätschert. Schön, dass wir das nun wissen.
Die Weiterfahrt verläuft ruhig und gemütlich. Es gibt keine Schleusen, nur Landschaft, die mit jeder Kurve schöner wird. Ein Jammer ist jedoch, dass Fliegen unsere Leidenschaft für Käse teilen. Diese haben wir uns im Hafen von Capestang eingefangen. Nachdem sie sich zunächst auf die feuchten Seile gestürzt hatten, nehmen sie nun Kurs auf den Kühlschrank. Ich übernehme das Steuer, während Lars auf Fliegenjagd geht. Das Boot ist leider zu langsam, um sie gleich wieder los zu werden.
So liegen irgendwann über 50 Stück von denen Nerv-Viechern im Waschbecken. Wir haben ein Boot mit Insektenfriedhof an Bord, toll! Auch die Räucherspiralen, die wir anzünden, brauchen etwas, bis sie ihre Wirkung entfalten. Schließlich aber gelingt es Lars, mehrere Dutzend Viecher soweit hinters Heck zu scheuchen, dass sie die Verfolgung aufgegeben. Die letzten zwei, drei unter Deck sind danach auch bald erledigt. Und unser Boot? Das duftet nun wie ein asiatischer Tempel.
Eine ganze Weile fahren wir durch einen idyllischen Pinienwald. Nach gut 20 Kilometern passieren wir einen Abzweig zum Canal de la Robine, der nach Narbonne führt. Wir lassen diesen links liegen und erreichen kurz vor Le Somail ein weiteres Aquädukt, das über die La Cesse führt. Hier beginnen wieder die Platanenalleen. Leider ist ein Großteil der 42.000 Platanen entlang des Canal du Midi von der Massariakrankheit befallen.
Die durch den Pilz Ceratocystis fimbriata hervorgerufene Krankheit gelangt über das Kanalwasser und die darauf fahrenden Boote von Baum zu Baum und lässt die Platanen langsam absterben. Bei Capestang waren schon mehrere Kilometer bereits neu bepflanzt, angeblich mit einer Platanen-Züchtung, die gegenüber dem Erreger resistent ist. Hier aber, bei Le Somail, sind die Baumfällarbeiten bei unserer Tour noch in vollem Gange.
Außerhalb von Le Somail machen wir unser Boot fest. Der Tramontane hat wieder deutlich an Stärke gewonnen. Dennoch gelingt es uns, unser Hausboot gut festzuzurren. Danach können wir uns über einen netten Nebeneffekt des Tramontanes freuen: er weht die lästigen Fliegen auf und davon. Prima!
Nach 25 Kilometern Fahrt ist hier Endstation für heute. Wir nehmen nochmals die Räder vom Boot. Le Somail zählt für Hausbootreisende zu den Highlights am Canal du Midi. Es stimmt. Mit seinen Wein berankten Häusern und der schmalsten Bogenbrücke entlang des Kanals ist das Dorf ein wahres Idyll.
Im 18. Jahrhundert gehörte Le Somail zu den vier Poststationen am Canal du Midi. Neben dem Warentransport wurde der Kanal damals auch für die Beförderung des Post- und Personenverkehrs genutzt. So konnten die Menschen in vier Tagen von Agde nach Toulouse und umgekehrt reisen.
Das war natürlich einiges komfortabler als mit der Kutsche über die holprigen Straßen zu fahren. Le Somail, Trèbes, Castelnaudary und Negra waren damals Zwischenstationen mit Unterkünften, Restaurants und Kirchen für den Messebesuch.
Der idyllische Bereich von Le Somail beschränkt sich hauptsächlich auf einen kurzen Abschnitt am Kanal. So haben wir auch dieses schon bald gesehen, zumal die Restaurants auch hier erst am späteren Abend öffnen. So fahren wir mit den Rädern noch in die entgegengesetzte Richtung bis zum Aquädukt über die La Cesse. Auf der Strecke beobachten wir die Baumfällarbeiten. Mit Hilfe eines Lastenkahns und schwerem Gefährt werden die Platanen gefällt und vor Ort verbrannt. An sich ist es ein Jammer, das Holz so nutzlos in Rauch und Asche aufgehen zu lassen.
Doch nur so lässt sich die Ausbreitung des Erregers eindämmen. Mithilfe eines großen, weißen Vlieses wird zudem verhindert, das infiziertes Geäst zurück bleibt. Leider wurde früher weniger auf Wechselbepflanzung geachtet. Während Riquet sich damals für schnell wachsende Bäume wie Weide entschied, forcierte der Baumschulverantwortliche Antoine Ferrière zwischen 1787 und 1817 die Anpflanzung der Platanen. Die Bäume sicherten den Damm und beschatteten den Kanal. Es wird einige Jahre dauern, bis ein neues Blätterdach wieder für Schatten sorgt.
Wir verweilen noch etwas am Aquädukt, bis wir zumindest ein Boot gefilmt haben, das darüber hinweg fährt. Dann geht es zurück zu unserer Capri und kochen wir uns mal wieder Spaghetti mit einer leckeren Soße. Ab und zu versuchen auch andere, in dem windanfälligen Abschnitt vor Somail anzulegen. Einer nach dem anderen aber bricht das Unterfangen ab. Dabei gelingt es zwei Bootsführern sogar, ihr Boot mit der Längsseite ans Ufer zu bringen. Der Erfolg scheint damit zum Greifen nahe.
Leider aber steht die gesamte Crew wie die Ölgötzen auf dem Deck da, ohne dass sich auch nur einer rührt. Somit drückt der Wind das Boot unweigerlich wieder in die Mitte des Kanals. Da nützt es auch nichts, dass Lars zweimal von Bord springt, um beim Anlegen zu helfen. Als Ergebnis bleiben wir auf weiter Flur alleine. Gelegentlich schaukelt unser Boot gewaltig. Zufällig immer dann, wenn ein Boot mit Rentnern an uns vorbeirast, ohne den Gashebel auch nur einen Deut zurückzustellen. Oder liegt es am Wein? Denn längst sind wir zum gemütlichen Teil des Abends übergegangen und widmen uns der regionalen Weinkultur aus Cahors.