Wie sagte Lars bereits am Piton des Neiges auf La Réunion? »Sonnenaufgänge bei Regen werden völlig überbewertet.« Es ist stockdunkel, als unser Wecker klingelt. Eigentlich laufen Touristen obligatorisch zum Sonnenaufgang nochmals hoch zum Goldenen Felsen. Doch draußen prasselt ein monsunartiger Regen auf die Terrasse, sodass wir lieber liegen bleiben und noch eine Stunde schlafen. Bevor wir wieder einschlummern, denken wir an die armen Pilger, die sich auf den Terrassen der Kyaiktiyo-Pagode ihr Nachtquartier unter freiem Himmel aufgeschlagen hatten. Ob sie oben Schutz gefunden haben?
Bis zum Frühstück klart es wieder auf. So kommen wir mit unserem kleinen Gepäck trocken zum Restaurant. Danach geht es auch gleich weiter zur LKW-Station. Ging es gestern in King Pun beim Verladen noch halbwegs gesittet zu,
so drängeln nun ganze Pilgermassen zu den startklaren LKWs. Wir dürfen als europäische Gruppe wieder als Erstes auf unsere zwei hinteren Bänke. Kaum sitzen wir, füllen sich die restlichen Plätze mit sicherlich weiteren 30 Leuten. Es kann los gehen.
Beim 10-Minuten-Camp kommen uns nun einige LKWs mehr entgegen als gestern, was die Wartezeit leider ungemein verlängert. Dafür steigen zwei Schülerinnen in den heute leeren Gepäck- und Frachtraum hinter uns ein. Mit nervigem Geknatter machen Verkäufer auf sich aufmerksam.
Sie verkaufen bunt bemalte Maschinengewehre aus Bambus als Kinderspielzeug. Pädagogisch sicherlich sehr wertvoll – und das noch bei einem Berg, der ihnen heilig ist. Aber leere Plastikverpackungen werden auch bei unserer Talfahrt einfach in die Landschaft geschmissen.
Von King Pun aus geht es weiter in den Süden nach Hpa-an. Htet Htet ist immer besorgt um unsere Gesundheit. Täglich fragt sie uns, ob es allen gut geht und keiner Durchfall hat oder kotzen muss. Deshalb hatten wir ihr gestern etwas Deutschunterricht gegeben und ihr erzählt, das Kotzen kein schönes Wort ist. Sie soll doch lieber fragen, ob es jemandem schlecht ist. Genau dies hat sie heute wunderbar befolgt.
Doch dann fängt sie an, über unseren nächsten Ort Hpa-an zu erklären und ist sogleich verwirrt. Hpa-an bedeutet soviel wie »Frosch kotzen« oder »ausgekotzter Frosch«. Wie soll sie den Ort nun nennen? Natürlich so, wie er heißt, auch wenn es schönere Ortsnamen gibt. So ist es halt: Deutsche Sprache – schwere Sprache – das erkennt auch Htet Htet.
Bleibt die Frage, wie der Ort zu solch einem seltsamen Namen gekommen ist? Dieser bezieht sich – wie so oft in Myanmar – auf eine Legende. So wollte einst eine Kobra einen Frosch auffressen. Doch dieser hatte vorher einen Zauberstein verschluckt, weshalb der Frosch der Kobra im Hals stecken blieb.
Da die Schlange ihr Opfer nicht herunter schlucken konnte, kotzte sie ihn wieder aus. So einfach war das damals. Aber bevor wir in Hpa-an ankommen, kümmern wir uns lieber um appetitlichere Dinge und kaufen unterwegs Pomelos. Diese gibt es nämlich in großen Mengen hier im Kayin-Staat.
In Myanmar gehört zu jedem Ort ein netter Marktbesuch. Das gilt natürlich auch für Hpa-an. Wobei wir allerdings bald zu der Erkenntnis gelangen, dass der Markt so ziemlich das einzige ist, was Hpa-an seinen Besuchern besonderes zu bieten hab.
Bei einer Moschee – ja, es gibt auch Abwechslung zu den buddhistischen Tempeln – werden wir hinaus gelassen. Die Moschee an sich ist richtig hübsch. Die letzte Renovierung scheint erst vor Kurzem abgeschlossen worden zu sein. Denn auf alten Bildern besitzt sie einen lila Anstrich, heute ist sie grün. Dekorativ stehen mehrere Tucktucks davor.
Fisch, Chile und Gemüse auf dem Markt von Hpa-an
Ansonsten gleicht der Markt einem Großmarkt, ähnlich dem von Mandalay. Immerhin hat sich Hpa-an zu einer wichtigen Handelsstadt entwickelt. Hier werden insbesondere Waren aus Thailand umgeschlagen. Thailand und Myanmar betreiben gerne gegenseitigen Import und Export von verschiedenen Früchten und sonstigen Waren.
