Pünktlich um neun Uhr steht der Fahrer, der uns nach Transnistrien gebracht hatte, vor unserem Hotel. Wir sind früh dran, da wir noch zur Manastirea Capriana wollen. Mit der Festung Bender im Blick fahren wir ein letztes Mal durch die Stadt der Denkmäler. Wenig später verlassen wir das Land Transnistrien. Inzwischen wirkt »die kleine Sowjetunion« weit weniger befremdlich auf uns als noch vor unserer Tour. Die Ausreise verläuft reibungslos und schnell. So erreichen wir nach knapp andertviertel Stunden den Flughafen von Chisinau, was bedeutet: deutlich früher als wir vor der Reise kalkuliert hatten. Denn der Mietwagen ist erst auf elf Uhr bestellt.
Bei unseren bisherigen Mietwagenreisen war das nie ein Problem. Hier jedoch ist das Büro von Europcar verwaist. Es kommen einfach zu wenige Flüge an, um einen Dauerbetrieb anbieten zu können. Doch hier kennt man sich und ruft der AVIS-Mann flugs unseren Vertreter an. So können wir es uns im Flughafen-Café gemütlich machen, einen Milchkaffee und eine Limo schlürfen, bis wir das gewünschte Auto bekommen. Ebenfalls ungewöhnlich ist die Herkunft des Wagens. Normalerweise sind Leihwagen in dem Land zugelassen, in dem sie auch eingesetzt werden. Unser jedoch hat ein Kennzeichen aus Rumänien.
Leider ist der Tank leer. Auch das ist in Moldawien gängige Praxis und so in den Unterlagen vermerkt. Da die Tankanzeige schon vor Verlassen des Flughafens aufleuchtet, müssen wir die nächste Tankstelle anfahren. Moldawien verfügt über diese in erstaunlich großer Anzahl und an den unmöglichsten Orten. Die meisten davon wirken sogar sehr modern.
Unser Navi führt uns stattdessen zielsicher zur nächstbesten Retro-Tankstelle. Gammliger könnte diese kaum sein. Ob die uns was ins Benzin mischen? Wie weit werden wir mit dem vermeintlichen Pansch-Sprit kommen? Wir werden es sehen. Zuerst aber fahren wir zum Hotel Vila Verde am Rande von Chisinau, um unseren Koffer loszuwerden und uns etwas aufzufrischen. Dann geht es sogleich weiter zum ersten Kloster.
Von den »Moldauklöstern« haben sicher schon viele gehört. Es ist eine Gruppe von rumänisch-orthodoxen Klöstern, deren Bau im 15. und 16. Jahrhundert im Fürstentum Moldau von Stefan dem Großen, also Ștefan cel Mare, und seinen Nachfolgern veranlasst wurde.
Allerdings befinden sich diese farbenfroh bemalten Moldau-Kirchen allesamt in der südlichen Bukowina, dem Buchenland, welches heute – wie unser Auto – zu Rumänien gehört. Das ist schade für Moldau, da die Kirchen auf der UNESCO-Welterbeliste stehen und einen wichtigen touristischen Anziehungspunkt im Nachbarland bilden.
Doch auch wenn die UNESCO die Klöster in der Republik Moldau außer Acht lässt, lohnt es sich, einige davon zu besuchen. So führt uns der Weg durch die Laubwälder von Codrii zum Kloster Capriana. Was sollen wir sagen? Kaum haben wir uns an die moldawischen Straßen gewöhnt, werden wir auch schon von der Polizei angehalten. Brav händigen wir dem Polizisten sämtliche Papiere aus und verfolgen, wie er mit diesen in seinem Auto verschwindet.
Man liest im Voraus viel über die korrupte Polizei in den ehemaligen Ostblockstaaten. Ein Jahr zuvor hatten wir bereits negative Bekanntschaft mit solch einem Herrn bei in Musina in Südafrika gemacht. Was wird uns wohl dieser unfreiwillige Stopp kosten? Gar nichts! Freundlich gibt uns der Mann die Papiere zurück, erwähnt dass alles prima sei und wir weiterfahren dürfen. Also kein »Bakschisch« für den Polizisten.
Wenig später kommen wir unbeschadet beim Kloster an und erleben dort die nächste Überraschung des Tages. Das Mănăstirea, also Kloster Capriana zählt zu den meistbesuchten Klöstern der Republik Moldau. Es befindet sich nahe bei Chisinau, wobei die Klosteranlage so ziemlich die schönste des Landes sein soll.
Und doch ist der Parkplatz davor leer und verlangt niemand Eintritt von den Besuchern. Stattdessen werden wir draußen vom Wachpersonal und drinnen von den Mönchen freundlich gegrüßt. Ansonsten können wir uns unbehelligt auf dem Klosterareal bewegen.
Das Kloster Capriana ist eines der ältesten in Bessarabien. Zu früheren Zeiten war das Kloster nach dem nahe gelegenen Flüsschen Isnovat benannt. Erst später wurde es zu Ehren eines besonders frommen Mönchs in Capriana umbenannt. Ștefan cel Mare stiftete 1491 die Himmelfahrtskirche als erste steinerne Kirche.
1545 wurde diese umgebaut und besitzt heute zwei etwa gleichgroße, jedoch unterschiedlich gestaltete Türme. Der eine ist rumänisch eckig, der andere russisch rund. Als größter Blickfang gilt indes die neobarocke Georgskirche. Mit ihren elf halbkugelförmigen Turmhauben gehört sie zu den beliebtesten Fotomotiven Moldawiens.
Leider ist der Himmel bei unserem Besuch bedeckt, womit das sonst strahlende Gelb etwas blass wirkt. Trotzdem kommt die Schönheit des Klosters zur Geltung. Das war vielleicht auch der Grund, weshalb die Anlage während der Sowjetzeit von ideologisch motivierter Zerstörung verschont blieb und sogar einen Denkmalschutzstatus verliehen bekommen hatte.
Zweckentfremdet wurde das Kloster Căpriana trotzdem, indem es einige Jahre als Kindersanatorium herhalten musste. Kinder zieht es noch immer hierher. So werden wir auf dem Parkplatz von einem kleinen Jungen auf unser rumänisches Kennzeichen aufmerksam gemacht. Für ihn ist das ein Zeichen für Geld, weshalb er uns anbettelt. Vergeblich, denn auch in Moldawien gilt: bettelnden Kindern gibt man kein Geld.