Am Neujahrsmorgen drängt sich uns eine wichtige Frage auf: Warum haben wir heute eigentlich keinen reinen Transfertag? Ein passender Reiseverlauf wäre gewesen, wenn wir anstatt mit dem JJ Express-Bus zu fahren von der Hauptstadt Yangon nach Mandalay geflogen wären. Dann hätte sich das Programm verschoben und wir heute ein Boot nach Bagan nehmen können.
So eine gemütliche Bootstour würde jetzt, am Tag nach Silvester, bestens ins Programm passen. Stattdessen steht am frühen Morgen Amarapura, die Stadt der Unsterblichen, auf dem Programm und starten rund 100 Prozent unserer Gruppe ganz schön müde ins neue Jahr.
Als Erstes fahren wir zum Maha Gandaryon Kloster. Es ist die umstrittenste Sehenswürdigkeit während unserer Rundreise durch Myanmar. Auch Htet Htet ist anzumerken, dass ihr der Klosterbesuch unangenehm ist. Sie ist gläubige Buddhistin. Sie schätzt und würdigt Mönche und will diese nicht vorführen. Auf der anderen Seite stehen die Reiseveranstalter. Sie wissen, dass Touristen in Asien Mönche sehen wollen.
Dabei war uns schon zuvor in Laos aufgefallen: bei so manch Tourist schwindet plötzlich jedweder Anstand, wenn er auf Mönche trifft. In Laos war das für uns mit ein Grund, warum wir den Almosengang in Luang Prabang lieber verschlafen haben. Nun, wo wir schon mal da sind, wollen wir uns möglichst am Riemen reißen und den Bewohnern des Klosters den nötigen Respekt erweisen.
Blick in die Küche des Maha Gandaryon Klosters
Das 1914 gegründete Maha Gandaryon Kloster zählt zu den landesweit größten und bekanntesten Klöstern Myanmars. Es wird für seine Strenge und Disziplin gerühmt. Vielleicht sind die vielen Touristen, die ja vom Abt zugelassen sein müssen, eine Art Prüfung für die Mönche? Ordinierte Mönche haben 227 Lebensregeln, die einzuhalten sind.
Kindermönche sollen sich zumindest an die ersten zehn Regeln halten, welche besagen: nicht töten, nicht stehlen, nicht lügen, sexuelle Abstinenz, keine Drogen und kein Alkohol, kein Essen nach 12 Uhr Mittags, keinen weltlichen Vergnügen nachgehen, auf jeglichen Schmuck verzichten, nicht in bequeme Betten schlafen und kein Geld annehmen bzw. anfassen.
Sich an alle diese Lebensregeln zu halten, ist sicherlich sehr schwierig. Was den Mönchen hingegen leicht fallen dürfte, ist das Arbeitsverbot. Aber gut. Wir beginnen unseren Rundgang direkt am Parkplatz mit der Großküche des Klosters.
Wir können hineingehen und beobachten freiwillige Helfer beim Kartoffelschälen. Andere rühren in riesigen Töpfen. Beachtlich ist die gewaltige Reiskochanlage mit gesondertem Brennofen und einem Leitungssystem für das heiße Wasser – doch Hunderte von Mönchen muss man ja irgendwie satt bekommen.
Anschließend schlendern wir über das Grundstück und blicken in die noch leeren Esssäle. Immer wieder fahren kleine Lieferwagen an uns vorbei und bringen die vollen Kochtöpfe zur Essensausgabe. Beim Abladen legen nun auch die Mönche selbst Hand an. Der Hunger wird sie antreiben.
Aber vielleicht erkennen sie darin auch einfach keine Arbeit? Andere sind noch beim Duschen und leeren sich mit Kellen Wasser über den Kopf. Es ist offensichtlich, dass ihnen das Fotografiert werden unangenehm ist. Sie huschen flink an jeglichen Kameras der Touristen vorbei.
Ab 10 Uhr sollen wir an der Straße warten, auf der sich die Mönche für die Speisung aufstellen. Der Bereich direkt vor der Essensausgabe wird bereits von Touristen belagert. Waren wir anfangs noch der erste Bus beim Maha Gandaryon Kloster, so trifft nun eine Gruppe nach der anderen ein.
Wir verzichten auf die Drängelei und spazieren ein Stück weit die Straße hinunter, bis wir zu einem freien Abschnitt kommen. Hier, unter hohen Bäumen, ist es deutlich angenehmer und werden wir sicher auch Mönche sehen.
Tatsächlich verstreichen nur wenige Augenblicke, bis die ersten Mönche eintreffen und sich direkt vor uns aufstellen. Wie praktisch! Schade nur, dass die ersten Koreaner befürchten, etwas zu verpassen. Sofort kommen sie angerannt und drängen sich an uns vorbei auf die Straße.
Jetzt müssen die Mönche still stehen. Aufsichtsmönche drängen die ungeduldigen Gäste jedoch wieder zurück auf die Gehwege. Bald reihen sich weitere Mönche ein und legen einige der Koreaner Spenden auf die Speisetöpfe der Männer. Neben Süßigkeiten werden auch Schreibartikel und Geld gespendet.
Schließlich setzt sich der ganze Trupp in Bewegung. Diszipliniert laufen die Mönche gruppenweise zur Speisung, holen ihr Essen und suchen ihre Plätze in den Esssälen auf. Bis uns alle passiert haben, vergeht eine ganze Weile. Aber hier leben nun einmal sehr viele Mönche. Darum beginnt das »Spektakel« auch schon um 10.30 Uhr.
Schließlich dürfen die Mönche auch hier nach 12 Uhr keine Nahrung mehr zu sich nehmen, bis auf Fruchtsäfte und Honigbonbons. So sitzen sie nun still vor ihren Näpfen und genießen ihr Mahl. Anders als so manch Koreaner und Italiener sehen wir davon ab, in die Säle hinein zu fotografieren. Wir wollen ihnen die Ruhe lassen, die wir uns an ihrer Stelle wünschen würden.
Rundgang durch das Maha Gandaryon Kloster bei Amarapura mit der Großküche und den Unterkünften der Mönche. Aufnahmen vom Essensgang der Mönche.