Weniger beliebt bei den Burmesen sind hingegen chinesische Produkte. Den Chinesen wird unterstellt, dass sie ihre Waren strecken. Angeblich spritzen sie gesüßtes Wasser in die Orangen und Äpfel, eh sie diese in andere Länder ausführen. Das bringt natürlich Gewicht, schmeckt aber keinem.
Gut, andererseits wollen wir auch nicht unbedingt wissen, was bei uns in Deutschland so alles im und am Gemüse und den Früchten zu finden ist. Die Profitgier auf Kosten des Verbrauchers scheint einer der Kassenschlager der Globalisierung zu sein. Doch zumindest ist es schön, zwischen den Ständen hindurch zu schlendern.
Bei unserem Rundgang ist recht wenig los, was aber wohl der Uhrzeit geschuldet ist. Die Hausfrauen erledigen ihren Markteinkauf bereits am zeitigen Vormittag. Nur eine Gruppe von buddhistischen Nonnen fällt uns auf. Es sind Mädchen mit rosa Kutte. Wie lange sie wohl ihren langen Haaren nachtrauern?
Rundgang über den Markt in Hpa-an. In weiten Teilen gleicht das Markt einem Großmarkt, auf dem insbesondere Waren aus Thailand in großen Mengen angeboten werden.
Bereits bei der Fahrt zum Markt von Hpa-an kamen wir am Hotel Zwekabin vorbei. Dabei machte es von der Straße aus einen ziemlich noblen Eindruck. Wir sind alle im längeren Zimmerkomplex untergebracht. Vom Balkon aus blicken wir somit auf die Bungalowanlage zwischen uns und der Hauptstraße. Die Bungalows machen zwar einen gemütlicheren Eindruck. Doch so sind wir etwas weiter vom Straßenlärm entfernt.
Da wir eh nur eine Nach hier verbringen, geht das sicher in Ordnung. Zumindest das Zimmer ist riesig und die Betten sind bequem. Einzig das Bad ist für solch einen Standard schäbig. Das hatten wir bisher während der gesamten Reise nicht. Selbst die Bäder auf dem Inle-See sowie im Mountain Top Hotel waren trotz der dort schwierigeren Bedingungen deutlich besser.
Auch einen Wasserkocher sucht man im Zimmer vergebens. Dafür gibt es den Concierge, bei dem wir heißes Wasser bestellen können. Dieser bringt dann eine Thermoskanne zum Zimmer und wir können uns einen Kaffee machen. Immerhin bringt er außerdem einen kleinen Korb mit Bananen mit.
Eigentlich wollten wir ja noch etwas auf den Balkon sitzen. Doch irgendwie fehlen dort halbwegs bequeme Stühle. Gut, wir verzichten und hüpfen stattdessen in den augenscheinlich erst kurz zuvor fertiggestellten Pool. Schließlich befinden wir uns in den Tropen und sind noch kein einziges Mal geschwommen.
Da das Hotel außerhalb von Hpa-an liegt, braucht es einen Fußmarsch von einer Viertelstunde bis zum nächsten Restaurant. Klar, im Hotel kann man auch Essen gehen. Doch wir haben ohnehin noch eine Pomelo dabei und auch diesen Tag wieder soviel zum Mittagessen bekommen, dass es für den Tag reicht.
Ohne Absicht treffen wir damit eine gute Entscheidung. Denn mit der Dunkelheit erreicht uns der erwartete Tropensturm. Und der hat mächtig viel Wasser im Gepäck. Wir verbleiben im Zimmer und schauen uns den Film »Dämmerung über Burma« an. Jetzt, wo wir schon eine Weile durch das Land gereist sind, wird uns bei dem Film einiges klarer.
Auf einen späteren Besuch in der Bar verzichten wir, da sich der anfängliche Platzregen zu einen nicht enden wollenden Monsun gemausert hat. Irgendwann hören wir die Tür vom Nachbarzimmer. Die ärmsten waren tatsächlich beim Restaurant außerhalb und sind nun klatschnass. Denn mit solch einem Regen hatten sie nicht gerechnet. Erst später erfahren wir, dass das Wasser sogar in die Armbanduhr eingedrungen ist und diese nun hinüber sind.
Tatsächlich prasselt der Regen die ganze Nacht über auf Hpa-an und unser Hotel herab, sodass wir am Morgen auf eine etwas andere Arte schwimmenden Garten hinabblicken. Netterweise stellt uns der Concierge zwei Schirme vor die Zimmertüre. So kommen wir zumindest trocken, wenn auch mit nassen Füßen beim auch hier typisch asiatischen Frühstück an, wo wir nur noch das Problem fehlenden Bestecks und dreckiger Tischdecken lösen müssen.