Den letzten Morgen nutzen wir für einen Spaziergang über das Allrussische Ausstellungszentrum WWZ (WDNCH). Praktisch für uns und die anderen Gäste des Hotels Kosmos ist, dass sich das 1923 errichtete Ausstellungsgelände gleich auf der anderen Straßenseite befindet.
Allerdings sollte man deshalb nicht auf die Idee kommen, dass es bis dahin nur ein Katzensprung weit ist. Nach Moskauer Verhältnissen vielleicht. Vom Hotelausgang, durch die Unterführung, vorbei an der Metro-Station »WDNCH« bis zur Magnetschwebebahn sind es rund 800 Meter. Nochmals 200 Meter weiter müssen wir laufen, bis wir beim Denkmal »Der Bauer und die Kolchosbäuerin« sind.
Hinter dem Denkmal erreichen wir die eigentliche Ausstellungsfläche. Ursprünglich plante Lenin, hier die volkswirtschaftlichen Errungenschaften der UdSSR zu demonstrieren. Dabei handelte es sich bis 1937 um eine temporäre Ausstellung. Erst zum 20. Jahrestag der Revolution wurde das Gelände zu einer Dauereinrichtung umgestaltet. Dabei durften sich auch 16 Unionsrepubliken mit landestypischen Pavillons verewigt sehen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges planten die Sozialisten, auf dem Gelände des WWZ eine Art Ideal-Sowjetunion entstehen zu lassen und die Leistungsfähigkeit des Landes vorzuführen. Hierfür wurde das Gelände zwischen 1947 und 1954 durch Alleen, Promenaden und Plätze erweitert.
Als einer der Glanzpunkte erreichen wir auf dem Platz hinter dem Zentralpavillon den Brunnen der Völkerfreundschaft. Llaut unserem Reiseführer besteht er aus achthundert Fontänen. Schade nur, dass er am Vormittag außer Betrieb ist. So müssen wir mit den blattvergoldeten Brunnenfiguren begnügen.
Für nur fünf Jahre dienten die Pavillons als Ausstellungsfläche für Waren aus allen Teilen der UdSSR. Die meisten der Waren waren dabei tatsächlich nicht viel mehr als Ausstellungsstücke, wie zum Beispiel Melonen, die in kaum einem Moskauer Geschäft den Weg ins Regal schafften. 1959 hatten die Machthaber wohl ein Einsehen, dass es auf Dauer eher schadet, der Bevölkerung Dinge zu zeigen, die sie ihnen Dank der Planmisswirtschaft nicht wirklich bieten können. Als Folge änderten sie das Ausstellungskonzept und informierten die Besucher stattdessen über die verschiedenen Wirtschaftszweige. Allen voran die Raumfahrt, mit der man am einfachsten protzen konnte, ohne in die Verlegenheit zu geraten, eine Nachfrage bedienen zu müssen.
Wie ab Mitte der 1950er Jahre wird man auf dem Gelände auch heute mit Musik berieselt. Damals mit sowjetischen Liedern, heute eben mit Tracks der internationalen Charts. Zumindest aber sind die vielen Lautsprecher so angebracht, dass einen die Musik fast durch das gesamten Gelände in einer gleichbleibenden Lautstärke mit nur wenigen Überlagerungen begleitet. Wenn dann noch die Sonne scheint, kann man dann auch mal wieder durchatmen und die Hektik des Zentrums, der U-Bahn und des letzten Frühstücks im Hotel von sich abfallen lassen.
Nachdem wir am anderen Ende des WWZ angekommen sind, haben wir schon wieder 2500 Meter zu Fuß zurückgelegt. Zur Zeit der Sozialisten hätten wir hier eine Stalin-Statue bestaunen können. Da diese Zeit zum Glück vorbei ist, stehen wir stattdessen vor einer Rakete.
Aber was heißt hier, vor einer Rakete? Es ist immerhin eine Kopie der legendären »Wostok«, mit der Jurij Gagarin einst als erster Mensch in den Weltraum startete. Kaum vorstellbar, dass dieses kleine Teil wieder heile auf der Erde aufsetzen konnte. Gagarin ist doch zurückgekehrt, oder?
Als wenn fünf Kilometer Wegstrecke für einen Morgen nicht genug wären, machen wir auf dem Weg zurück ins Kosmos noch einen Abstecher in den Freizeit- und Erlebnispark des WWZ. Neben einem kleinen Riesenrad und ein paar Rüttel- und Wirbelmaschinen finden wir hier die »Wilde Maus«, eine Achterbahn, die einst auf den deutschen Jahrmärkten unterwegs war. Hier also hat sie ihre letzte Bleibe gefunden. Anstelle einer angstschweißtreibenden Fahrt gönnen wir uns einen heißen, etwas überteuerten Plastikbecher Kaffee Latte, bevor wir zurück ins Hotel gehen.
Moskau - wer diese Stadt richtig erkunden will, braucht deutlich mehr Zeit als die paar Tage, die wir zur Verfügung hatten. Und doch können wir es nicht wirklich bedauern, als wir die Stadt nach drei Tagen und vier Nächten wieder verlassen. Mag sein, dass wir nicht mehr so fit sind wie bei unseren Städtereisen nach Paris, Lissabon oder Barcelona.
Sicher jedoch ist, dass uns Moskau geschafft hat. Fährt man mit öffentlichen Verkehrsmitteln, geht man in der Masse der Mitfahrer unter. Nimmt man, wie bei der Fahrt zum Kreml, das Auto, geht es nur schleppend voran. Und denkt man: »Das ist ja nur eine Station weit.«, so folgt die Strafe auf dem Fuß. Die Wege durch die Stadt sind hart und weit.
Trotzdem ist Moskau eine Reise wert. Mehr noch: die Hauptstadt Russlands gehört unbedingt auf die Liste jedes Städtereisenden. Sei es der herrlichen Kathedralen wegen, der einmalig schönen Atmosphäre auf dem Roten Platz von Moskau oder auch einfach, um sagen zu können: »Ich war in der größten Stadt Europas.«
Allerdings sollte man sich genauso unbedingt gut überlegen, was man sich anschauen will. Danach empfehlen wir, einen möglichst genauen Plan mit den einzelnen Metrolinien und Stationen ausarbeiten. Andernfalls geht man recht schnell in dem Trubel unter. Auch sollte man sich nicht von überteuerten Restaurants davon abhalten lassen, das Flair Moskaus zu genießen. Wir jedenfalls haben es trotz schmerzender Füße (und Beine, Knie, Rücken...) nicht bereut, sondern einen ganzen Schwung Erlebnisse mit nach Hause genommen, die wir in keiner anderen europäischen Stadt gemacht hätten.