Das am Seeufer des Genfersee stehende Château de Rolle wurde 1264 durch die Grafen von Savoyen erbaut und zwischen 1530 und 1536 von den Berner Eidgenossen niedergebrannt. Der Berner Finanzmann Jean de Steiger und seine Nachkommen richteten die Ruinen ab 1558 wieder auf. Als das Waadtland 1799 von der Berner Herrschaft befreit wurde, kaufte die Gemeinde Rolle das Schloss.
In der Folge diente das Gemäuder zivilen Zwecken. Die Kommune brachte hier die Gemeindeverwaltung, Schulklassen und Lehrerunterkünfte samt Gefängnis sowie eine Krankenstation unter. 2005 wurde die Association des Amis du Château de Rolle, die Gesellschaft »Freunde des Schlosses« gegründet, die sich dem Schutz der alten Gemäuer verschrieben haben.
Uns haben die Grafen von Savoyen mit dem Schloss einen dankbaren Zwischenstopp bei unserer Fahrt in die Midi-Pyrénées beschert. Es ist zugleich eine Ausnahme. Denn von Fahrten mit dem eigenen Auto in den Sommerurlaub halten wir in der Regel eher Abstand. Unsere Autoreisen beschränken sich hauptsächlich auf das Allgäu, Elsass und vereinzelt noch Lars' norddeutsche Heimat in Butjadingen.
Bei all diesen Zielen handelt es sich meist um Kurzreisen. Vor unserer Fahrt in die Midi-Pyrénées aber stehen wir in aller Herrgottsfrühe vor dem winzigen Kofferraum unseres Auris. Es ist ein guter Morgen, um sich am Kopf zu kratzen und gegenseitig fragend anzublicken. Wie sollen da die Klamotten für drei Wochen Urlaub und die vielen kleinen Extras für unsere Bootsreise hineinpassen?
Nach etwas hin und her aber lässt sich dann alles soweit zusammenstauchen, dass sich der Kofferraum schließen lässt. Sogar zwei Flaschen Cola, eine Flasche Wein und eine Buddel Rum finden Platz. Damit müssen wir nur noch unsere Katze Minka trösten, die verwirrt durch die Wohnung schleicht. In ihrer Welt ist es sie, die uns nachts um drei Uhr weckt, um uns zu ärgern. Dass stattdessen wir aufstehen und die Frechheit besitzen, vor ihr das Haus zu verlassen, überfordert sie.
Warum wir so früh starten? Wir wollen vor dem morgendlichen Pendlerstau am Großraum Basel vorbei sein. Das gelingt dann auch wie gewünscht. Allerdings so gut, dass wir unser erstes Zwischenziel deutlich früher als geplant erreichen: das Château de Rolle am Genfersee. Hier haben wir ein kleines Frühstück geplant und wollen wir die Aussicht über den See genießen.
Bei unserer Ankunft grinst Lars: »Das hast Du Dir anders vorgestellt, gell?« Klar, heller. Aber es geht bereits auf den Herbst zu. Damit braucht die Sonne schon wieder deutlich länger, bis sie Licht bringt. Egal, es ist dämmrig und die Enten quaken idyllisch auf dem ruhig daliegenden Wasser. Unser Frühstück gleicht einem netten Picknick bei leicht frostigem Wind. Wir sind zufrieden.
Wir vertreten uns noch etwas die Beine entlang der Seepromenade, die wunderschön bepflanzt und gepflegt ist. Ein paar morgendliche Jogger rufen uns ein gut gelauntes »Bonjour« zu. Doch auch wenn hier bereits mehrheitlich Französisch geredet wird, so befinden wir uns immer noch in der Schweiz. Mit wenig Verkehr auf der Straße fahren wir anschließend gemütlich weiter. Gemütlich schon deshalb, weil ab dem Genfersee alle zweieinhalb Kilometer ein Blitzer steht.
Auf den Autobahnen zwischen Bern, Genf und der Grenze nach Frankreich flitzt auch keiner im Tunnel an uns vorbei, denn auch dort bremsen Radarfallen den Verkehr. Als Rekord hat Lars in nur einer Tunnelröhre vier Blitzer gezählt. Da kennt der Schweizer nichts. Oder, wie uns später eine aus Genf stammende Bootsfahrerin eröffnet: »Ihr müsst schneller fahren. Wir können das Geld gut gebrauchen.«