Die mystische Grotte Massabielle

die Anfänge des Pilgerkultes

Nach unserem Besuch in der indischen Pizzeria steht die allabendliche Kerzenprozession bzw. Lichterprozession auf unserem Programm. Da es noch nicht einmal dunkel ist, haben wir noch genügend Zeit. Von den extrem touristisch übertünchten Devotionalienboutiquen haben wir recht schnell mehr als genug gesehen.

So zieht es uns bald wieder in Richtung der Sanktuarien. Das auffälligste dort sind die Rosenkranzbasilika und die darüber stehende Basilika der Unbefleckten Empfängnis. In beiden wird bei unserer Ankunft am frühen Abend Gottesdienst gehalten, da wollen wir nicht stören.

Bei der Wasserstation in Lourdes

Stattdessen gehen wir zu den Anfängen des Pilgerkultes – der Grotte Massabielle. Sie befindet sich in dem Felsen unterhalb der zweiten Basilika. Auf dem Weg dorthin passieren wir die vielen Armaturen, bei denen sich die Pilger das »Heilige Wasser« abzapfen können. Unzählige kleine Fläschchen stehen dafür bereit. Im Gegensatz zu den Läden im Zentrum werden sie hier nicht verkauft, sondern können gegen eine »empfohlene Spende« entnommen werden. Ob sich die Heilige Bernadette für diesen Kult begeistern könnte, halten wir für fraglich. Immerhin war sie so ehrlich, zu erwähnen, dass das Wasser keine Wirkung hat, ohne Glauben. Lars vereinfacht diese Formel: »Das Wasser an sich hat keine Wirkung.« Schon will ich ihn liebevoll einen Ketzer schimpfen, als er weiter ausführt: »Erst durch eine bestimmte Handlung entsteht eine Wirkung.«

Diese sei dann allerdings tatsächlich fähig, bestimmte chronische Leiden zu lindern und insbesondere die Psyche zu stärken, was sich dann wieder positiv auf die Selbstheilungskräfte auswirken könne und so weiter und so fort ... zehn Jahre für ein Gesundheitsheft zu schreiben, haben so ihre Spuren hinterlassen. Allzu viel versprechen dürfe man sich von dem Wasser allerdings auch nicht, denn: »Bernadette Soubirous ist nur 35 Jahre alt geworden.« Wobei sie allerdings auch an Knochentuberkulose erkrankt war. Sei es drum. Ich reibe meinem Larsi die Ellenbogen und Handrücken mit dem Wasser ein und hoffe, so einen drohenden Stressausschlag abzuwenden.

Bei der Grotte Massabielle erreichen wir einen der wenigen Orte in Lourdes, wo auch heute noch eine mystische Stimmung herrscht. Es ist angenehm ruhig. Nur ein paar wenige Betende hocken auf den Bänken davor. Wir können ganz nah an die Quelle herantreten. Sie ist durch eine Scheibe von den Besuchern abgetrennt, doch das Wasser tropft auch überall von den Wänden. Etliche Besucher nutzen extra Stofftaschentücher, um etwas von dem heiligen Nass mit nach Hause zu nehmen oder sich zumindest die Stirn mit dem feuchten Tuch abzureiben.

Oberhalb der Quelle wacht die bekannte hellblau-weiße Statue der Jungfrau Maria, wie sie auch in den Lourdes-Grotten unserer Gegend zu sehen ist. Bernadette indes zeigte wenig Begeisterung für diese Statue, die der Künstler Joseph-Hugues Fabisch nach ihrer Beschreibung oder doch seiner eigenen Vorstellung angefertigt hatte. »Keine Spur«, war ihre Antwort auf die Frage, ob die Statue so aussehe wie die Muttergottes bei ihrer Erscheinung.

Egal, den Menschen gefällt es und dafür kommen sie hierher. Als Zeichen ihrer Dankbarkeit tragen viele Gläubige reich verzierte Kerzen zur Grotte. Natürlich ist dort längst mit speziellen Vorrichtungen dafür gesorgt, dass alles seine Ordnung hat. Der Größe nach sortiert – und manche haben ein gigantisches Maß und brennen sicher ein Jahr lang – reihen sich mehrere Kerzenhäuser neben der Grotte aneinander.

Wer sich an die Worte Bernadettes hält, würde eine nur sehr schlicht gehaltene Kerze aufstellen, sich dafür aber umso Zeit für das Aufstellen nehmen. Dem entgegen beobachten wir zwei Männer, welche mit raschen Schritten zwei riesige Kerzen mit sich hierher bringen – oder besser gesagt, hier abliefern. Denn so wie sie die Kerzen angezündet haben, hauen sie auch schon wieder ab, was Lars mit einem einfachen »Aha« quittiert. Andächtig sieht anders aus.

Kerzen- und Lichterprozession

Dann beginnt der Fackel- bzw. Lichterumzug. Er findet seit 1872 von Mai bis Oktober jeden Abend um 21 Uhr statt. Eine Madonnenstatue wird vornweg getragen. Ob diese dem Geschmack von Bernadette entspricht, bezweifle nun auch ich. Die Gläubigen laufen mit ihren Kerzen in der Hand in strenger Ordnung hinterher, singen Lieder oder beten den Rosenkranz.

Einzig die vielen, in die Höhe gehaltenen Handys und Vollpfostenantennen stören das Bild. Neben uns bemerkt ein Ehepaar, dass sie die vielen Smartphones bereits zuvor bei der Abendandacht als sehr störend empfunden haben. Doch auch wenn uns das Treiben seltsam vorkommt, ist die Stimmung wieder richtig toll und friedlich.

Kerzenprozession in Lourdes | Midi-Pyrénées

Eindrücke von der Kerzenprozession in Lourdes. Aufnahmen von der Grotte Massabielle, der dabei getragenen Marienstatue und der Pilger, die mit Kerzen und im Gebet des Rosenkranzes daran teilnehmen.

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